Dass ich großer Fan der Serie „Mr. Robot“ bin, dürfte sich mittlerweile rumgesprochen haben. Sam Esmail hat spätestens mit dem grandiosen Finale einen Platz in den Seriengeschichtsbüchern zementieren können. Dass es da lediglich zu drei Emmy-Awards gekommen ist, ist verwunderlich. Für die finale Staffel gab es gar lediglich einen in der Kategorie „Outstanding Interactive Extension of a Linear Program“ – bei den 72. „Writers Guild of America Awards“ wurde in der Kategorie „Best Episodic Drama“ die grandiose Folge „407 Proxy Authentication Required“ (Review), die bei IMDb noch immer ein 9,9er Rating besitzt gegen die Folge „Tern Haven“ aus der Serie „Succession“ (S02E05, IMDb 9,3) verloren – vielleicht sollte ich da mal reinschauen…
2015 konnte ich mir nicht ausmalen, welche Größe „Mr. Robot“ erreichen würde. Immerhin habe ich in weiser Voraussicht zum Deutschland-Start auf Amazon Prime Video damals einen Serientipp hier im Blog veröffentlicht gehabt. Darin steht dann aber auch, dass ich spät dran war ob der vielen Lobeshymnen und einen schweren Start in die Serie hatte. Trügt mich mein jetzt nach etlichen tollen Stunden Fernsehunterhaltungen beeinflusstes Gedächtnis etwa? Die erste Folge hatte ich eigentlich gut in Erinnerung. Aber das ist halt auch schon sieben Jahre her… Fast auf den Tag genau. Am 24. Juni 2015 ging die erste Folge damals in den USA und auf dem Sender USA on air (in Deutschland im November), Regie hat Niels Arden Oplev geführt. In unserer neuen Rewatch-Reihe möchte ich mich nochmal an den Beginn der Geschichte begeben. Immerhin hatten wir damals ja auch nur ein Staffelreview hier. Und mit dem Wissen um die späteren Vorkommnisse, ist es um so interessanter, nach Hinweisen zu schauen.
„Hello, friend.“
Alles startet mit den Worten, die noch so viel Gewicht bekommen sollten:
„Hello, friend. That‘s lame. Maybe I should give you a name?“ (Elliot)
Wir als Freund eines Menschen, der keine Freunde hat. Das Publikum als imaginärer und namenloser Begleiter einer Geschichte, dem sich die Hauptfigur anvertraut. Das kennen wir selbst zum damaligen Zeitpunkt bereits aus „House of Cards“ oder „DEXTER“, gerade zu letzterer Serie türmen sich die Gleichnisse geradezu auf. Wie Dexter Morgan ist auch Elliot Alderson ein Soziopath mit dem einen oder anderen Geheimnis und um die im realen Leben eher nicht vorhandenen Humor-Talente auszugleichen, wird gekonnt mit dem Kontrast gespielt, der sich zwischen innerer Gedankenstimme und geäußerter Sprechstimme ergibt.
Die eine Sache, an die ich mich bezüglich dieser Folge noch genau erinnern konnte, war Elliots erster Coup. In einer Filiale der Kette „Ron‘s Coffee“ bringt er auf unterhaltsame wie smarte Digital-Vigilante-Manier den Café-Inhaber zur Strecke, der Kinder-Schmuddelkram verbreitet hat (um es mal gelinde auszudrücken). Und alles nur, weil das WLAN so unglaublich schnell war…
„I understand what it‘s like to be different. I‘m VERY different, too!“ (Elliot)
Zwischenzeitlich wird es etwas sehr weird, vor allem als Elliot damit beginnt, von seinem verstorbenen Vater zu sprechen. Das war mir zu offensichtliche Charakter-Einführung, die dem Publikum gelten sollte und wenig Sinn in einem solchen Gespräch macht. Dennoch schafft man es, sich daran entlang zu hangeln und insgesamt eine starke Einführung der Figur abzuliefern, bei der spätestens mit dem Ausgang klar wird, dass es ihr nicht um Geld sondern um das Prinzip und eine gewisse gesellschaftliche Gerechtigkeit geht.
