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Die Rückkehr der Mutanten

Review: X-Men ‘97 – Staffel 1

16. Mai 2024, 17:24 Uhr

In der Fortsetzung der klassischen „X-Men“-Zeichentrickserie aus den 1990er Jahren formieren sich die Mutanten nach dem vermeintlichen Tod von Professor Xavier unter der Führung von Magneto neu. Nun müssen die X-Men versuchen, sich in einer Welt zu behaupten, die sie fürchtet.

X-Men-97-Titelbild

Als Marvel Comics 1991 mit X-Men #1 einen Neustart der beliebten Mutanten wagte, erzielte der Verlag Rekordverkäufe. Kein Wunder, dass im Jahr darauf eine Zeichentrickserie ins Fernsehen kam, die es auf fünf Staffeln mit 76 Episoden brachte. In der letzten Episode der damaligen Serie bleiben Cyclops und sein Team im Glauben zurück, dass ihr Anführer Charles Xavier das Zeitliche gesegnet hat. Nun knüpft eine neue Cartoonserie von Marvel Animation an diese Ereignisse an. Bereits im Vorfeld setzte Marvel bei seinen Werbemaßnahmen ganz auf Nostalgie. Spots in alter VHS-Optik und Ankündigungen im Stil von Programmzeitschriften holten die Kinder der 90er Jahre sofort ab. Die neue Zeichentrickserie kommt zwar im Breitbildformat mit satteren Farben, flüssigeren Bewegungsabläufen und mehr Details als die Originalserie daher, hält sich aber stilistisch weitestgehend an die Vorlage. Das fängt schon beim Intro an, das dem aus alten Tagen nachempfunden ist. Schon damit dürfte jeder Fan zufrieden vor dem Fernseher sitzen, aber die Serie schafft es auch, die Erzählformel von damals auf moderne Art und Weise wiederzugeben. Anfang der 90er Jahre setzte „X-Men“ auf die Umsetzung spannender Comic-Geschichten, zahlreiche Charaktere und eine gesunde Mischung aus Action und Drama. Auch in der Fortsetzung verknüpfen die Macher:innen Seifenopern-Elemente mit actiongeladener Spannung, um die Geschichte weiterzuspinnen.

X-Men-97

Nur zwei Monate nach dem Tod von Professor Xavier werden die Mutanten von der Anti-Mutanten-Gruppe Friends of Humanity gejagt. Währenddessen erwarten Jean Grey (im Original von Jennifer Hale gespielt) und Cyclops (Ray Chase) ein Baby. Der totgeglaubte Professor wird durch seinen ehemaligen Widersacher Magneto (Matthew Waterson) ersetzt, der das Team nun unter widrigen Umständen anführen muss. Von Anfang an setzt sich die Serie mit heiklen Themen wie Ausgrenzung, Trauer und Elternschaft auseinander, um gleichzeitig einige extrem coole Actionsequenzen einzustreuen. Das Tempo ist hoch, die Ereignisse und Enthüllungen scheinen sich zu überschlagen. Trotzdem bleibt immer genug Zeit, um die Gefühlswelt der einzelnen Charaktere zu beleuchten. Das zeigt sich auch in den kleinen Nebenhandlungen, die sich in das große Ganze einfügen. Jeder Charakter bekommt die Aufmerksamkeit, die er verdient. Nur so können auch drastische Einschnitte beim Publikum wirken. Hauptfiguren sterben und bekannte Gesichter zeigen überraschende Handlungen. Gleich zu Beginn schockiert die Serie mit einigen Enthüllungen: Cyclops Frau Jean entpuppt sich als Klon. Der Bösewicht Mr. Sinister (Chris Britton) hat mit Madelyne Pryor eine genetisch identische Kopie von ihr erschaffen. Und dann stellt sich der Oberschurke Magneto als neuer Anführer der X-Men vor. Er ist es auch, der in den zehn Episoden eine der interessantesten Wandlungen durchmacht. Doch bei aller Tragik bleibt immer noch Zeit für ein paar lustige Einschübe, wie zum Beispiel in Episode 4, in der Jubilee (Holly Chou) und Roberto (Gui Agustini) in der Videospielwelt von Mojo landen. Roberto kämpft zu diesem Zeitpunkt noch mit seiner Mutantenidentität. Anderswo muss Storm (Alison Sealy-Smith) ohne ihre Kräfte auskommen. Der Technikexperte Forge (Gil Birmingham) versucht ihr zu helfen, ihre Superkräfte wiederzuerlangen. Viele Storylines stammen direkt aus den Comics, sind hier aber aus dramaturgischen Gründen gekürzt. Der Wechsel zwischen Action, Drama, Humor und Tragik zeichnet aber die Serie aus. Gerade Episode 5 („Erinnere dich“) zeigt dies besonders gut. Zu Beginn wird noch ein wohliges Gefühl von Sicherheit vermittelt, nur um dann das Publikum mit einem schockierenden Ende zurückzulassen.

