Mein UK Serientest des Monats passt in die aktuelle Zeit wie nur was. Zumindest wenn ihr in letzter Zeit im Kino ward. Ich meine natürlich „Dunkirk“. Ein wirklich toller Film, der mehr auf Bilder und Stimmung setzt als auf Dialoge. Cillian Murphy fand ich jetzt nicht so überragend aber Tom Hardy entwickelt sich für mich so langsam zu einem Schauspieler, dessen Werke ich ohne Vorkenntnisse sofort empfehlen oder zumindest mal reinschauen würde. Toller Typ. Also wenn ihr noch nicht in „Dunkirk“ ward, unbedingt reingehen.
Und „Dunkirk“ im allgemeinen und Tom Hardy im speziellen ist die Verbindung zum heutigen UK Serienklassiker: „Colditz“. Denn auch „Colditz“ spielt zur Zeit des 2. Weltkrieges und Tom Hardy spielte in 2005 in einer Neuverfilmung der Geschichte um die es in dieser BBC Serie aus den 70igern geht: ein Kriegsgefangenlager für Offiziere. Und die Geschichte, die erzählt wird, basiert auf wahren Ereignissen und den Memoiren des originären Major Pat Reid – der hier in der Serie als Captain Pat Grant durch die Gegend läuft. Und Pat Reid schließt sozusagen meinen anfänglichen Kreis. Denn Pat Reid war – wie Tom Hardy – beteiligt beim Kampf um Frankreich und dem Drama um das Britische Expeditionskorps in dessen Wirren er dann auch gefangen genommen wurde.
Zum Einstieg habe ich mal die Opening Credits aus der ersten Folge raus geschnitten und hochgeladen. Damit ihr mal in die richtige Stimmung für den Serienklassikers kommt, den wahrscheinlich die wenigsten von Euch kennen dürften. Aber ich nehme es vorneweg, „Colditz“ ist eine der Serien, von der man mindestens mal gehört haben sollte.
Seriensteckbrief
Genre: Drama
Laufzeit: 60 Minuten
Folgen: 28 (2 Staffeln)
Ausstrahlung: 1972 – 1974 (BBC)
Darsteller: Jack Hedley, Robert Wagner, David McCallum, Patrick Troughton u.v.m.
Handlung
Colditz ist ein Ort in Sachsen in der Nähe von Leipzig. International bekannt wurde das Städtchen durch Schloss Colditz welches im Zweiten Weltkrieg als Kriegsgefangenenlager für alliierte Offiziere genutzt wurde und über der Stadt auf einem Felsen thront. Und wie immer bei einer solchen Lage spricht man von einem nahezu ausbruchssicheren Gefängnis. Wäre es so, gäbe es diese BBC Serie nicht.
Denn natürlich gab es diverse Ausbruchsversuche seitens der alliierten Offiziere, die meisten waren aber wenig erfolgreich.
Einer der bekanntesten Gefangenen im Oflag IV-C (Oflag = Offizierslager) war Major Pat Reid der zugleich auch einer der bekanntesten erfolgreichen Ausbrecher war. So verfolgt die Serie zu Beginn die wichtigsten Hauptfiguren der Serie wie sie nach Colditz gelangten. Die Geschichte beginnt demnach nicht direkt in Colditz sondern überall in Europa. Was alle Figuren eint ist der Wunsch nach Flucht. Und die meisten von Ihnen waren aus genau diesem Grund in Colditz, da es sich bei Colditz um ein Sonderlager handelte. Sozusagen für die Unverbesserlichen, die, kaum hocken sie hinter Stacheldraht schon wieder an den nächsten Fluchtversuch denken.
So ist der Großteil der Handlung eben mit der Planung, Vorbereitung und Durchführung der verschiedensten Fluchtversuche geprägt. Und durch die unterschiedlichen Charaktere und Nationalitäten der Gefangenen. Und Pat Reid oder hier in der Serie Pat Grant steht im Mittelpunkt aller Fluchtversuche. Er wird vom obersten britischen Offizier im Lager, Lieutenant Colonel John Preston (dem SBO = Senior British Officer), der für Ruhe und Ordnung bei seinen Offizieren sorgen soll, für sie verantwortlich ist und der als der grds. Ansprechpartner des deutschen Lagerkommandanten fungiert, zum „escape officer“ ernannt.
Denn in den Augen des Colonel sollte ein Fluchtplan über Monate vorbereitet und analysiert sein, da ein Fluchtversuch, ob erfolgreich oder nicht, auch immer Auswirkungen auf die Zurückgebliebenen haben wird. So ist es sinnvoller, die aufwändigen Vorbereitungen zu bündeln bzw. die einzelnen Fluchtversuche zu priorisieren. Nicht, dass einzelne Gruppen an derselben Idee arbeiten und man sich im schlimmsten Fall auch noch in die Quere kommt. Und hier kommt Captain Pat Grant ins Spiel. Denn ihm sind alle (britischen) Fluchtideen zu offenbaren, er diskutiert diese Ideen mit den anderen Offizieren der anderen Nationalitäten (Franzosen, Niederländer, Polen) und man einigt sich auf die grds. Durchführbarkeit und einen potenziellen zeitlichen Fluchtkorridor.
