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Ich bin schon fast etwas überrascht, dass die aktuelle Folge „Westworld“ tatsächlich mit dem Intro beginnt. Ich hätte wetten können, dass wir diese Woche – nach dem Ende letzter Woche – mit Shogun World starten. Aber der Einstieg ist deshalb ja nicht weniger gut. Ich finde ihn ehrlich gesagt mehr als gelungen.

This is the Interview

Wir starten mit einem Close-up auf einen Plattenspieler, der den Rolling Stones Song „Play with fire“ spielt – eine Metapher auf mehreren Ebenen. Zunächst einmal ist die sich drehende Platte ein Sinnbild für die Loops, die wir in dieser Episode zu sehen bekommen. Loops, in denen sich ein James Delos-Mensch-Host-Hybrid befindet. Zugleich ist der Titel des Songs eine Metapher für das heikle Spiel, das dort mit menschlichen Vorbildern und dem Versuch, diese zu klonen, getrieben wird. Und gleichzeitig weist die Feuer-Referenz aber auch auf das Schicksal des Test-Hybrid-Hosts hin, das nach und nach aufgedeckt wird.

Doch nochmal zurück zum Anfang. In Detailaufnahmen werden wir in einer sehr schönen Kamerafahrt durch ein modern erscheinendes Apartment geführt, über das wir uns aufgrund des eingeschränkten Blicks zunächst keinen richtigen Überblick verschaffen können. Alles sieht recht sauber und steril aus, doch es gibt auch ein paar persönliche Gegenstände. Und schließlich sehen wir auch ein erstes Lebenszeichen einer dort hausenden Person, die sich auf einem Heimtrainer die Füße abstrampelt. Auch hier wieder sehr schön inszeniert: Die Füße bewegen sich in Kreisen über einer wie eine Schallplatte aussehende Scheibe. Und so führt uns die Kamerafahrt weiter durch das Apartment, bis sich schließlich der Kreis schließt, wir wieder am Plattenspieler ankommen und die Musik gestoppt wird. Und dann wird auch enthüllt, in wessen Gemach Käfig wir uns dort befinden: James Delos geht scheinbar einer morgendlichen Routine nach.

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Es dauert nicht lang, da bekommt Delos Besuch – von William, also dem jungen William, der ein Interview mit ihm führen soll. Eines, das man später zur Referenz heranziehen möchte. Kein Wort dazu, wann er endlich aus diesem „viel zu teuren Bürokomplex“ herauskommen wird. Nur die Übergabe eines mysteriösen Dokuments zeigt uns, dass wir noch nicht verstehen können, was hier eigentlich vor sich geht.

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Einige Szenen später kehren wir zurück in das Delos-„Apartment“. Es ist fast alles wie zuvor, der Ablauf von James Delos Handlungen ist der gleiche, nur kleine Details weisen darauf hin, dass etwas Zeit vergangen ist – bis William hereintritt und wir sehen, dass wohl doch etwas mehr Zeit verstrichen ist. Vom Alter deutlich gekennzeichnet führt William mit einem keineswegs gealterten Delos das gleiche Gespräch wie zuvor. Mit dem Unterschied, dass wir diesmal sehen dürfen, was das geheime Dokument ist, das William Delos übergibt: das Script, das Delos Sprechtext beinhaltet. Und so entsteht eine deutlich interessantere und Aufschluss gebende Konversation zwischen den beiden: James Delos, der Mensch, ist seit sieben Jahren tot. Seine Frau ist mittlerweile ebenfalls verstorben und wie es aussieht, bestreitet dieser James Delos, der Mensch-Host-Hybrid im (was weich ich wie vielten) Entwicklungsstadium, gerade seinen siebten Tag als Delos-Klon und schlägt sich ganz wacker, aber leider nicht gut genug, um diese Testphase „überleben“ zu dürfen.

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Wieder später kehren wir ein drittes Mal in diese Szenerie zurück. Und wieder empfängt James Delos einen Besucher, doch wieder ist etwas anders. Und wie viel Zeit diesmal vergangen ist, erkennen wir daran, dass nun nicht Jimmi Simpson, sondern Ed Harris als Man in Black den Raum betritt. Und dieser erzählt uns wieder, was vor sich geht. Mittlerweile kann Delos zwar gut improvisieren, es ist bereits der 35. Tag dieser Testphase, 149 Mal wurde er nun schon zurückgebracht, doch leider nie mit dem gewünschten Effekt. Der Tod seiner Frau liegt weit zurück, seine Tochter und Williams Frau hat sich umgebracht und Logan ist an einer Überdosis gestorben. Und nun hat auch William die Hoffnung verloren, dass aus dem Delos Experiment noch etwas werden kann.