„For many of the X-Men, Xavier’s School is the only home they’ve ever known. People who have fallen through the cracks. Forgotten. Desperate to belong.“ – TV-Moderatorin Trish Tilby

Die Vereinten Nationen erkennen Genosha endlich als Mutantennation an. Die Insel ist ein modernes, buntes Land. Doch die Idylle wird bald von den Mutanten tötenden Sentinels gestört. Die Zerstörung, die die Sentinels anrichten, entspricht auch den Erschütterungen, die die Zuschauer:innen ertragen müssen. Da ist zum einen Magneto, der sich schützend vor die Morlocks stellt, den jungen Mutanten Leech anschaut und ihm auf Deutsch sagt: „Hab keine Angst“. Diese Worte haben noch mehr Gewicht, wenn man bedenkt, dass es sich bei Magneto um den Holocaust-Überlebenden Erik Lehnsherr handelt. Als wäre das nicht schon tragisch genug, opfert sich Gambit (A.J. LoCascio) im letzten Kampf und stirbt schließlich in Rogues Armen. Ihre letzten Worte „I cant’t feel you“ treffen ins Mark, denn ihre Superkraft besteht bekanntlich darin, anderen die Kraft und Energie zu rauben. Rogue verliert in nur einem Augenblick ihren Freund und Geliebten. Auf diese berührenden Momente folgt Professor Xaviers Rückkehr. Er lebt inzwischen an der Seite seiner Geliebten Lilandra auf dem Planeten Chandilar.

X-Men-97-Xavier-Lilandra

In der Gesellschaft werden die Mutanten immer noch als Bedrohung angesehen. Das zeigt sich auch im Verhalten von Captain America, der einen kurzen, überraschenden Gastauftritt hat. Als Rogue in einer Militärbasis nach Henry Gyrich und Bollivar Trask, den Schöpfern der Sentinels, sucht, versucht Cap, sie aufzuhalten. Er betont, dass er zwar auf der Seite der X-Men stehe, es aber ein falsches Signal an die Öffentlichkeit senden würde, wenn er sich mit ihnen zeigen würde. Als Trask schließlich gefunden wird, stellt sich heraus, dass Mr. Sinister der eigentliche Drahtzieher zu sein scheint. Das hält Rogue aber nicht davon ab, Trask von einem Hochhaus fallen zu lassen. Damit haben ihre Teamkolleg:innen ebenso wenig gerechnet wie die Zuschauer:innen. Trask überlebt zwar, aber die schnelle Aneinanderreihung schicksalhafter Ereignisse lässt einen den Atem anhalten. Auch Magneto hat überlebt, wird aber von einem anderen Bösewicht namens Bastion (Theo James) gefangen gehalten. Alles gipfelt dann im dreiteiligen Staffelfinale („Toleranz bedeutet Auslöschung“). Cyclops Sohn Cable reist aus der Zukunft in die Gegenwart, um die X-Men davor zu warnen, dass die Prime Sentinels mit einem Virus infizierte Menschen sind. Doch die Warnung kommt fast zu spät. Zahlreiche Bekannte der X-Men entpuppen sich als Prime Sentinels und nur ein zurückgekehrter Magneto kann sie aufhalten. Dabei bewahrheitet sich sein Credo, dass Gewalt nur mit Gegengewalt gestoppt werden kann. Die X-Men waren schon immer eine Metapher für Rassismus und Hass, aber hier sind die Parallelen zu unserer heutigen Gesellschaft besonders deutlich.

„Most of us experience tragedies like Genosha as a bit of Deja vu before getting on with our day.“ – Dr. Cooper

Magnetos Ziel ist es, die Welt in ein neues Genosha zu verwandeln. Ihm zur Seite stehen Rogue und Sunspot. Als ein etwas unbeholfener Professor X versucht, mit Magneto zu sprechen, wird er eines Besseren belehrt. Zu allem Überfluss reißt er auch noch das Adamantium aus Wolverines Körper. In der letzten Folge erfahren wir, dass Wolverine überlebt hat und auf dem Weg der Besserung ist. Dass es den verbliebenen X-Men um Rogue gelingt, Bastion aufzuhalten, ist etwas vorhersehbar. Dafür punktet das Staffelfinale mit einem berührenden Austausch zwischen Magnus und Charles. So schafft es die erste Staffel am Ende einige Handlungsfäden sinnvoll zusammenzuführen, deutet aber auch schon die nächsten Bedrohungen an. Während es die einen in die Vergangenheit verschlägt, landen Cyclops und Jean Grey in der Zukunft.

Ich habe mich schon im Vorfeld sehr auf die Revival-Serie gefreut. Als Disney+ im März 2020 startete, hatte ich mir als erstes die alte Serie angeschaut. Dass mich die Fortsetzung dann aber so begeistern würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Vieles mag hier und da etwas überladen wirken und Wolverine hätte gerne mehr Screentime bekommen können, auch Xaviers Handeln wirkt nicht immer nachvollziehbar, aber ansonsten ist es der wahrgewordene Traum eines jeden Comic- und Zeichentrickfans. Und über die Kurzauftritte von Spider-Man in Folge 8, sowie Iron Man, Daredevil und Doctor Strange in Episode 10 habe ich mich natürlich auch sehr gefreut. Wer weiß, vielleicht beschert uns Marvel Animation in Zukunft weitere Serien aus der guten alten Fernsehzeit.

Fazit

Zurück in die 90er! Hervorragende Fortsetzung der klassischen X-Men-Zeichentrickserie, die mit drastischen Wendungen ebenso überzeugt wie mit knallharter Action.

Bilder: Disney

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Beitrag von:
Donnerstag, 16. Mai 2024, 17:24 Uhr
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2 Kommentare

  • Jonas
    Jonas

    Die Serie aus den 90ern ist nach wie vor ein kleines Serientrauma. Ich wollte sie sehen, aber RTL hat damals die Folgen nicht in der richtigen Reihenfolge gesendet (oder ich war mal verhindert?). In jedem Fall konnte ich nicht der ganzen Story folgen.
    Glaube mit dem tollen Combeback sollte ich dieses Trauma endlich angehen :-)

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