Zurück lassen wir diese Woche die schöne neue (reale) Welt – und wir tauchen ein in Warworld. Als die ersten Wörter der neuen Episode zu hören sind, habe ich die Befürchtung, dass ich die falsche Sprache eingestellt habe. Doch dann wird schnell klar: Wir sind jetzt in Warworld, wir befinden uns im Zweiten Weltkrieg, hier sind Deutsche zugegen und die sprechen halt Deutsch.
It‘s only me
Wir machen genau dort weiter, wo wir vergangene Woche (nach dem Abspann) zurück gelassen wurden. Maeve ist tatsächlich noch „am Leben“, sie erwacht in einem scheinbar neuen Themenpark, in dem viele neue Gefahren lauern. Doch für Maeve ist das alles keine Herausforderung – sie steht ja schon längst über den diversen Rollen, die ihr zugeteilt werden. Und ohne diese Angst, ist ihr Weg heraus aus dieser neuen Umgebung eigentlich klar. Und hey, dann wäre da auch noch ihr alter Wegbegleiter, Hector.
„Death is overrated for ones like us.“ (Hector)
Nach den ersten überschwänglichen Gefühlen, dass Hector überlebt hat, setzen die beiden ihre Mission, zu fliehen, gemeinsam fort. Doch nicht nur die Musik und das schicke Auto erinnern in den folgenden Szenen eher an einen Actionfilm wie „James Bond“, auch die Einstellungen, die die Verfolgungsjagd der beiden aus der Vogelperspektive zeigen, machen hier ganz deutlich: Wir befinden uns in einer konstruierten Erzählung. Und spätestens, als aus Hectors Mund der Name „Isabella“ fällt, weiß Maeve: Das hier ist nur eine weitere Geschichte, derer sie gerade eben Teil ist. Und ihr Liebster hier ist sicherlich nicht ihr Hector. Die einzige Möglichkeit wirklich zu fliehen? Pull the trigger.
„None of it matters because non of it is real.“ (Maeve)
Protect you
Im zweiten Erzählstrang, der recht parallel zu Maeves Erlebnissen stattzufinden scheint, setzt Bernard weit über das Südchinesische Meer zu den Themenparks über. Seine Mission: Maeve finden und befreien. Und als er in das abgesperrte Terrain gelangt, bewegen wir uns mit ihm zu den uns bereits bekannten Orten aus der ersten Staffel: Wir gehen mit ihm über den Friedhof, vorbei an der Kirche und gelangen zu Fords Haus und der einen Tür, die für Bernard noch nicht so lange sichtbar ist. So ein bisschen Nostalgie macht sich breit. Hier in Westworld hat doch wirklich häufig die Sonne geschienen und die Tristesse der realen Welt konnte zurückgelassen werden. Unschön wird es dann allerdings, als Bernard weiteren, lange aussortierten Versionen von sich selbst in Fords geheimer Kammer gegenüber steht. Und siehe da: Unter ihnen, ähh ihm, ist ein alter Freund: Ashley Stubbs. Wie es aussieht, hat er sich mit einer Pistole das Leben genommen – aber hey, die Anzeichen am Ende der zweiten Staffel waren ja eindeutig.
„You‘re one of them. Of us, I mean.“ (Bernard)
Luke Hemsworth spielt seine Rolle als halb-kaputter Host hier wirklich super. Und nach kurzer Reparatur durch Bernard lebt das Duo Lowe-Stubbs so richtig auf. Wir erfahren, dass es Stubbs Auftrag war, Bernard zu retten und ihm eine Flucht aus dem Park zu ermöglichen. Mit Bernards Rückkehr hat dieser ihm doch direkt wieder neuen Sinn des „Lebens“ geschenkt. Und Stubbs muss nicht überzeugt werden: Er will ihn weiter beschützen und auf seiner Mission, Maeve zu finden, um Dolores zu stoppen, die menschliche Rasse zu zerstören, unterstützen.