Insgesamt wirkt Elliot deutlich soziophober als ich ihn in Erinnerung hatte, was erklärbar ist, immerhin bin ich gerade von der aktuellsten Wahrnehmung nach vier Staffeln zurück zur ersten gelangt. Ich hatte aber nicht mehr auf dem Schirm, wie intensiv und wiederholt das zum Auftakt dargestellt worden ist. Elliot kann ziemlich souverän einen Kriminellen persönlich stellen, auf eine Geburtstagsparty traut er sich aber nicht. Aber gut, das könnte auch daran gelegen haben, dass er Angelas Freund aus dem Weg gehen wollte – diesen Douchebag hatte ich tatsächlich komplett vergessen!
„I feel like things have been awkward between us, don‘t you?“ – „I‘m okay with it being akward between us…“ (Douchebag Ollie & Elliot)
Ein ganz seltsames Gefühl hat sich bei mir breitgemacht, als die erste Therapiestunde bei Christa ansteht. Allgemein ist es interessant zu sehen, wie viele Figuren, die noch ziemlich wichtige Momente und Phasen prägen sollen, bereits in der ersten Folge eingeführt worden sind. Auch seltsam: die echten Aufnahmen von Prominenten, die eingeschnitten werden während Elliot seine imaginäre Wutrede schwingt. Das wurde später auch deutlich sparsamer in dieser Form eingesetzt, oder irre ich mich? Ebenso wie die im Vergleich zum späteren Komplexitätsgrad lockerleicht daher kommenden Mini-Hacks, die Elliot durchführt, um andere Figuren „vorzustellen“. Der der Fakt, dass damals noch alle bei Facebook waren… Der „Just a tech“-Elliot ist nicht auf Facebook aber dafür auf Morphin. Zumindest, wenn die depressiven Einsamkeits-Weinanfälle wieder schlimmer werden.
Das war dann in gewisser Weise auch das Ende einer deutlich dynamischer und flotter wirkenden Einleitung in die Geschichte. Knapp eine halbe Stunde hat es gedauert, bis Tyrell Wellick sich erstmals mit einem „Bonsoir, Elliot!“ verabschiedet. Danach wird alles sehr schnell sehr viel technischer. Im Zuge des großen DDOS-Angriffes auf die Server von Evil Corp (dass dieser „E(vil)“-Gag derart durchgezogen wird, feiere ich noch immer!) wird zwar teilweise erklärt, was da vonstatten geht, aber die Fülle an Fachbegrifflichkeiten ist immens. Entsprechend kann ich nachvollziehen, dass einige Leute sagen, dass sie aufgrund solcher Szenen aufgehört haben, die Serie zu schauen (was sehr schade ist, da die Technik deutlich in den Hintergrund rückt, bzw. man eigentlich ja nur die Essenz dieser Vorgänge mitbekommen muss). Ich fand es spannend, zumal ja soweit ich weiß allgemein technisch alle Angaben in der Serie valide sein sollen.
Ab jetzt wird es auch mit Blick auf das spätere Wissen um die Entwicklungen spannend. Eine erste Doppelung hat stattgefunden – eine fsociety-Datei taucht auf und bittet Elliot darum, sie nicht zu löschen. Aus einem inneren Drang heraus folgt er dem digital mitgeteilten Wunsch. Nach 34 Minuten sitzt Elliot dann Christian Slater aka „Mr. Robot“ gegenüber. Dieser hatte ihn ein einer vorherigen Szene noch mit „exciting time, kiddo“ begrüßt, dieses Mal gibt es auf das „Wieso verfolgst du mich?“ ein süffisantes „er weiß es nicht“-Lächeln. Man merkt wunderbar, an welchen Stellen Sam Esmail Andeutungen fallen gelassen und wo er zu konkrete Hinweise auf die Entwicklungen vertuscht hat. Als Mr. Robot und Elliot die Tür zum fsociety-Versteck aufgemacht wird, wird ausschließlich auf Elliot und nicht einen Moment auf Mr. Robot geblickt. Auf „Hey, wo ist dein Boss?“ gibt es von Darlene nur ein „Cut the bullshit“, das gekonnt doppeldeutig auf andere Dinge bezogen wirkt. Mehrere Male ist in Bezug auf Elliots Psyche von Einbildungen die Rede, in einer Szene gibt er aber kurz an, „Schizo“ zu sein. Spannend.
