Ich habe einen Fehler begangen, als ich vor nicht allzu langer Zeit in unserer Rubrik „Durch die Woche mit …“ das Buch nach dem Titel beurteilt und Kingdom als eine Serie für MMA-Fans abgestempelt habe. Doch so viel sei gesagt: Dahinter steckt in etwa so viel Mixed Martial Arts wie „Sons of Anarchy“ mit Motorräder zu tun hat. Es ist ein wesentlicher Bestandteil, der zum Gesamtbild beträgt, aber eben – glücklicherweise – nicht das ausmacht, was das Ganze auszeichnet.
Was mich überzeugt hat
Trotz des recht hohen Erzähltempos hat man nicht das Gefühl, dass zwingend etwas inszeniert werden muss, damit die Spannung aufrecht erhalten wird. In der Handlung reihen sich die Dinge wie von selbst ein, ebenso wie die Darsteller ihre Rolle angenommen haben. Ähnlich wie kleine Puzzlestücke scheint absolut jeder zu wissen, wo sein Platz im großen Bild zu sein hat.
Ein weiterer Grund ist der hohe Unterhaltungswert, der durch die Detailverliebtheit entsteht, die sich in der schauspielerischen Umsetzung widerspiegelt: Ein Kerl, der beim Sprechen auch mal pauspiert, um sich das Essen zwischen den Zähnen rauszupulen oder ein Bewährungshelfer, der mitten im Gespräch ungeniert Süßigkeiten futtert und sich dabei auch mal mit dem Finger am Körper kratzt oder einfach nur eine krumme Zigarette, die deshalb krumm ist, eben weil sie nicht gerade sein kann, wenn sich jemand auf die Schachtel gesetzt hat.
In solchen Momenten bin ich Gott sehr dankbar, dass es Leute gibt, die aufpassen bei dem, was sie tun. Dadurch fällt es mir unter anderem auch leichter, Fehler, die beispielsweise im Schnitt entstehen (teilweise furchtbare Übergänge), zu tollerieren. Sich selbst ein Bild machen, könnt ihr übrigens gleich von den folgenden Charakterportraits.
Interessantes
Für die Kampfszenen gab es keine Körperdoubles. Alle Stunts wurden von den Darstellern oder professionelle Fighter selbst ausgeführt. Dies bestätigte Oliver Copp, Vertreter der UFC (Ultimate Fighting Championship) in Deutschland, der bei den Dreharbeiten vorbeischauen durfte.
All das hätte ich aber wohl nie mitbekommen, hätte mich die Frau vom Festivalleiter Malko Solf nicht gegen Ende des SERIENCAMPs auf das entsprechende Screening hingewiesen. Vielen Dank noch einmal an dieser Stelle!
Die Charaktere
Alvey Kulina (Frank Grillo)
Besitzer der Trainingshalle „Navy Street“, der sich zu seinen Zeiten als Aktiver in der MMA einen Namen gemacht hat und nun andere Kämpfer ausbildet. Sehr überzeugend dargestellt von Frank Grillo, der nach „Captain America: The Winter Solder“ und „The Purge: Anarchy“ gewohntes Terrain betritt, was die Action angeht.
„Most guys run from fights. ‘Cause they don’t want the answer to the inevitable question that they whisper to themselves: ‚Am I one of the weak? Am I one of the strong? Where do I line up in the pecking order of it all?‘“ (Alvey Kulina)
Dass sein Spektrum weit darüber hinaus geht, beweist er mit viel Fingerspitzengefühl glaubhaft im Zusammenspiel mit seinen Schauspielkollegen. Mit seinen nun 50 Jahren Lebensalter dürfte Grillo mit der Ausübung dieser Rolle der Respekt bei seinen Berufsgenossen und Fans sicher sein.
Lisa Prince (Kiele Sanchez)
Die Frau an Alveys Seite, die nebenbei auch noch das Geschäft leitet. Oft versucht sie mit eiserner Hand einzugreifen, wenn es darum geht, dass Mitglieder ihre Beiträge nicht bezahlen und ist dabei mehr oder weniger erfolgreich. In ihrer Beziehung zu Alvey ist sie Ruhepol und Provokateur zugleich.
„I was always that kid that when Christmas came along, my brothers would get slingshots and I would get a baby doll, and it would drive me fucking insane.“ (Lisa)
Lisa wird auf eine wunderbare Art und Weise von Kiele Sanchez verkörpert, die in der Lage ist, sich lautstark und subtil gleichermaßen in der richtigen Dosis zu präsentieren.
Jay Kulina (Jonathan Tucker)
Mein absoluter Lieblingscharakter dieser Reihe. Jay ist der ältestere von Alveys zwei Söhnen, der gerne das tut, wonach ihm gerade ist und das gerne mal im ausgiebigem Exzess. Viele aus seiner unmittelbaren Umgebung sind der Meinung, dass er sich selbst am ehesten im Weg steht etwas zu erreichen.
„Yeah, you know Jay. He’s getting fucked up, he fucks things up. He steals shit. He’s a fuck-up, you know.“ (Alvey)
Doch so selbstzerstörerisch Jay auch ist, so groß ist auch sein Herz. Seine Familie bedeutet für ihn alles, allen voran zu seinem Bruder Nate und seiner Mutter Christina pflegt er ein besonderes Verhältnis. Gespielt wird Jay vom großartigen Jonathan Tucker, der eine außergewöhnliche Performance hinlegt. Ein Ausnahmekünstler, den man schlicht bei seiner Arbeit gesehen haben muss. Ich bin ein Fan!
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