Während wir in der vergangenen Episode durch verschiedene Erzählstränge gehopst sind, um bei jeder Figur mal vorbeizuschauen, können wir uns in dieser Woche so ziemlich auf einen Charakter konzentrieren: Bernard.
Hiding amongst the humans
Zur Abwechslung starten wir mal wieder ohne Intro in die Episode. Gegenwart, zwei Wochen nach dem Start der Rebellion. Stubbs glaubt nicht daran, dass Hale und Strand eine Rettungsmission im Blick haben, sondern eher, dass sie alle Spuren für ihre geheimen Aktivitäten verschwinden lassen wollen. Er vertraut sich Bernard an, doch bevor sie auch nur einen Schritt tätigen können, bedroht Strand sie mit einer Waffe und bringt sie in vollkommener Dunkelheit zum Haus von Ford, das wir mittlerweile vor allem mit dem Mord an Teresa verbinden. Die Rückkehr zu diesem Platz macht Freude, denn hier wurden uns bisher schon andere Erkenntnis bringende Details verkündet. Und schwupps, taucht in Fords geheimen Labor auch gleich eine geheime Geheimtür auf, hinter der der Beweis liegt, der nun auch Hale verrät, dass es sich bei Bernard um deutlich mehr als nur den netten Mitarbeiter vom Kontrollbüro nebenan handelt. Die Aufforderung an Bernard, sich zu erinnern, was mit Abernathy passiert ist, bringt uns in der Zeit wieder eine kleine Weile zurück. Visuell eingeleitet wird der Rückblick durch ein ganz nettes Flimmern.
Wir erinnern uns: Dolores und Teddy hatten ihre Fahrt zur Mesa angetreten, um Abernathy zu befreien. Als diese dort eintreffen, suggeriert der spezielle Einsatz der Musik, dass wir uns in einem Actionfilm befinden. Dolores Crew betritt die Kontrollstation und löscht alles aus, was ihrer Mission im Weg steht.
Unterdessen sind Elsie und Bernard stets im Cradle, wo Elsie weiterhin versucht das System zu entblocken und Bernard sich in die digitale Welt begeben hat, in der er auf Ford trifft. Ford hat vor seinem Tod durch Dolores also wirklich sein Bewusstsein im Cradle hochgeladen, um so den Park zu kontrollieren und dementsprechend über jegliche Hosts mit William kommunizieren zu können. Dieser versäumt es nicht, seinem „Schützling“ in dieser Simulation einen wahrhaftigen Einblick in Delos und den Sinn hinter dem Park zu geben. So finden wir uns auf einer Art Entdeckungstour durch Westworld wieder, auf der wir – und besonders Bernard – einige Dinge lernen: Die Loops im Park sind nicht für die Hosts, sondern für die unwissenden Gäste, die von Delos beobachtet werden. Alle wichtigen Daten der Gäste werden gespeichert, analysiert und kopiert.
„The park is an experiment, a testing chamber. The guests are the variables … and the hosts are the controls.“ (Bernard)
Bernard fühlt sich betrogen, jahrelang unter falschen Voraussetzungen für die illegalen Machenschaften von Delos gearbeitet zu haben und ihn beschleicht das Gefühl, dieser Situation niemals entkommen zu können. Doch Ford bringt Bernard an einen ganz besonderen Ort: Arnolds Haus, das wir in einer der vergangenen Episoden schon einmal in der „Realität“, aber noch in Bauphase gesehen haben. Hier wurde Bernard geschaffen – doch nicht nur von Ford, sondern auch von Dolores, denn diese kannte Arnold, das Vorbild, nach dem B gebaut wurde, besser als jede andere … Person (?). Und wie war das? Man lebt nur solange, wie sich noch jemand an dich erinnern kann. Sehr schön, dass Bernard tatsächlich aus den Erinnerungen anderer geschaffen wurde.
Coming for us
Maeve ist mit ihrer ehemaligen Tochter auf der Flucht vor Ghost Nation und versucht mit allen Mitteln, diese vor einer Gefangennahme zu schützen. Doch wie im letzten Review vermutet, trifft Maeve in Westworld nun zunächst auf den Man in Black, mit dem sie jetzt auch kein schönes Erlebnis verbindet, hat er sie in der Vergangenheit dich auch schon mal ermordet.
Kurzerhand beschließt sie, im großen Stil Rache an ihm zu nehmen, indem sie alle Hosts in der Nähe gegen ihn aufbringt. Bei Lawrence scheint sie ihre Kontrollfähigkeiten erst nicht durchsetzen zu können, doch als auch dieser sich erinnert, dass William in der Vergangenheit seine Familie diverse Male umbrachte, um seinem Ziel, das Maze zu finden, näherzukommen, schießt Lawrence mehrere Male auf ihn. Unterdessen trifft Lee Sizemore mit einem kleinen Delos Aufgebot am Ort des Geschehens ein. Maeve wird niedergeschossen, auf Bitten darf Lee ihren beschädigten Körper jedoch mit zurück zur Kontrollstation nehmen. Maeve kann nur noch beobachten, wie ihre Tochter wie in ihren düstersten Erinnerungen nun doch von Ghost Nation gepackt wird.
