Ein schöner sonniger Tag in New Orleans. Wir Zuschauer beobachten junge glückliche Menschen beim Geschlechtsakt, sehen wie ein ebenso erfreuter Hund ins Bett zu den beiden springt. Sie verabschiedet sich, er zieht sich an, fährt später auch los. In einem babyblauen (sofern noch erkennbar, da Lack stark ausgebleicht) urigen Volvo Kombi. So weit, so gut. Wir bleiben bei altertümlichen Fahrzeugen, wenden uns aber nun motorisierten Zweirädern zu. Nicht weit entfernt erhält just in diesem Moment ein ebenfalls junger Typ ein sehr ausgefallenes und seltenes Geburtstagsgeschenk von Papa: eine richtig coole Honda CB450 „Café Racer“ von 1974!
Nicht lange nachgedacht: Jethelm auf, Jeansjacke an und unser junger Held braust los. Ihr ahnt schon, worauf es hinausläuft: der babyblaue Volvo und die coole Honda CB450 werden sich wohl irgendwann treffen. Das ist die Ausgangslage der neuen Thrillerserie „Your Honor“, die seit dem 18. Januar dieses Jahrs bei Sky zu streamen ist. Jeden Montag gibt es eine neue Folge, den Trailer sowie einige Infos zur Serie hatte Michael schon gepostet. Ich habe mir die zehnteilige Serie im O-Ton auf Showtime angeschaut, kenne daher bereits alle Folgen und möchte über meine Eindrücke berichten. Zuerst stelle euch kurz die Hauptdarsteller vor. Beginnen wir mit Adam Desiato.
Wer ist denn Adam? Ein absolut durchschnittlicher, recht schmalbrüstiger Teenager, eher still und in sich gekehrt wirkend. Wie irgendwie alle schüchternen Teenager in sämtlichen US-Serien ist auch Adam Asthmatiker, sein Spray daher entsprechend wichtig und deswegen immer griffbereit. Anders als der 0815 schüchterne Teenie darf Adam sowohl eine echt hübsche Freundin als auch einen Hund sein Eigen nennen. Zudem ist er auch der Sohn des titelgebenden Richters (Your Honor) Michael Desiato (Bryan Cranston), der auch Besitzer des schon erwähnten Volvo-Youngtimers ist und Halbwaise.
Seine Mutter, Robin Desiato ihrerseits, war wohl zur falschen Zeit am falschen Ort und wurde Opfer der berüchtigten „Desire“-Gang. Dieser Tag ist also kein normaler Tag für ihn, denn wie jedes Jahr will Adam als Gedenken ein kleines Präsent am Tatort hinterlassen. Durch das plötzliche Auftauchen einiger finster wirkenden Gang-Mitglieder verängstigt, ergreift Adam die Flucht und fährt kopflos mit seinem Volvo davon. Blöderweise fällt ihm genau dann sein Inhalator in den Fußraum, als ihm Rocco auf seiner Honda CB450 entgegenkommt. Voller Panik lässt Adam den Schwerverletzten liegen, der dann später noch am Unfallort an den Folgen des Zusammenstoßes stirbt.
Selbstverständlich versucht Adam, das alles zu vertuschen, doch sein Vater Michael kommt ihm schnell auf die Schliche. Natürlich will er das Ganze irgendwie aus der Welt schaffen, und zwar so ehrlich wie es geht. Doch als wäre das schon nicht schlimm genug, kommt noch eine Komponente hinzu, die keiner ahnen konnte: Rocco ist bzw. war der zweitgeborene Sohn des lokalen Gangsterbosses Jimmy Baxter und der Sonnenschein der Familie. Also muss der ehrenwerte Richter, der wohl über eine blütenweiße Weste verfügt und sich streng an die Paragraphen des Gesetzes hält, etwas tun, das man ihm nie zugetraut hätte. Aus Angst vor Vergeltung und um das Leben seines Sohnes entscheidet er sich für die größte Lüge und „Verschleierungsaktion“ seines Lebens, mit allen Konsequenzen: die Tat muss vertuscht werden.
„Erzähl niemandem davon, niemals. Ich krieg das hin. Ich kann dich beschützen, wenn niemand jemals etwas davon erfährt.