This Is Art
Maeve wacht wie geplant auf dem Operationstisch auf und wird wieder hergestellt. Als sie die Augen öffnet, blickt sie in bekannte Augen – die von Felix. Blöd nur, dass auch er sich leider nicht an sie zu erinnern scheint, genauso wenig wie Sylvester. Hosts halt – könnte man zu diesem Zeitpunkt denken. Auf eigene Faust und wie in „guten alten Zeiten“ durchstreift Maeve die Gänge hinter den Kulissen des Parks, muss sich die Haufen der ausgesonderten Hosts ansehen und fliegt ziemlich schnell auf. Doch in einer Welt voller konstruierter Erzählungen gibt es auch viele Überraschungen – so auch die, dass plötzlich Lee Sizemore vor Maeve steht und ihr den erneuten System-Shut-Down erspart. Auch wenn er in der vergangenen Staffel ziemlich genervt und dann einen heldenhaften Abgang hingelegt hat, ist es doch schön, dass er wieder da ist. Und wie sich herausstellt, allein wegen Maeve.
„I couldn‘t leave you here.“ (Lee)
Nach ein paar Diskussionen, warum er sie dann ausgerechnet in Warworld gesteckt hat, wird klar: Dieser Themenpark liegt nahe am Forge, was wiederum direkt an den Park grenzt, in dem sich ihre Tochter befindet.
It‘s not you
Runde frei für Loop zwei: Aufwachen, Hector treffen, im Auto fliehen (Maeve fährt) – und zwar diesmal mitten in den Park, wo sie den Weg (und nach einem romantischen Abschied auch Hector) verlässt und mit Lee zu den Katakomben reitet. Im Forge dann erfolgt auch hier die Offenbarung: Lee ist nicht real, vielmehr ein gelungenes Replikat, aber nun mal ein Replikat und nicht der alte. Und darüber hinaus wird Maeve schnell klar: Das Forge ist nicht wirklich das Forge, Warwold nicht wirklich Warworld, alles um sie herum ist ein reines Konstrukt.
„This place, Warworld, the labs, it‘s all a construct. None of it is real. We are not here. So where the fuck are we?“ (Maeve)
Heißt das, dass sowohl ein Teil der Parks als auch die Labore und das Kontrollzentrum nicht physisch existieren? Dass alles eine Projektion, eine Illusion ist? Dass wir es neben Hosts und Menschen nun auch mit reinen Projektionen von Personen zu tun haben? Okay, das ist das nächste Level an Denk- und Vorstellungsvermögen, das „Westworld“ uns abverlangt.
Every Game Has Its Rules
Maeve versucht einen Plan zu entwickeln, die Regeln der Simulation zu durchbrechen. Sie manipuliert den Erzählstrang und überfordert die Prozesse damit, dass sie mehr Komplexität entwickelt und herausfordert. Gleichzeitig befinden sich Bernard und Stubbs weiter auf der Suche nach Maeve, nur leider auf dem falschen Flur. Hier wird nämlich fleißig am „Game of Thrones“-Strang gebastelt. Soll die beiden aber nicht davon abhalten, weiter im System nach Maeve zu suchen – und Bernard überprüft bei der Gelegenheit auch all die Logs in seinem eigenen System. Schön gemacht, wie wir seinen Erinnerungen folgen und durch die schnellen Schnitte durch die Szenen rauschen.
Loop drei: Maeve bringt die Erzählung gewaltig durcheinander und legt die ganze Simulation lahm. Der dadurch entstandene Freeze aller Figuren und Handlungen – bis auf Maeve versteht sich – ist super gemacht und wir schreiten mit ihr durch die in der Luft hängenden Personen, vorbei am verspritzten Blut, das den Boden noch nicht erreicht hat und an den Kugeln, die ihr Ziel noch nicht getroffen haben. Richtig Matrix-like. Sehr schön inszeniert!
Und das erlaubt es Maeve, sich selbst, ihren Kern, ihren Ursprung, ihr eigenes System aufzuspüren, wodurch wir in die Perspektive eines Wartungs-Roboters schlüpfen, der sich mal eben damit aus dem Staub macht. Leider wird auch dieser auf der Flucht ausgeschaltet, doch das ermöglicht es Maeve damit auch endlich in die reale Welt überzutreten. Und da Bernards und Stubbs Suche nach Maeve nicht erfolgreich war, setzen sie ihre Suche mit einem neuen Ziel fort: Dolores finden – und zwar über Liam Dempsey Jr. Werden sich also alle bald in der realen Welt wieder begegnen?