„People aren’t meant to live forever.“

For a reason

Jenseits im Bernard-Erzählstrang sehen wir, dass Clementine diesen seit letzter Woche noch immer hinter sich herzieht, zu einer Höhle schleppt und verschwindet. In dieser Höhle, man kann es kaum glauben, findet er: Richtig, Elsie! Na, ihre Rückkehr war nun wirklich nur noch eine Frage der Zeit. Gut auf ihn zu sprechen ist sie natürlich eher nicht, schließlich war er es, der sie verletzt und an diesen abgelegenen Ort gebracht hat. Sie stellt schweren Glaubens fest, dass er nur ein Host mit Backstory ist, der von Ford zu den grausamen Taten geleitet wurde. In schön inszenierten Erinnerungsfetzen, in denen Bernard sich selbst bei seinen Handlungen zusieht und seinen bereits gegangenen Schritten folgt, sehen wir, wie Bernard durch Flashbacks zu einem geheimen Schalter in der Höhle findet, der wiederum zu einem geheimen Kontrollraum führt, der darauf ausgelegt ist, ok, nun eher war, die Besucher des Parks zu beobachten. Warum wollte Ford, dass er diesen Ort findet?

„He wrote a game, and we’re all in it.“

Elsie fasst nach und nach wieder Vertrauen zu Bernard und so hilft sie ihm auch, wieder an das nötige „cortical fluid“ zu gelangen. Sie macht ihm klar, dass seine Zeit in diesem Host-Körper abläuft und dass es keine Lügen mehr zwischen ihnen geben darf. Es gibt da allerdings auf jeden Fall eine Kleinigkeit, die Bernard verschwiegen hat. Denn als sie das Geheimlabor betreten und die toten Angestellten auffinden, sehen wir als Zuschauer, dass für das Ableben dieser genau eine Person verantwortlich ist: ein kalter Bernard mit leerem Blick, wie gesteuert durch Geisterhand. Der sich daran erinnert, dass dort im Labor etwas hergestellt wurde, etwas mit Bedeutung. Etwas, das aussieht, wie der Kern eines Mensch-Host-Hybrids, den er mal eben hat in seiner Jacketttasche verschwinden lassen. Was – oder besser gesagt wen – haben sie hier „reproduziert“?

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Doch der Fund der Leichen und die Erinnerung an Bernards vergangene Taten bleiben nicht das einzige, das hier entdeckt wird: Sie finden ebenfalls den seit geraumer Zeit im Hinterzimmer verrückt werdenden James Delos-Mensch-Host-Hybrid, der nach Williams/MiBs letztem Besuch, der ziemlich genau auf den Zeitpunkt kurz vor Beginn von Staffel eins zu datieren sein müsste, nie deaktiviert wurde. Sichtlich außer Kontrolle, das Gesicht aufgeschlitzt, den Wohnraum zerstört, versucht er Elsie umzubringen, bevor Elsie und Bernard ihm das letzte Feuer gewähren.

Deals

Und dann wäre da noch der Erzählstrang von Gegenwarts-William. Er ist wieder einmal mit Lawrence unterwegs, wir kehren in sein Heimatdorf zurück, das wir schon des Öfteren mit dem Man in Black besucht haben. Doch diesmal wird es von Craddock beherrscht, der alle Dorfbewohner gefangen genommen hat. Das geht auf Teddys Kappe, würde ich sagen. Craddock und seine Männer wollen Waffen und Sprengstoff, zu denen William sie führt, um sie, naja, sagen wir einfach, dann direkt wieder mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.

„You think you know death, but you don’t. You didn’t recognize him sitting across from you this whole time.“

Wir sehen hier eine andere Seite von William, denn statt Lawrences Familie umzubringen, wie er es in der Vergangenheit schon diverse Male getan hat, setzt er sich dieses Mal für sie ein und rettet sie. Als Dank packt Lawrence noch ein paar Cousins ein, die mit den beiden nach Glory reiten. Doch nicht ohne das fehlende Glied in der Kette, von dem wir noch nicht ganz wussten, das es an dieser Stelle fehlt: Die mysteriöse Expediteurin aus dem Raj-Park von letzter Woche, die Ghost Nation durch glorreiche Tricks (selbst entfesseln, ganz einfach!) entfliehen konnte, wo sie nebenbei erwähnt kurz auf Stubbs traf, entpuppt sich als Williams Tochter Emily, die keinerlei Absichten hat, den Park (je?) wieder zu verlassen, und gesellt sich mit einem lässigen „Hi Dad“ zur Gruppe. Kurz gesagt: Grace = Emily = Williams Tochter = Wiedervereinigung mit Paps geglückt.