Verstehst du, Adam? Für den Rest unseres Lebens.“
Für das große Ziel, Adams Tat quasi ungeschehen zu machen und seinen Sohn ungeschoren davon kommen zu lassen, hintergeht und belügt Michael seine besten Freunde und setzt auch sein persönliches Liebesglück aufs Spiel. Doch erstens kommt es immer anders und zweitens als man denkt oder so ähnlich. Michael kann auch als Richter mit zig Jahren Berufserfahrung nicht einmal erahnen, welche Ereignisse diese Fahrerflucht noch nach sich zieht und welche Lawine er damit ins Rollen gebracht hat.
Besagter Jimmy Baxter (Michael Stuhlbarg) ist ein angeblich seriöser Geschäftsmann, zumindest für viele Unwissende, zu denen man auch seine Tochter Fia zählen muss. Er wirkt stets verbissen, zornig und spätestens nach dem Wissen um den Tod seines Sohnes auch hasserfüllt, mordlüstern, mit einer bedrohlichen Aura um sich. Diesem Mann geht man aus dem Weg, denn man traut ihm buchstäblich alles zu. Er stellt all seine Bemühungen darauf ab, den flüchtigen Unfallfahrer zu finden und nimmt den Tod seines Sohnes als Grund für einen Rachefeldzug, egal gegen wen. Der noch unbekannte Täter wird mit voller Härte und allen Konsequenzen gesucht. Jimmy droht vor laufenden Kameras:
„Wer auch immer du bist. Wo auch immer du bist.
Du solltest wissen, dass du gefunden wirst.“
Dabei hilft ihm unbewusst seine Ehefrau Gina. Diese passt hervorragend in diese Familie, denn auch sie scheint jegliche moralische Verantwortung abzulehnen, wenn es um ihre Kinder geht. Sie zieht ihre Fäden, teils in Eigenregie, teils nach Jimmys Vorgaben und tut das, was von der Frau eines Gangsterbosses erwartet wird. Sie ist es auch, die den Erstgeborenen Carlo auf den Plan ruft.
Dieser ist aus ganz anderem Holz geschnitzt als sein fröhlicher Bruder und als Heißsporn ganz der Sohn seines Vaters. Anfangs sitzt er noch eine längere Haftstrafe ab, da er einen jungen Farbigen so übel verprügelt hatte, dass dieser an den Spätfolgen der Attacke lebenslang zu leiden hat. Während man sich bei Rocco vorstellen konnte, dass dieser vielleicht studiert und dann später einen „ehrlichen Job“ annimmt, traut man das Carlo nicht zu. Er ist wohl mit Leib und Seele Gangster: seine Manieren, die Unbeherrschtheit, die Art zuerst zu handeln und danach darüber nachzudenken, sprechen dafür. Genau diese charakterlichen Eigenheiten haben ihn hinter Schloss und Riegel gebracht und sorgen auch dafür, dass Carlo das tut, was seiner Meinung nach getan werden muss. Er will wohl auf seine Weise Respekt innerhalb der Organisation seines Vaters erhalten und schreckt dabei auch vor Mord nicht zurück. Des Rückhalts seiner Eltern kann er sich dabei gewiss sein, anders als seine Schwester Fia.
Fia, kurz für Sofia, liebt es wohl ein wenig zu provozieren. Sie ist das schwarze Schaf in ihrer Familie, streitet mit ihren Eltern über Religion, erzählt, sie glaube nicht an Gott, stellt eigene Thesen auf und widerspricht gern. Vermutlich normales Verhalten eines weiblichen Teenagers dieses Alters, mag man meinen. Durch ihr gutes Verhältnis zu ihrem Bruder Rocco fällt sie entsprechend in ein tiefes Loch, als dieser den folgenschweren Unfall nicht überlebt. Spannend wird es, als Fia zufällig auf Adam trifft und sich mit diesem sehr gut zu verstehen scheint. Beide Familien nähern sich entsprechend an, womit genau das passiert, was Michael seinem Adam eben nicht zumuten wollte: Näheren Kontakt zur Familie Baxter und damit auch zu deren Oberhaupt, Jimmy Baxter.