Zudem beleuchtet die Serie auch die Seite der Deutschen, hier insbesondere rund um den Lagerkommandanten Oberst Karl (den Nachnamen erfährt man nicht) und seinem Sicherheitsoffizier Hauptmann Franz Ulmann. Das Lager untersteht der Wehrmacht (und nicht der SS) und man hält sich daher an die Genfer Konventionen und fühlt sich ganz grds. der Ehre des Offiziers verpflichtet. Beide deutsche Offiziere sind zudem keine Freunde der SS sondern auch im Herzen Berufssoldaten. Sie behandeln die Kriegsgefangenen mit Respekt, verlangen aber von der Gegenseite Disziplin und Wahrung der Ordnung und die Einhaltung der der Regeln des Lagers.
Einordnung
Ich gebe zu, ich habe ein wenig gebraucht um in die Story der Serie abzutauchen. Aber nach ein paar Folgen, ich glaube es war im Laufe der dritten Folge, war ich gut drin in der Serie und fühlte mich von da an gut unterhalten. Sicherlich, besonders dramatisch oder spannend ist die Serie nicht, aber sie weiß durch die Grundstory zu unterhalten, die Dialoge sind teilweise echt gut geschrieben und auch der berühmt berüchtigte Sprachwitz der Briten kommt hier und da auch gut durch.
Apropos Dialoge. Wer Figuren eher ungerne dabei beobachtet wie sie sich unterhalten, der sollte vielleicht nicht unbedingt in diese Serie schauen, denn die Szenen sind schon sehr dialoglastig. Aber wem das gefällt, die Serie ist dein Ding. Und es war auch ein Dialog der mich davon überzeugte die Serie weiterzuschauen. Und dieser Dialog bzw. die Szene geht über 17 Minuten. Nur zwei Figuren inkl. einem Ortswechsel, fast ungeschnitten. Aber ansonsten hat man nur dieses wunderbare Kammerspiel und einen fantastischen John Quentin als Graf Paul von Eissinger im Dialog mit Lieutenant Dick Player, einem Freund aus Jugendtagen und friedlicheren Tagen in Berlin. Und einem Protagonisten der weiteren Serienhandlung.
Ich habe mal den gesamten Dialog aus der dritten Folge heraus geschnitten. Ich fand insbesondere das Schauspiel von John Quentin in dieser Szene wahnsinnig gut. Erst recht, wenn er energischer wird, lauter wird. Und auch hier haben wir die ein oder andere witzige Anmerkung oder Antwort im Laufe der Szene.
John Quentin ist jetzt vielleicht nicht der bekannteste Schauspieler, mir war er zumindest völlig unbekannt. Aber drei Schauspieler aus der Serie sollten dann doch auch über die Grenzen der Serie hinaus bekannt sein. Die Rede ist natürlich von Robert Wagner („Hart aber Herzlich“), David McCallum (Ducky in „NCIS“) sowie Patrick Troughton (der zweiten Inkarnation des Doctors in „Doctor Who“). Bei McCallum hat es etwas gedauert bis ich ihn ihn den Ducky aus „NCIS“ erkannt habe, hier in „Colditz“ ist McCallum ja fast schon noch ein jugendlicher Spund. Zudem ist sein Charakter des Flight Lieutenant Simon Carter nicht gerade der coolste und sympathischste Charakter. Zeitweise nervt er sogar, vor allem in den ersten Episoden.
Die Serie hat aus heutiger Sicht aber auch eine größere Schwäche: die Deutschen. Und damit meine ich nicht, dass sie als dümmlich und naiv dargestellt werden wie in „Ein Käfig voller Helden“. Nein, ganz und gar nicht. Die Deutschen werden größtenteils sogar als mehrschichtige Charaktere mit Stärken, Schwächen und Ängsten dargestellt und alles andere als dumm. Zumindest die Offiziere mit größeren Sprechrollen.
Was aber etwas nervt ist die Tatsache, dass die Figuren ebenfalls von britischen Schauspielern dargestellt worden sind. Kann man machen. Aber dann muss man auch nicht hier und da zwischen gebrochenem Deutsch und Englisch wechseln. Wobei jetzt gar nicht so häufig im gebrochenem Deutsch gesprochen wird, nicht mal wenn die Deutschen untereinander sprechen. Aber wenn, ist es dann doch eher nur semi gut.
Wäre dies eine Serie nach heutigem Standard würden jene Rollen bestimmt auch mit deutschen Schauspielern besetzt die sich untereinander auch in deutsch unterhalten während die Szene englisch untertitelt würde. Oder ganz ohne Untertitel. Hätte die Serie dies bereits in den 70igern so gemacht, die Serie hätte in meinen Augen kaum eine nennenswerte Schwäche und ließe sich so ohne weiteres auch heute noch gut anschauen.
Aber auch so erhält die Serie von mir eine klare Empfehlung. Nicht nur weil das Thema Zweiter Weltkrieg aktuell durch „Dunkirk“ wieder ein bisschen mehr in den Mittelpunkt gerückt wurde. Allerdings hilft es natürlich wenn man sich für diese Zeit interessiert. Ich habe zwischendurch immer mal wieder auf Pause gedrückt um mich durch Wikipediaartikel zu wühlen.
Mich hat die Serie voll umfänglich und gut unterhalten. Und ich denke, dass es dem ein oder anderen von Euch ähnlich ergehen sollte. Schaut mal rein.
YouTube Playlist
Wer mal in die Serie reinschauen möchte und nicht wie ich eine gebrauchte Gesamt-DVD-Kollektion im Regal stehen hat, dem sei YouTube empfohlen.
Bilder: BBC
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