Die Folge ist aber auch voll mit diesen kleinen, smarten Momenten, die nicht nur die Figuren zeichnen, sondern auch für Würze im Ablauf sorgen. Zum Beispiel als Elliot die Tür bewusst nochmals öffnet und lautstark zuknallt, damit damit Shayla aufwacht. Getragen wird die Folge aber natürlich auch durch das fantastische Spiel von Rami Malek. Trotz der eigentlichen emotionalen Limitation der Figur schafft Malek es, in ganz kleinen Mimik-Nuancen ganz große Einblicke in das Innere des Charakters zu geben. Wobei, manchmal ist es auch gar nicht so dezent. Zum Beispiel, nachdem Mr. Robot den ambitionierten Plan erläutert, mit dem 70% aller Schulden mit einem Anschlag ausradiert werden sollen. Plötzlich fühlt er sich beschwingt und erstmals so etwas wie glücklich.
„You don‘t take out a conglomerate by shooting it in the heart. It‘s the thing about conglomerates- they don‘t have hearts.“ (Mr. Robot)
Hart anzuschauen war der Moment, in dem Angela von Colby aus dem Meeting entfernt wird. Die Szene bedient aber direkt zwei Felder. Zum einen wird die Diskriminierung von Frauen, vor allem am Arbeitsplatz und noch spezieller im Tech-Bereich, thematisiert, zum anderen wird Elliot so das perfekte persönliche Motiv geliefert, um sein Vorhaben abzuwandeln. Statt fsociety und Mr. Robot zu verpfeifen wird die IP-Adresse Colbys weitergereicht.
Dass „Mr. Robot“ eine Serie ist, die nicht plump von A nach B springt, zeigt die folgende Entwicklung. Es passiert nämlich erstmal nichts. Die große Bombe platzt nicht, stattdessen gibt es einen gelungenen Einblick in Elliots Psyche. Von fsociety ist nichts mehr zu finden, hat er sich etwa alles nur eingebildet? Oder wurde er auf der Riesenradfahrt verschaukelt?
Es wird tatsächlich alles wieder so etwas wie normal. Selbst Elliot wird ein Stück normaler. Nach einem weiteren Mini-Hack, mit dem er Christa etwas Gutes getan und sich selbst um eine weitere gebrannte „Musik“-CD für seine Trophäensammlung bereichert hat (Dexter Morgans Bluttropfen-Schatulle lässt grüßen, ähem…), hat er mit Hund Flipper einen weiteren tierischen Freund aufgenommen. Und nach einer desaströsen „Aussprache“ umarmt er sogar eigeninitiativ Angela. Aber gut, da ist die persönliche Geschichte eh größer und die Nähe zulassbarer als bei anderen.
„What I wouldn‘t give to be normal, to live in that bubble…“ (Elliot)
Und dann kommt er doch noch, der große Moment. Colby wurde geschnappt, das Vorhaben ist geglückt. In diesem Moment wundert mich ein bisschen, wie leicht das funktioniert hat, immerhin kam die Information einfach nur von einem Techniker, der eine IP-Adresse zugesteckt hat. Dass ein extrem einflussreicher Mann das nicht abwinden oder zumindest Verdacht auf Elliot und AllSafe gelenkt bekommt, wirkt schon fast surreal.
Im Meme-gewordenen größten Moment des Triumphes soll sich jedoch die Paranoia bewahrheiten; Elliot wird von den „Men in Black“ entführt und zu den „1 Prozent der 1 Prozent“ gebracht. Der Rückbezug auf den Beginn der Folge lässt einen gelungenen Rahmen entstehen, der mit dem zweiten Bonsoir, Elliot“ aus Tyrells Mund abgerundet wird.
„Please tell me, you‘re seeing this, too?!“ (Elliot)
Mir fällt es schwer, eine Bewertung für diese Folge abzugeben, immerhin bin ich durch die Gesamtheit der Serie in meinem Empfinden beeinflusst. Dennoch war ich positiv überrascht, wie viel bereits in dieser Folge steckt – selbst ohne die kleineren Bezüge auf das, was folgen soll. Die waren eh recht überschaubar, wie ich finde. Vor allem aber hat die Folge bereits vieles parat gehabt, was die Serie an sich ausmacht. Starke Figuren, tolles Schauspiel, smartes Storytelling und gute Cinematography. Alles nicht auf späterem Spitzen-Niveau, schon klar, aber man kann bereits erahnen, was diese Produktion einem mitgeben kann. Zumindest im Ansatz.
