Aktuell läuft die vierte und letzte Staffel von „Barry“, aber im Rahmen unserer Rewatch-Reviews werfe ich einen Blick zurück auf die Pilotfolge der Dramedy-Serie, die eine so erstaunliche wie erfreuliche Entwicklung genommen hat. Leider haben wir erst ab dem Staffel-3-Review genauer über die Serie gesprochen, zur Debüt-Season gab es lediglich einen Trailer hier im Blog.
Barry Berkman wird dabei direkt so trocken und ruchlos eingeführt, wie er seine Arbeit begeht. In den ersten zehn Sekunden bekommen wir direkt seinen ersten Kill zu sehen – oder zumindest das Bettlaken vollblutende Ergebnis dessen. Auch wird schnell klargemacht, dass Barry ein einsamer Ex-Soldat ist. Die einzige wirkliche Bezugsperson ist Fuches, der sein Geld regelt und neue Aufträge an Land zieht. Nun habe ich die Erfahrung mehrere Staffeln sowie den aktuellen Stand einiger Figuren als Vergleichsebene, weshalb viele ungewohnt anders daher kommen. Barry sieht zum Beispiel anders aus und ist steifer unterwegs, Fuches deutlich souveräner als erinnert. Der trockene Humor ist einzelnen Dialogen aber bereits zu erahnen.
„One less bad guy in the world. Nice work, as usual, Barry!“ – „Well, he was in bed, so it wasn‘t work exactly.“ (Fuches & Barry)
NoHo Hank wird auch direkt in der ersten Folge eingeführt, was mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Hier ist bereits zu erahnen, welche kontrastreichen Züge die Figur annimmt, erhalten wir mit der kleinen Prinzessinnen-Party direkt den ersten Gegensatz zum sonst so düster-ernsten Gangster-Business geboten.
Relativ schnell sind wir mit Barry dann auch direkt beim alles entscheidenden Schauspielkurs angelangt. Die Einführung der vor sich hin fluchenden Sally hatte was. Dabei wird gekonnt damit gespielt, dass sie eigentlich nur einen Text aufsagt, auch wenn das relativ vorhersehbar ist.
Eine erste eindringliche Kostprobe der Lehrart von Kursleiter Gene Cousineau erhalten wir auch, die aufzeigt, wie unterschiedlich die Perspektiven sein können. Für den einen die von Oben herab und persönlich angreifende Respektlosigkeit, für andere – in diesem Fall die Gruppe Schüler:innen – ein effektvolles Mittel, um das angestrebte Ziel einer glaubhaften Darbietung zu erreichen. Auch für Barry, der zufällig auf die Bühne gerät, zählt am Ende nur eines: der Applaus.
Wie auf die Bühne gerät Barry auch eher zufällig in eine Bar, wo die anderen Kursteilnehmenden feiern. Auch hier bekommen wir erste vielversprechende Momente an Absurdität geboten, die aber auch gleichzeitig die Charaktere zu zeichnen wissen. So ignoriert Sally sowohl die tatsächlich aus Los Angeles stammenden Natalie als auch die andere Schauspiel-Schülerin, die direkt weiß, dass es sich beim gesuchten Film um „The Unusual Suspects“ handelt.
„It’s true: I’m playing a dead body on that show. Next time I‘ll be playing someone alive!“ (Antonio)
Barry hat jedenfalls nicht nur Blut geleckt, was die Schauspielerei (bzw. den daraus folgenden Applaus) anbelangt, sondern auch Gefallen an Sally gefunden. Ihre Fokussierung auf Barry wirkt etwas drüber und unrealistisch, finde ich, vielleicht liegt das aber auch daran, dass man Sally gar nicht mehr so (vermeintlich) glücklich gewohnt ist.
Das zentrale Element der absurden Auflösung ernster Momente zeigt sich am Ende der Folge als Barry Gene konfrontiert. Nachdem dieser ihm knallhart sagt, wie schlecht seine „Schauspiel-Leitung“ war, erzählt Barry seine komplette Backstory. Diese ist wichtig für uns als Publikum, zeigt sie doch auf, wie emotional verkorkst er durch seine Vergangenheit ist und dass er im Glauben handelt, nur böse Leute umzubringen, die es verdient haben (wie könnten wir sonst auch zu einem Serienmörder halten?!). Aufgelöst wird die Szene, in der das eigene Schlucken vor dem bewusst leise gehaltenen Hintergrundsound förmlich zu hören ist, dann durch die Tatsache, dass Gene die Herzensgeschichte für einen vorgetragenen Monolog gehalten hat.
