Die BBC Produktion „Call the Midwife“ als kleinen Geheimtipp anzupreisen, wäre ungefähr so, als würde man behaupten, Joss Whedon sei ein aufstrebender Regisseur und Autor, den man unbedingt im Auge behalten sollte. Die Serie rund um den „Ruf des Lebens“ ist nicht nur national in England ein großer Erfolg und heimst reihenweise Preise ein, nein, auch international ist „Call the Midwife“ wahrlich kein Geheimtipp mehr. Über 100 Weltregionen konnten sich bereits an den bisher vier Staffeln erfreuen, wir bei uns in Deutschland bislang nur an den ersten beiden Staffeln. Und auch nur, wenn man Pay TV (Passion) zu seinen Empfangsmöglichkeiten zählt. Dies dürften in Deutschland immer noch die Wenigsten sein.
Damit ist nun aber Schluss. Die Serie wird ab heute eine neue Heimat im deutschen Fernsehen haben und somit hoffentlich der Serie ein größeres Publikum bescheren, denn zdf neo strahlt in den kommenden Wochen die ersten drei Staffeln nacheinander aus, dabei werden am heutigen Freitag und den kommenden Freitagen jeweils Doppelfolgen ausgestrahlt.
Warum man sich die Geschichten rund um die Hebamme Jenny Lee, den Nonnatus Schwestern und vor allem dem Wunder der Geburt anschauen sollte, dazu dieser kleine Serientipp.
Der Serien-Steckbrief
Genre: Drama
Laufzeit: 60 Minuten
Folgen: 33 Folgen in 4 Staffeln
Erstausstrahlung: 2012 (BBC one)
Darsteller: Jessica Raine, Miranda Hart, Jenny Agutter, Pam Ferris, Judy Parfitt, Helen George, Bryony Hannah, Laura Main etc.
Handlung
Die Handlung der Serie basiert auf den Memoiren und Büchern von Jennifer Worth, einer ehemaligen Krankenschwester und Hebamme sowie am Ende ihres Lebens Musikerin und Autorin. Die Serie basiert also auf wahren Begebenheiten von Jennifer Worth als Hebamme in London der 1950iger Jahre. Und dies fühlt man in jeder einzelnen Episode.
Wir erleben also Jennifer Lee (so ihr Mädchenname) im Jahre 1957 wie sie nach ihrer eben erst abgeschlossenen Ausbildung zur Hebamme ihren ersten Job antritt. Ihren Dienst verrichtet sie nicht wie erhofft und gedacht in einem der moderneren Privatkrankenhäusern sondern in einem Nonnenkloster. Erschwerend kommt noch hinzu, dass sich das Kloster in einem der ärmsten Viertel Londons, dem East End, befindet, was das Klientel schwieriger, die vorhandene Infrastruktur maroder und damit die hygienischen Bedingungen nahezu katastrophal macht. Aber auch hier werden tagtäglich Kinder geboren und kämpfen ab diesem Moment mit den widrigen Umständen des Lebens. Und kann es etwas Emotionaleres geben als die Geburt eines Menschen?
Im Mittelpunkt der Serie stehen demnach die Krankenschwestern und Ordensschwestern des Klosters Nonnatus im East End Londons. Sie bieten neben der theologischen Seelsorge vor allem Geburtshilfe für die sozial schwache Gesellschaftsschicht des East End an. Und die Damen haben einiges zu tun, denn die Geburtenrate ist im East End mehr als hoch, die Sterblichkeitsrate allerdings auch. Unhygienische Zustände in den Gassen und Häusern in Verbindung mit den medizinischen Möglichkeiten der Zeit, gepaart mit der Armut der Gesellschaft des East Ends ergeben eine Melanche an emotionalen und herzzerreißenden Momenten rund um die Stunde null eines jeden Menschen.