Future Business
Man könnte meinen, am Ende begeben wir uns in den vierten von Maeves Loops, aber diesmal ist alles anders. Sie wacht auf, die Location ist anders, ihr Outfit, ihre Frisur ebenso. Die Vögel zwitschern im Hintergrund. Und sie trifft tatsächlich auf… Serac.
„Welcome to my world, Maeve. To the real world.“ (Serac)
Und auch der möchte ihre Hilfe, um die Welt und die Menschheit vor dem Chaos und der Zerstörung – nämlich Dolores – zu retten.
Diese Woche befinden wir uns wieder in ganz anderen Gefilden als vergangene Woche. Eine Rückkehr in die Themenparks war toll und der Übertritt der relevanten verbleibenden Hosts in die reale Welt ist erledigt, sodass wir uns mit Sicherheit in der kommenden Episode wieder dorthin begeben werden.
Mir hat in „The Winter Line“ richtig gut gefallen, wie hier mit der Musik und dem Licht gespielt wurde. Mit Maeves Loops hat sich auch die musikalische Untermalung geändert: Zuerst waren wir in einem Actionfilm, dann sind wir zur Romanze gewechselt, dann waren wir in einem Spionage-Thriller. Das war schön gemacht – und auch, dass Lee zurück ist, finde ich super, denn er hat doch immer eine ordentliche Portion Witz in die Folgen gebracht. Und dass diese Figur nun auch noch mit der Simulation seiner selbst kämpft, ist wirklich unterhaltsam.
Was ich zudem richtig stark fand, war der Wechsel des Formats: Sobald Maeve feststellt, dass sie sich in einer dauerhaften Simulation befindet, wechselt das Bildformat zu Cinemascope, ja, die Balken fahren förmlich ins Bild und verdeutlichen uns die Konstruiertheit dieser Umgebung nun auch noch auf technischer Ebene. Cooler Move! Und sowieso: Die Freeze-Szene war toll, die Roboter-Perpektive, die uns in eine Art Videospiel-Modus versetzt hat, war eine super Abwechslung. Und dann auch noch diese „Game of Thrones“ Anspielung…
Mal im Ernst: Die Theorien rund um „Game of Thrones“, dass Westeros nur eine Welt ist, die in den zahlreichen Themenparks von „Westworld“ zu finden ist, wurden schon lange gesponnen. Aber dass die Macher sich nun wirklich entschieden haben, diese Theorien aufzugreifen und sich einen kleinen Scherz zu erlauben und David Benioff und D.B. Weiss (und Drogon) Gastauftritte zu verschaffen, fand ich persönlich schon wirklich witzig. Und ja, ich bin mir sicher, dass es sich hier um einen Scherz handeln und das nicht ernsthaft die Bestätigung dieser Theorien sein sollte. Der Titel der Episode wurde gerade aufgrund dieser Anspielung, dieses Crossovers dieser beiden Serien, sehr klug gewählt, denn „The Winter Line“ hat natürlich auch hier mehr als eine große Wirkung, wenn wir an „Game of Thrones“ denken.
Und über all diese tollen technischen Schmankerl, über die netten Anspielungen, schönen Dialoge und starken Bilder hinaus, war der große Star dieser Episode vor allem Maeve bzw. Thandie Newton, die ihre Rolle wieder einmal unheimlich gut verkörpert hat. Die Emotionen, die sie in ihren Blicken übertragen kann, sind so einnehmend – insbesondere die Endszene, in der ihr Körper eingefroren wird, aber ihr Geist weiter funktioniert und gegen ihren Körper kämpft: stark!
„Westworld“ war diese Woche mehr als das. Es war „Matrix“, „Inception“, „Game of Thrones“ zugleich. Und es macht nach wie vor viel Spaß.
Bilder: HBO
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