Follow my lead
Bernard kehrt aus der Simulation zurück und Elsie ist erstaunt, denn plötzlich ist das System nicht mehr blockiert. Doch Bernard scheint einen geheimen Begleiter zu haben: Ford steuert ihn für andere nicht sichtbar, außer für uns. Sehr schön umgesetzt ist diese Anwesenheit Fords durch allerlei interessante visuelle Spiegelungen. Wird Bernard nun überhaupt noch einmal freie Entscheidungen treffen können? Gerade folgt er jedenfalls nur den Befehlen Fords und bringt einen nach dem anderen in der Kontrollstation um. Die klassische Musik zu diesem beinahe schon wie ein Finale wirkender Kampf von Mensch und Maschine bringt das nötige Maß an Ironie mit, mit der dieser Auslöschung beigewohnt werden kann.
Extract the key
Dolores möchte Hale für die durch die Datenbeladung hervorgerufene Zerstörung ihres Vaters gerne büßen lassen, doch Abernathy spricht in einem letzten Anflug von Verabschiedungsbewusstsein noch einmal klar mit ihr, sodass Hale und Stubbs fliehen können. Dolores macht sich dann ans Werk, den „Schlüssel“, die Kontrolleinheit aus Abernathys Kopf, selbst zu entnehmen – mit dem Wissen, dass sie ihn dadurch endgültig umbringen wird. Ihre Mission kennt keine Grenzen.
Im Cradle, in dem die Backups aller Hosts gespeichert sind, kommt es durch Angela ausgelöste Granaten zu einer nicht sehr überraschenden Explosion, die bereits in vergangenen Dialogen angedeutet wurde. Alle Backups des Cradle scheinen nun zerstört, ebenso wie die vermutlich einzige Möglichkeit, alle Hosts wieder zurück zur „Normalität“ zu bringen.
„Now we’re really free.“
Zeitsprung zurück an den Anfang: Hale drängt Bernard nach wie vor dazu, ihr den Aufenthaltsort von Abernathys Kontrollstation zu verraten, indem er seine wahren Erinnerungen von den gescripteten unterscheiden soll. Und Tatsache, er verrät ihr, dass sich das wertvolle Stück in Sektor 16 befindet – und das ist natürlich… richtig, das Valley Beyond.
Die Erzählstränge in „Westworld“ finden auch in „Les Écorchés“ langsam aber sicher immer weiter zueinander, es gibt mehr und mehr Überschneidungen und Aufklärungen, aber leider auch wieder ganz schön viel Action und Geballer. Während wir über Bernard als Figur immer mehr lernen, wird sein Charakter dennoch undurchsichtiger. Ein toller Jeffrey Wright switcht dabei im Nu durch die unterschiedlichen Rollen, Fassaden und Gefühlszustände von Bernard, dass man als Zuschauer kaum mitkommt und seine Loyalität nicht einzuschätzen vermag. Wer jedoch auch weiter ins Blickfeld rückt, ist Stubbs. Der ist einfach irgendwie nett. Auch wenn man sich bei ihm noch nicht ganz sicher sein kann, auf welcher Seite er eigentlich steht, setze ich große Hoffnung in ihn, dass es die richtige Seite ist… die da wäre?
Ich freu mich, dass wir von Anthony Hopkins als Ford wieder etwas mehr sehen und mir gefällt es sehr, dass er in dieser Episode immer wieder göttliche Zitate und Vergleiche anbringt, nachdem er vor seinem Ableben selbst geplant hat, in der Delos Welt eine nahezu göttliche, allmächtige Rolle einzunehmen. Auch wenn diese nicht mit Sympathie einhergeht, ist es spannend, dass auch Dolores, vom Anfangspunkt ihres Kennenlernens an betrachtet, langsam und im Verlaufe ihres Bewusstwerdungsprozesses immer „unmenschlicher“ wird. Ja, ich habe kurzzeitig in dieser Episode sogar befürchtet, dass sie Maeve umbringen wird. Zahlt sie für ihre Freiheit einen zu großen Preis? Und kann Lee Maeve noch retten?
„Westworld“ trifft gerade jetzt, in Zeiten der neuen DSGVO und dem Datenskandal von Facebook, mit der Thematisierung des Speicherns und Analysierens von Daten, von deren Verarbeitung der „Nutzer“ jedoch nichts weiß, genau den wunden Punkt unserer Gesellschaft und ist daher aktueller denn je.
Jetzt bleibt nur noch zu klären, was es eigentlich mit dem Titel der Episode auf sich hat. Das französische „Les Écorchés“ bedeutet übersetzt „Häutungen“. Was ist eure Erklärung dafür? Sehen wir uns nächste Woche in Sektor 16 wieder?
Bilder: HBO
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