Unsere Protagonistin Jenny ist anfangs völlig überfordert von der vorgefundenen Situation. Aber durch die Hilfe ihrer Kolleginnen bei der Eingewöhnung und der schlichtweg alternativlosen Lage vor Ort, funktionieren zu müssen, wachsen die Damen vom Nonnatuskloster schnell zu einer schlagkräftigen Gruppe zusammen, welche auch in brenzligen Situationen einen kühlen Kopf behält.
Darsteller und ihre Figuren
Jenny Lee (Jessica Raine)
Jenny ist die tragende Hauptperson der Serie, sie ist zu Beginn 22 Jahre alt, hat eben erst ihre Ausbildung zur Hebamme beendet und kommt aus gutbürgerlichem Hause aus einer der umliegenden Grafschaften rund um London. Sie wuchs dort sehr behütet auf und bereiste gar das europäische Festland. Die Umstände im East End sind daher für sie ein wahrer Schock und stürzen auf die junge Frau ohne Vorbereitung ein. Allerdings gewöhnt sie sich nach und nach an die Umstände und kann ihr modernes Wissen sehr oft zum Wohle der gebärenden Frauen einsetzen. Aber natürlich hat sie auch ein recht modernes Verständnis zum Frauenbild, was hier und da im East End zu Komplikationen führt. Zudem trägt sie ein kleines Geheimnis mit sich herum, vor dem sie mit ihrer Hebammenausbildung und dem Schritt in diesen Beruf und in einen anderen Stadtbezirk entfliehen wollte.
Camilla Fortescue-Cholomondely-Browne „Chummy“ (Miranda Hart)
Zur Mitte der ersten Staffel stößt Camilla Brown zum Nonnatus Kloster hinzu. Camilla ist eine mannsgroße Frau adliger Herkunft. Ihr vollständiger Name lautet Camilla Fortescue-Cholmondeley-Browne, da dies natürlich viel zu lang ist wird sie von allen nur „Chummy“ gerufen. Chummy ist anfangs mehr als eingeschüchtert, wenig selbstbewusst, tollpatschig aber immer mit dem ganzen Herzen dabei. Rührend die Szenen, in denen ihr das Fahrradfahren beigebracht wird. Aufgrund ihrer familiären Herkunft ist sie zwar des Reitens mächtig, ein Fahrrad hat sie aber bisher nur aus der Ferne gesehen. Da das East End aber ziemlich groß ist und Pferde nicht zur Verfügung stehen, ist das Fahrrad das erste Mittel der Wahl, wenn es darum geht schnell an ein Ziel zu kommen. Chummy steht zudem im Mittelpunkt einer kleinen Romanze mit einem der Polizisten des Viertels, ganz zum Ärger Ihrer Mutter, die den Lebenswandel ihrer Tochter so gar nicht akzeptieren kann.
Schwester Julienne (Jenny Agutter)
Schwester Julienne ist die Leiterin des Nonnatus Klosters und erfahrenste Hebamme in der Gegend. Sie ist natürlich tief religiös, dabei aber ungemein praktisch veranlagt und steht allen mit Rat und Tat zur Seite.
Schwester Evangelina (Pam Ferris)
Schwester Evangelina ist so etwas wie der Spieß der Kompanie. Unter den aktiven Hebammen, Schwester Julienne ist hauptsächlich mit der Verwaltung beschäftigt, ist Evangelina die tonangebende Hebamme im Bezirk. Geachtet und akzeptiert unter den Hebammen und erst recht im East End. Denn Evangelina stammt aus dieser Gegend und kennt die Umstände der Familien also aus der eigenen Kindheit. Daher kann sie nichts mehr bestürzen oder in Panik versetzen, es gibt nichts, was sie nicht schon gesehen hat. Sie ist mehr als temperamentvoll, arbeitet unheimlich schnell und korrekt. Das erwartet sie natürlich auch von ihren Kolleginnen, wodurch sie speziell Chummy mehr als einschüchtert. Dagegen ist sie aber auch sehr humorvoll und meist etwas derber in ihren Sprüchen und Anmerkungen. Einmal East End, immer East End.
