Fast 13 Jahre ist es her, seit die erste Folge von „Sherlock“ Premiere feierte. Allerhöchste Zeit für ein Rewatch-Review. Ich bin gespannt, ob der Serie das Alter anzumerken ist, denn ich erinnere mich, dass sie damals doch auch auf ihre Weise sehr modern wirkte. Und ich frage mich natürlich auch, ob sie mir nach wie vor so gut gefallen wird, wie ich sie in Erinnerung habe. Benedict Cumberbatch und Martin Freeman als ein sich wunderbar ergänzendes Duo. Der wohl bekannteste Meisterdetektiv Sherlock Holmes im modernen, wundervollen London.
Sherlock & Watson
Wie es im Piloten so üblich ist, werden die Protagonist:innen hier erstmal eingeführt, sodass sie schnell unser Herz erobern und wir eine Beziehung zu ihnen aufbauen können. Dr. Watson, der schlaflose Nächste aufgrund von Albträumen oder vielmehr Erinnerungen an seine Einsätze als Soldat in Afghanistan hat, wird auf zweierlei Weise vorgestellt. Zunächst einmal trifft er, an einem Gehstock humpelnd, einen alten Bekannten wieder, der natürlich durch spezifische Fragen einiges über ihn und seine Vergangenheit offenbart. Und wie es der Zufall so will, kennt der jemanden, der gerade, wie Watson, im teuren London auf der Suche nach einem Mitbewohner ist, um sich eine Wohnung leisten zu können: Sherlock Holmes. Und dann übernimmt dieser die restliche Vorstellung Watsons, auf nicht sehr schmeichelhafte Art und Weise, aber damit lernen wir direkt auch all die netten Eigenschaften Sherlocks kennen. Er scheint wenig empathisch zu sein, äußerst arrogant, beobachtet sehr aufmerksam und genau und kombiniert all die wahrgenommenen Informationen auf cleverste Art und Weise zu einem Ergebnis: Deduktionsmethode. Nach wenigen Minuten wissen wir somit auch, wer Sherlock Holmes ist. Und es erhält eine der wohl berühmtesten Adressen ihre Platzierung.
„The name is Sherlock Holmes and the address is 221B Baker Street.“
Ein Fall von Pink
Das Schicksal der beiden Mitbewohner im Apartment der Baker Street ist besiegelt. Von nun an müssen sich die beiden permanent der Vermutung stellen, sie seien ein Paar. Und das ist schön. Denn auch, wenn die beiden das verneinen, wäre es für alle um sie herum kein Thema (das zugegebenermaßen trotzdem erstaunlich oft thematisiert wird), vor allem nicht für ihre Vermieterin, Mrs. Hudson. Wenn das nur immer so wäre.
Und so kommen wir auch schon zum ersten Fall. Innerhalb weniger Wochen tritt in London eine Serie von Selbstmorden auf. Alle tot aufgefundenen Personen haben sich mithilfe einer Pille vergiftet, doch die Selbstmorde wirken konstruiert und irgendwie unfreiwillig. Die Fälle halten die Polizei, unter ihnen Inspektor Lestrade, auf Trab. Und so dauert es nicht lang, dass auch Sherlock sich den neuesten Tatort anschauen darf – mit Dr. Watson an seiner Seite, versteht sich. Denn als Doktor könnte der ja von Nutzen sein. Es offenbart sich ein seltsames Verhältnis der Polizei zu Sherlock, dem selbsternannten „beratenden Detektiv“. Keiner scheint Sherlock zu mögen, er beleidigt so gut wie jede:n alle Nase lang, alle halten es für irgendwie unangemessen, ihn an den Ort des Geschehens zu lassen, denn Sherlock ist ungewöhnlich erfreut über diese dramatischen Fälle, gleichzeitig wirken sie verzweifelt und gestatten es ihm daher einfach. Zurecht. Denn wenige Sekunden nach Betreten des Tatorts, an dem eine ganz in Pink gekleidete, tote Frau zu finden ist, erleben wir das erste Mal so richtig, wie sein Mastermind funktioniert. Es fliegen Wörter ins Bild, die in Verbindung mit Detailaufnahmen des Tatorts seine Wahrnehmung und Kombinationen auch für uns Zuschauende nachvollziehbar machen. Er bezieht sogar Watson mit ein und nach wenigen Momenten lässt er uns an seinem Ergebnis teilhaben: Die Selbstmorde waren Morde, kein Zweifel.
„Think“
Und so kommen wir mit Sherlock und Watson dem Täter nach und nach auf die Spur. Wir verfolgen ihn durch die Straßen Londons, während Sherlock beweist, dass Watson eigentlich gar nicht auf seinen Gehstock angewiesen ist. Wir lernen Sherlocks mysteriösen Bruder Mycroft kennen, der Watson kurzerhand entführt, um ihn vor Sherlock zu warnen und irgendwie vielleicht auch Sherlock zu schützen. Wir steigen mit Sherlock in das Spiel des Täters ein, das ihn selbst so reizt, dass er es lieber spielt, als den Täter direkt verhaften zu lassen, denn nichts ist schlimmer für ihn als Langeweile. Wir erfahren, dass Sherlock einen Fan hat, jemanden, der ihn herausfordern will und dessen Name Moriarty ist. Das alles ist eingebettet in schlagfertige, trockene, aber sehr unterhaltsame Konversationen – natürlich in wundervollem Britisch.
„I pickpocket him when he‘s annoying.“
Aufnahmen aus London werden als Füller zwischen den Szenen genutzt. Die Kameraeinstellungen unterstützen oftmals die Wahrnehmung der Figuren, so sind sie zum Beispiel wahrhaftig in die Ecke getrieben oder aber die Kamera sitzt ihnen während einer Verfolgung förmlich im Nacken. Und auch wenn die Übergänge zwischen den einzelnen Sequenzen ab und zu ein bisschen wie Animationen in Power Point-Präsentationen wirken, an denen man der Serie ihr Alter dann vielleicht anmerkt, helfen Zeitraffer, Slow Motions und Split Screens doch auch sehr, um mit dem hochfunktionalen Meisterdetektiv auch nur im Ansatz mithalten zu können.
„I‘m a high functioning sociopath.“
Fazit
Ich musste erstmal kurz wieder in das Universum des „Sherlock“ reinkommen, doch dann hat es einfach nur Spaß gemacht. Die Abgebrühtheit des Protagonisten, seine Cleverness, die vermeintlich ungewollte Komik der Konversationen, die verschrobenen Charaktere, das smarte Storytelling und die audiovisuelle Evidenzerzeugung durch die Deduktionsmethode von Sherlock macht die Serie zu einem genialen Werk der Seriengeschichte. Natürlich blieben die ganz großen Überraschungen in der Story für mich aus, denn auch, wenn ich mich nicht mehr an alles erinnert habe, so waren doch noch mehr Zusammenhänge präsent als ich erwartet hatte. Aber das hat der Unterhaltung keinen Abriss getan. Und neben gutem Storytelling und einer großen Portion Komik ist die Serie vor allem: spannend. Denn wir wissen auch: Das hier ist gerade erst der Anfang. Das Spiel geht gerade erst los. Und Sherlocks größter Gegenspieler ist noch nicht einmal ins Bild getreten.
Bilder: BBC
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