Die Ankündigung zur Amazon Serie You Are Wanted verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Eine deutsche Qualitätsserie von Amazon produziert und mit Top Besetzung: Matthias Schweighöfer, Alexandra Maria Lara, Tom Beck und Katrin Bauerfeind. Obwohl die Serie erst seit 17. März 2017 verfügbar ist, wurde schon eine zweite Staffel angekündigt. Das folgende Review analysiert die erste Staffel der Serie spoilerarm, so dass ihr entscheiden könnt, ob ihr einsteigt oder nicht.
Die heile Berliner Welt
Zu Beginn der Serie finden wir uns in der Welt der oberen Zehntausend wieder. Lukas, gespielt von Matthias Schweighöfer, hat einen Top Beruf in einem Hotel. Er kippt sich literweise Red Bull hinein, arbeitet bis spät in die Nacht, ist aber trotzdem nicht erschöpft und schafft es, zu Hause seiner liebreizenden Frau, Alexandra Maria Lara, und dem kleinen Sohn noch genügend Aufmerksamkeit zu schenken. Seine Frau hat übrigens auch einen ganz tollen Job, sie ist Designerin oder Mediengestalterin und bekommt untypischerweise richtig viel Geld dafür. Ein perfektes Leben in einem schicken, vollvernetzten Haus im Vorort und dazu ein neuer Mercedes.
Aus US Serien kennt man den Hang, dass die Protagonisten etwas besser gestellt sind. In einer deutschen Serie wirkt es etwas komisch, aber Schwamm drüber – es dient schließlich der Fallhöhe; Lukas hat etwas zu verlieren. Es kommt, wie es kommen muss. Ein Stromausfall bringt ihn dazu, von einem Fremden, der sich durch das fehlende Licht im Hotel angeblich verletzt hat, eine Mail mit Virus zu öffnen. Von da an ist er in der Hand anderer und versucht, sich der Erpressung zu stellen und sich und seine Familie zu schützen.
Starke Schauspieler gleich starke Charaktere
Die oben genannten Schauspieler sind nicht nur auf dem Papier imposant, sie schaffen es auch, den Charakteren Tiefgang zu verleihen. Man kann zu Schweighöfer stehen, wie man mag, aber die Sache als Lukas macht er gut. Immer weiter kommt er ins Schlingern, immer mehr verliert er und immer härter muss er kämpfen, um zu bestehen. Auch Alexandra Maria Lara bringt die leidende Ehefrau gut rüber, zunächst ist sie die liebe, vielleicht etwas naive Traumfrau, die sich dann in einer vollkommen neuen und ungewohnten Situation wiederfindet.
Am besten gefallen mir aber die Nebencharaktere, vor allen Dingen die Kommissarin Sandra Jensen, die hinter Lukas her ist und gegen ihn wegen terroristischer Aktivitäten ermittelt. Catrin Striebeck verkörpert die Staatsdienerin perfekt, trotz Klischees wie Raucherin, keine Familie, unfreundlich und unnahbar. Es ist eine wahre Freude, in ihr versteinertes und durchringendes Gesicht zu schauen. Ich finde, sie hätte in dieser Rolle eine eigene Serie verdient, aber das nur am Rande. Ebenfalls imposant ist Tom Beck in seiner Rolle als zwielichtiger Chef von Lukas Frau Hanna. Ohne zu viel zu verraten, er hat viele Charakterzüge, die er alle glaubwürdig inszeniert.
Das Snowden-Vermächtnis
Die Botschaft der Serie ist klar: Passt mit euren Daten auf, denn es kann jedem passieren. Das wird an einer Stelle sogar ganz deutlich und wenig subtil ausgesprochen, es fällt der Name Snowden und, dass jeder in Gefahr ist. Die Hackerwelt wird zwar nicht so detailliert präsentiert wie in Mr Robot, aber die gezeigten Command Lines und Tools sehen glaubwürdig aus. In Folge der Hacks werden dann Webcams, Emails und Telefone angezapft, all das, was wir täglich benutzen und so lieben. Problematisch ist daran, dass diese gesellschaftliche Relevanz aufgeworfen wird, aber keine Idee, wie man dieser Abhängigkeit und Gefahr entgegentreten soll. Mehr als ein „Du solltest nicht immer das gleiche Passwort verwenden“ kommt von der Serie nicht.
Schwache Dramaturgie
Das Konzept der Serie passt zum Zeitgeist und auch die Schauspieler schaffen es zu überzeugen, allerdings fügt es sich nicht zu einem stimmigen Gesamtkonzept zusammen. Lukas und Hanna sind einfach nicht die Normalos, man kann sich mit ihnen nicht identifizieren. Klar tut es einem Leid, dass ihnen das passiert und ihr Leben zerstört wird, aber durch die gefühlte Ferne zu der Familie Franke geht das Konzept der Bedrohung für Jedermann nicht wirklich auf. Dazu kommt, dass die Bedrohung auch nicht komplett stimmig ist; während wir bei 24 – um ein krasses Gegenbeispiel zu bringen – die Pistole am Kopf der Frau haben, ist es bei You Are Wanted mehr die subtile Bedrohung nach dem Motto „Es könnte etwas passieren“. Bei vielen Aktionen wundert man sich häufig, warum Lukas sich den Erpressern so hin gibt und sich nicht mehr zu Wehr setzt. Vielleicht hat man sich mit den 6 Folgen auch keinen Gefallen getan. Ein bißchen weniger Story oder eben mehr Episoden, dann wäre das Konzept vielleicht aufgegangen. Doch so werden viele Elemente nicht genügend aufgebaut und man bleibt als Zuschauer etwas ratlos zurück.
Relevanz top – Unterhaltung flop
You Are Wanted scheitert leider knapp an der Mission, einer gesellschaftlich relevante Story mit Spannungselementen zu verbinden. Für eine gesellschaftskritische Serie wie Mr. Robot hat Your Are Wanted zu wenig Tiefgang, für eine actiongeladene 24 Adaption zu wenig Spannung; man weiß einfach nicht wirklich, wo die Reise hingehen soll. Dagegen stehen die tollen Schauspieler, die in dem von der Serie gesteckten Rahmen überzeugen. Auch die Inszenierung ist top, You Are Wanted braucht sich nicht vor den großen Vorbildern zu verstecken – der „Qualitäts-Look“ ist vorhanden.
Man kann für die zweite Staffel nur hoffen, dass man sich entweder mehr Zeit gibt oder etwas sparsamer mit dem Inhalt umgeht, dann kann aus You Are Wanted noch etwas werden, denn das Potenzial ist vorhanden.
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