Schwester Bernadette (Laura Main)
Schwester Bernadette ist die Jüngste der Nonnen und zeichnet sich insbesondere durch ihr Fachwissen aus. Bernadette übernimmt daher immer wieder die Fortbildung der Hebammen. Man merkt als Zuschauer recht schnell, dass sie immer mehr mit ihrer Entscheidung, dem Kloster beizutreten, hadert. Zudem hegt sie schon seit längerem romantische Gefühle für einen der wenigen männlichen Figuren der Serie, Dr. Turner.
Beatrix „Trixie“ Franklin (Helen George)
Trixie ist der blonde Schwarm im Kloster, gutaussehend, lebensfroh und um keinen Tanz verlegen. Sie flirtet gerne mit den Männern und weiß auch sonst ihre Reize einzusetzen. Aber so oberflächlich, wie man nun meinen könnte, ist Trixie nicht. Im Innersten ist sie ein kleines, sensibles Mädchen, was aber schon als Kind wusste, dass sie sich der Pflege und Hilfe von anderen Menschen verschreiben würde.
Cynthia Miller (Bryony Hannah)
Neben Jenny, Chummy und Trixie ist Cynthia die vierte reine Hebamme im Kloster, die keine Nonnentracht trägt. Cynthia ist die Ruhigste der Damen, passend zu ihrer zierlichen Figur. Sie ist eine gut ausgebildete Hebamme, die ihr Wissen laufend erweitert und insbesondere an den modernen Möglichkeiten der Medizin interessiert ist. Sie ist sehr sensibel und nimmt sich die persönlichen Tragödien ihrer Patienten mehr als einmal zu sehr zu Herzen.
Schwester Monica Joan (Judy Parfitt)
Schwester Monica Joan ist die älteste Figur in der Serie aber mit ihren über 90 Jahren immer noch sehr wichtig für das Leben innerhalb der Klostermauern, denn Monica Joan steht allen mit medizinischen wie (mehrheitlich) privaten Hilfestellungen zur Seite. Sie war eine der ersten qualifizierten Hebammen Englands und verfügt so natürlich über einen unendlichen Schatz an Erfahrung. Allerdings kann sie sich nicht immer an alles erinnern, zudem verliert sie mehrmals die Orientierung. Anzeichen von Demenz sind klar ersichtlich. Deswegen und natürlich aufgrund ihres Alters wird sie nicht mehr im aktiven Dienst eingesetzt. Sie verbringt also ihre letzten Tage im Kloster ohne dass sie noch eine konkrete Aufgabe im Kloster hätte. Sie hilft aber wo sie kann. Eine Besonderheit ihrer Figur ist die Liebe für Kuchen und Kekse, die sie meist den anderen weg isst, bevor man sich zum Nachmittagstee im Kloster zusammenfindet. Schwester Julienne findet zwar immer neue Verstecke für die Kuchen und Kekse, aber Monica Joan kennt natürlich jeden Winkel des Gebäudes. No Chance!
Schaut mal rein!
Die einstündigen Folgen sind mit einer großartigen Herzigkeit gezeichnet, so dass man am liebsten selbst zurück in die 60ies möchte, um neben Jenny mit dem Fahrrad durch das East End Londons zu fahren. Natürlich befasst sich die Serie nicht nur mit den schönen Seiten einer Geburt sondern es werden anhand der betreffenden Familien auch die unterschiedlichen Schichten und Probleme des East Ends gezeigt. Alkohol, gewalttätige Männer, Abtreibungen, Kriegstrauma und Kindstode sorgen für den dramatischen Rahmen, den die Serie wunderbar mit den emotionalen Szenen verbindet.
Ein wunderbares Stilmittel, insbesondere im englischen Original, ist die Erzählstimme der älteren Jenny Lee, die aus ihrem Tagebuch die Folgen einleitet bzw. kommentiert. Die Stimme von Vanessa Redgrave, die hier ihre Stimme zur Verfügung stellt, ist einfach „adorable“. Und das Intro ist zudem ein kleiner gefährlicher Ohrwurm. Attention!
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