Sicherlich wird diese Serie keinen Preis für Originalität gewinnen. Schon immer, seit es Film und Fiktion gibt, haben sich Autoren mit der Frage befasst, welche Grenzen die Liebe der Eltern hat, wenn deren Kinder bewusst oder unbewusst schreckliche Taten begehen, in irgendwelche kriminellen Machenschaften hineingezogen werden oder diese eigenständig planen. Jeder, der selbst Kinder hat, weiß sicherlich um dieses Problem, möchte oder könnte sich sicher gar nicht vorstellen, jemals in eine solche Lage gebracht zu werden. Was würde man selbst in dieser Situation tun? Würde man wie Michael „auf alle Konsequenzen sch…“ oder, ganz aufrechter Bürger, sofort den Sohn zur Selbstanzeige nötigen und auf den Schutz des Sohnes vor der Rache des Gangsterbosses vertrauen, den eben gerade unser Rechtssystem gewährt.
Bryan Cranston verkörpert den Richter Michael Desiato, der sich für seinen Sohn entschieden hat und auf diesem Weg viele Freunde vor den Kopf stoßen und auch den Pfad des gesetzestreuen und aufrechten Richters mehrfach verlassen wird. Diese Wandlung vom vorbildlichen Richter, der seinen Beruf lebt zum innerlich zerrissenen und verzweifelten „mit Leib und Seele-Vater“ bringt Bryan wie gewohnt hervorragend und glaubwürdig zum Ausdruck. Gleiches Lob verdient Hunter Doohan als dessen Sohn Adam, dem man glaubt die Schuldgefühle wirklich ansehen zu können. Der Fokus der kompletten Serie scheint auf der Beziehung der beiden und darauf, was eben Adams Fahrerflucht und Michaels „unter den Teppich-Kehraktion“ bewirken, zu liegen.
Dabei gerät die Familie Baxter, die den Verlust ihres Sohnes Rocco zu betrauern hat, etwas in den Hintergrund. Sicher erleben wir in vielen Szenen Rache-Akte, sehen den zornigen Jimmy durch die Gegend laufen und jedwedes Lebewesen bedrohen, welches auch nur entfernt etwas mit dem Tode seines Sohnes zu tun haben könnte. „Wahre Gefühle“ und entsprechende Ausbrüche derselben, abgesehen von scheinbar ohnmächtiger Wut ob des Verlustes von Rocco, bleiben aber fern.
Etwas arg konstruiert wirkt „Your Honor“ auch in einigen Szenen, natürlich auch verständlich, man will ja eine Geschichte erzählen, die den Zuschauer bei Laune hält. Beispielsweise tauchen relevante Personen eben gerade dann auf, wenn sie eben nicht auftauchen sollen oder – ganz andersherum – genau dann, wenn sie auch auftauchen sollen. Beweismittel werden von denjenigen gefunden, die das besser lassen sollten, verfeindete Gangsterbanden werden mit in das Geschehen einbezogen, was eben einen Racheakt vermuten lassen könnte. Ein Erpresser, der wohl Einzelheiten zu Adams Tat zu kennen scheint, tritt noch auf den Plan, Verfehlungen von Adams Mutter werden aufgedeckt, vieles davon müsste nicht sein, passt aber dennoch ins Konzept.
Die musikalische Untermalung der Serie fand ich persönlich passend düster, ab und an war auch etwas Klassik wie Mozart zu hören. Optisch wirkte die Serie eher finster, es gab vorwiegend kühl gehaltene Blau- und Grautöne zu bewundern die von einigen, wirkungsvollen CloseUp-Aufnahmen durchbrochen wurden. Sehr plastisch und realistisch dargestellt war zum Beispiel der tödliche Verkehrsunfall zwischen Adam und Rocco. Man könnte glauben, diesem tragischen Unfallgeschehen live als Zaungast beigewohnt zu haben. Alles in allem habe ich mich gut unterhalten und bleibe auch weiterhin, nicht erst seit „Breaking Bad“, Fan von Bryan Cranston!
Fun Facts:
Die ARD bastelt bereits an einer deutschen Umsetzung dieser Geschichte, die „Euer Ehren“ heißen soll und recht prominent besetzt wird, u.a. mit Sebastian Koch und Tobias Moretti. Der Schauplatz wird dabei nach Österreich, genauer Innsbruck, verlegt und die Gangsterfamilie hat hier serbischen Ursprung. Man darf gespannt sein, wie gut diese Umsetzung gelingt.
Bis dahin verabschiede ich mich mit einem passenden Zitat von Johann Wolfgang von Goethe:
„Wer sich den Gesetzen nicht fügen will, muss die Gegend verlassen, wo sie gelten.“
Bilder: Sky
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