„What’s that from?“ (Gene)
Zum Abschluss bekommen wir Barrys Qualität als Killer genauso demonstriert, wie eine grandiose Abschlussszene, in der erstmals mit sich im Hintergrund abspielenden Geschehnissen gespielt wird, als Barry sich in Ruhe in ein Café setzt, um einen Whisky Tee zu trinken. Dass die Kellnerin angibt, Schauspielerin zu sein, was ob ihrer offenkundigen Anstellung als Kellnerin nicht so super laufen dürfte, zeigt wunderbar, wie hoffnungslos das Vorhaben eigentlich in einer Stadt wie Los Angeles ist, in der tausende Personen selbiges vorhaben.
Die letzte Aufnahme zeigt Barry im Blaulichte des Gesetztes mit einem Lächeln ob seiner angestrebten Zukunftvision. In gewisser Weise visualisiert das die Situation, in die Barry sich begibt. Stets mit der Polizei im Nacken will er versuchen, ein Stück weit ein normales Leben zu führen.
Aller Anfang ist schwer – das gilt für Barry „Block“ Berkman genauso wie für die Serie „Barry“ selbst. Damit möchte ich nicht sagen, dass die Folge schlecht gewesen sei – im Gegenteil. Aber vieles, was „Barry“ spätestens mit Staffel Drei auf ein derart hohes Niveau hebt, ist hier lediglich im Ansatz zu sehen. Noch fehlt mir die großartige Cinematografie, das Schauspiel wirkt noch etwas flach und auch der Humor wird bislang noch eher zaghaft ausprobiert.
Die Folge schafft es aber dennoch, viele der Aspekte aufzuzeigen, die die Serie ausmachen. Auch werden einige Figuren gekonnt eingeführt und vor allem der kantige und schwer emotional greifbare Charakter von Barry wird bereits gehörig erklärt, ohne dass es wie ein langweiliger Vortrag wirkt. Ich hätte auch auf vier Kronen gehen können, das fühlt sich dann aber doch so an, als hätte ich aufgrund späterer Verbundenheit zur Serie einen Nostalgie-Bonus vergeben. Also bleibt’s bei dreieinhalb.
Insgesamt war es mal wieder super interessant, diesen Blick zurück zu wagen. Auch wenn es vielleicht aktuell noch zu verwirrend ist, einen laufenden Jetzt-Status in der aktuellen Staffel zu sehen zu bekommen und somit zu sehr den optischen wie emotionalen Vergleich bei den Charakteren zu ziehen. Aber zu sehen, wie die ganze Reise angefangen hat, ist schön. Vielleicht schaue ich auch nochmal weiter – das Lieblingsmädchen kennt die Serie noch nicht und jetzt auch nur die eine Folge. Vielleicht will sie ja weiterschauen…
Bilder: HBO
Ich war auch von der ersten Folge nicht zu sehr angetan. Das wirkte mir alles zu sehr wie eine dieser typischen Premium Cable Comedies, in denen nie etwas witziges passiert, aber das abhandensein von Humor von Kritikern als „hintergründig“ oder „mutiger Kunstgriff“ gepriesen wird. (Siehe auch die grandiose SNL Parodie zu diesem Thema https://www.youtube.com/watch?v=AMpRJwP5y9Q )
Zum Glück war zu dem Zeitpunkt schon die nächste Folge draussen und da ich sowohl Bill Hader als auch Stephen Root sehr gerne sehe und die halbstündige Laufzeit nun wirklich nicht wehtat, bin ich drangeblieben. Und siehe da: Plötzlich wurde da ein echter Hammer drauß!
War ja nicht komplett schlecht und zur „damaligen“ Zeit war das Überangebot ja noch nicht so da wie heutzutage. Aber hat es nicht noch ein paar Folgen gedauert, bis es wirklich gut geworden ist? Meine, das war erst am Ende der ersten Staffel so (und die IMDb-Ratings gehen auch erstmal sogar etwas runter die nächsten Folgen nach dem Piloten)?
Ich müsste mir die Staffel nochmal komplett ansehen, aber ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass die erste Folge bei mir hauptsächlich ein Schulterzucken verursachte, während ich bei der zweiten vor lachen auf dem Boden lag und auch wirklich wissen wollte, was als nächstes passieren würde.
Muss ich wohl doch nochmal den Rewatch erweitern… ;)