Vergangene Woche hatte ich euch zum Release der neuen Serien „Woke“ meinen Ersteindruck zur Auftaktfolge näher gebracht, jetzt habe ich die gerademal acht in der Regel etwa 24 Minuten langen Folgen durch und möchte in Kürze und möglichst ohne Detail-Spoiler meinen Gesamteindruck zur Staffel schildern. Soviel vorab: Grundsätzlich wurde vieles aus der Pilotfolge im weiteren Verlauf bestätigt und gefestigt.
Worum geht’s in „Woke“?
Nochmal für alle, die den Trailer oder mein erstes Review nicht gesehen haben: „Woke“ basiert auf der Geschichte rund um Cartoonist Keith Knight, der in der Serienadaption „Keef Knight“ heißt und von „New Girl“-Star Lamorne Morris verkörpert wird. Durch die Verwicklung in einen Polizeivorfall werden Knight die Augen geöffnet, was Diskriminierung von Minderheiten in der Gesellschaft anbelangt, was dazu führt, dass sein Gewissen „aufwacht“ und manifestiert als Cartoon-Augen auf Gegenständen anfängt, ihn zu leiten. Vom familienfreundlich-leichten Cartoon-Format „Toast-n-Butter“ hin zu gesellschaftlich Relevantem. Denn das malt der echte Keith Knight seit 2008 täglich in der Reihe „The Knight Life“.
Das kann die 1. Staffel
In gewisser Weise haben wir es mit der Serienfassung um eine Origin Story zu tun. Der initiierende Vorfall findet in Episode 1 statt, danach kämpft Keef mit sich, der neuen „Superkraft“ und seinem Weg in die Zukunft. Von der „The Knight Life“-artigen Cartoon-Kritik erhalten wir zunächst nur wenige Ausschnitte, das hat man sich smart für eine mögliche zweite Staffel aufgehoben.
Was mir im Vergleich zur ersten Folge noch aufgefallen ist, ist der Einsatz von Cartoon-Schriften und -Grafiken. So werden nicht nur Textnachrichten als eine Art Sprechblasen dargestellt, sondern auch immer mal wieder kleine Effekt-Linien gezeigt, die über die echten Bewegungen gelegt sind. Das hätte meiner Meinung nach gerne noch etwas konsequenter umgesetzt werden können, denn in manchen Folgen gibt es viele dieser Momente, in anderen wiederum gar keine. Das hätte vor allem etwas mehr Auflockerung geboten.
Allgemein ist Konsequenz so eine Sache bei „Woke“. Einige Figuren bzw. Beziehungen zwischen welchen sind meiner Meinung nach nicht wirklich organisch. Vor allem die zwischen Keefs Mitbewohner Clovis und Ayana springt gewaltig umher. Letztere Person hat mich allgemein sehr geärgert, hatte die Figur doch so viel Potenzial, aber irgendwie sprang ihre Zuneigung gegenüber Keef von Folge zu Folge umher und die eigentlich in Folge 1 bereits als prädestiniert dargestellte Möglichkeit einer Zusammenarbeit wirkt künstlich auf Distanz gehalten.
Was mich sehr gefreut hat, war, Rose McIver im Ensemble zu sehen. Ehrlich gesagt habe ich sie auch erst gar nicht erkannt, aber irgendwas an ihrer Stimme kam mir so bekannt vor. Aber kein Wunder, zum einen hat die neuseeländische Schauspielerin in dieser Rolle deutlich mehr Akzent, vor allem aber ist sie nicht leichenblass und hat weiße Haare, wie in ihrer Rolle als Liv Moore in „iZombie“.
Weniger schön fand ich vereinzelte Durchhänger. So empfand ich die „Bus-Folge“ gegen Ende der Staffel als verhältnismäßig lahm. Das fühlte sich wie eine künstliche Bottle-Episode an. Ja, es gab erfreulich gelagerte gesellschaftliche Beobachtungen zu spüren, als „nur“ der Rassismus, der als Hauptproblem über der Staffel liegt, aber das hätte man deutlich wenige repetetiv und smarter ausspielen können.
Am Ende wurde dagegen ein meiner Meinung nach ganz guter Rahmen zur ersten Folge geschaffen, der nicht nur Inhaltliches aufgreift, sondern gekonnt die Problematik von Polizeigewalt gegen Minderheiten auf die Spitze treibt und so einen wahren Startschuss für das Kommende liefert.
„And so it begins.“ (Marker)
Ich bleibe mal bei der ursprünglichen Wertung, auch wenn mir die Bewertung von „Woke“ verdammt schwer fällt und ich kurz davor war, auf drei Kronen zu gehen. Das Anprangern von Polizeigewalt und Rassismus ist natürlich erstmal eine verdammt starke Basis. Auch werden viele subtile Alltagsrassismus-Momente thematisiert, die vielen – vor allem nicht Minderheiten angehörigen Leuten – neu sein könnten. Ob das jetzt wirklich „Augen-öffnend“ ist, mag ich jetzt mal zu bezweifeln, aber der Ansatz passt. Auch wird das cineastisch durchaus ansprechend in Szene gesetzt. Auch hier fehlt mir die Konsistenz, ist die Qualität der Aufnahmen doch recht schwankend.
Was man bei „Woke“ dann doch meist vergebens sucht, ist der Humor. Da hatte ich mir mehr erwartet nach dem Trailer. Statt Dramedy hat man hier eher ein Drama mit vereinzelter Situationskomik. Ja, die eigentlich ziemliche Ärsche seienden aber doch charmant-harmlos agierenden Mitbewohner sorgen für Entlastung und vor allem Lamorne Morris spielt einen wunderbar ironischen und charmanten Charakter, aber es bleibt größtenteils beim netten Geplänkel, das maximal Schmunzel-Basis erreicht. Schlagfertig und smart, ja, wirklich witzig-witzig, nicht wirklich. Das ist schade, weil unter Berücksichtigung von Humor und den teils kreativen visuellen Darstellungen, hätte man deutlich mehr aus dem Format rausholen können, um auch den Spagat zwischen thematischer Schwerer und Unterhaltung beim Zuschauen wahren zu können. Oder eben noch kantiger und klarer sein.
So bleibt „Woke“ eine nette Serie für Zwischendurch. Mit gerademal rund 200 Minuten Laufzeit kann man die auch ganz gut an einem Abend weg-bingen. Abwechslung wird über die acht Folgen hinaus definitiv geboten, und auch wenn etwas mehr Fokus in der Erzählung gut getan hätte, bleibt eine gelungene Momentaufnahme der Gesellschaft vom Anfang des 21. Jahrhunderts und all der Tragik, die viele von uns persönlich er- und vor allem durchleben müssen.
2. Staffel von „Woke“?
Noch wurde eine zweite Staffel nicht offiziell bestätigt, aber inhaltlich ist die Ausgangslage sehr klar darauf ausgelegt. Dafür wurde die Geschichte von Keith/Keef schlicht noch nicht erzählt und gerade die Aussage des Stiftes am Ende lässt eher Aufbruchstimmung entstehen und diese Staffel als eine Art Einleitung verstehen. Jetzt hängt es von Hulu und den Abrufzahlen ab, ich bin da aber mal vorsichtig optimistisch, dass es nächstes Jahr weitergehen dürfte.
Bilder: Hulu
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