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In „The Riddle of the Sphinx“ steckt der Teufel wirklich im Detail. Nicht, dass das bei anderen Episoden von „Westworld“ nicht auch der Fall ist, aber in dieser Folge hatte ich ganz besonders das Gefühl, dass ich durch ein bloßes Blinzeln die Enthüllung gleich dreier großer Geheimnisse, Zitate oder sonstigen Verknüpfungen verpasse.

Die James Delos-Loops sind toll inszeniert. Peter Mullan spielt seine Rolle überzeugend und auch, wenn ich manchmal echt Probleme habe, seinen Akzent zu verstehen, mag ich, wie er spricht. Aber auch die feinen Details, die metaphorischen, kreisenden Bewegungen der Platte, des Rads, der Kamera, das Spiel mit den Spiegeln und Reflexionen, die wiederkehrenden Dialoge, deren Bedeutung in der Abweichung voneinander liegt: Hier möchte man jedes noch so kleine Fitzelchen aufsaugen und auf der Zunge zergehen lassen, denn man kann hier wahrlich jede Requisite und jeden Satz analysieren und darin Querverweise, Metaphern und Anspielungen erkennen. So fand ich es super, dass William James die Frage „If you can’t tell, does it matter?“ stellt, die ihm bei seinem ersten Besuch im Park von Angela gestellt wurde. Oder dass James am Ende in seinem Käfig rückwärts radelt. „Westworld“ ist ein Komplex, ein großes Rätsel, das es an jeder Ecke und jedem Ende ermöglicht, weitere Verbindungen zu ziehen. Und irgendetwas sagt mir, wenn ich „Lost“ ganz gesehen hätte, gäbe es auch hier zahlreiche Parallelen.

Besonders interessant sind in der zeitlichen Reise von mehr als dreißig Jahren, die wir auch in dieser Folge wieder durchlaufen, die emotionalen Zustände von William. Nachdem wir ihn in so vielen Episoden nun schon kalt und skrupellos gesehen haben, ist hier in nahezu jeder Einstellung wieder ganz viel Menschliches, das ihm anhaftet. Ja, er ist fast schon emotional im Umgang mit James und auch mit Lawrence und seiner Familie. Er erinnert sich an den schmerzhaften Selbstmord seiner Frau und scheint glücklich zu sein, auf seine Tochter zu treffen. Hat der Mann in Schwarz also doch noch eine gute Seite – woran ja aber auch keiner so richtig gezweifelt hat, oder?

„You live only as long as the last person who remembers you.“

Insgesamt hat diese Folge auch wieder einen großen moralischen Anteil. Die Enthüllung, dass selbst nach dreißig Jahren Forschung eine Maschine niemals ein Mensch sein kann. Dass das Klonen einer Person nur ihre Hülle unsterblich macht. Dass Unsterblichkeit keine Erfüllung ist und man eigentlich exakt so lange lebt, wie sich noch jemand an dich erinnern kann.

Eine ganze Episode lang keine Dolores, auch von Maeve und der neu entdeckten Shogun World sehen wir nichts. Doch dafür bekommen wir sehr viele weitere Einblicke hinter die Kulissen des Parks und der geheimen Dinge, die dort so vor sich gehen. Ist dieser Ort der möglichen, digitalen Unsterblichkeit Williams größter Fehler? Die Waffe, die Dolores sucht? Glory? William jedenfalls muss sich auf die richtige Richtung seines Weges konzentrieren.

„If you’re looking forward you’re looking in the wrong direction.“

Bilder: HBO

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Beitrag von:
Dienstag, 15. Mai 2018, 09:30 Uhr
ReviewWestworld
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Ein Kommentar

  • Für mich klar die beste Folge der bisherigen Staffel, endlich kam wieder DAS „Westworld“-Feeling im großen Maße auf – und mit ihm die ersten vernetzten Gedankengänge und gesponnenen Theorien. Lediglich der „Deals“-Strang hat mich jetzt nicht so gepackt, da bin ich noch immer nicht so ganz drin, die Bernard- und Delos-Stories waren dafür umso intensiver und toller umgesetzt.

    Mein Gedanke: Bernard hat von Ford den Auftrag bekommen, Fords Gedächtnis auf eine solche Unit zu verfrachten. Entsprechend hat sich Ford umgebracht, um dann sowohl in den anderen Hosts (hier z.B. die Tochter im Dorf) oder gar als eine Kopie seiner selbst nochmal aufzutauchen.

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