Vor allem glückt die Zeichnung der Figur des Elliot Alderson. Vielleicht sogar etwas zu gut, persönlich waren mir das ein Handauflagen auf die zurückzuckende Schulter zu viel. Aber es wird klar, dass wir es mit einer psychisch angeschlagenen Person zu tun haben, die sehr viel auf dem Kasten hat und gewillt ist, die Welt zu verändern. Mit knapp über einer Stunde Laufzeit war die Folge länger, als ich sie in Erinnerung hatte, aber es kam mir bei weitem kürzer vor. Wenn ich die Folge erstmals gesehen hätte, so hätte ich direkt weiterschauen wollen. Mir ist aber auch bewusst, dass ein paar schwächere Folgen folgen werden (die wohl auch zu meinem damaligen Pausieren geführt hatten). Mir hat es aber großen Spaß bereitet, nochmal an die Anfänge dieser großartigen Serie zu springen. Vielleicht ist ja doch mal Zeit für einen Rewatch?! Immerhin ist mein Lieblingsmädchen noch irgendwo in Staffel Drei hängen geblieben, das kann man doch wunderbar zu zweit zuende schauen.
Bilder: USA Network, Amazon Prime Video
Ok, ich sitze zum dritten Mal auf der Couch und gebe dieser Serie nochmal ein Chance. Bisher hatte sie mich immer wieder nach Staffel 1 verloren. Frag nicht warum. Wo ist der Kipppunkt? Wann macht’s Klick? Scheinbar gehts ja mit Staffel drei dann erst so richtig los.
Klar das kennt man auch von anderen Serien. Halt & Catch Fire, da war die erste Staffel so anders, als der brilliante Rest. Oder The Leftovers mit den letzten beiden Folgen (Kracher!)
Wenn du die komplette erste Staffel gesehen hast und (sogar zweifach) abgebrochen hast danach, könnte es auch nicht deinem Geschmack entsprechend. Staffel Zwei ist meiner Meinung nach überkompliziert umgesetzt, da hat die Serie eher viele Leute verloren, die lieber hätten weiterschauen sollen. Aber ja, die Gesamtqualität erreicht bei Staffel 3 spätestens gen Mitte ein neues Level und 4 ist dann einfach nur gewaltige Genugtuung auf Strecke (mit kleinem Hänger auf hohem Niveau im ersten Drittel).
So „richtig los“ geht es aber eigentlich bereits in Staffel Eins, hängt alles stark zusammen, auch wenn S2 nochmal einige neue Figuren und Ebenen bringt.
Bei „The Leftovers“ ging es mir übrigens ähnlich. Prämisse spannend und viele gute Momente, auch einzelne sehr gute Folgen, aber insgesamt gefühlt 95% neugierig-machendes Hingehalte, um dann am Ende (immerhin) kurz abzuliefern. Dennoch mehr erhofft. „Mad Men“ wurde mir immer als „da muss man bis X schauen, dann wird es gut!“ verkauft – hätte ich mir (fast) schenken können… :/
Okay, ich schau aktuell nochmal die erste Staffel. Ich habe stark die Vermutung, dass ich in den ersten Anläufen nichts mit Elliott und seinen starken psychischen Problemen anfangen konnte. Da ich selbst in den letzen Jahren viele Berührungspunkte mit teilweise schweren psychischen Krankheiten hatte, kann ich das aktuell viel mehr wertschätzen. Vor allem die Intensität, seine Darstellung der Angstzustände. Das ist schon beeindruckend. Ich zieh jetzt mal durch :)
Und ja Mad Men schieb ich auch vor mir her. Da spricht mich aber schon die ganze Boomer Prämisse nicht an.
Dann gib unbedingt mal im Nachgang Bescheid, wie du es fandest!
Und „Mad Men“ einfach skippen. ;)
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