Ich bin ja ein großer Fan des Autors Neil Gaiman. Ich mag seine Romane, und liebe seine Graphic Novels. Seit der „Sandman“-Reihe versuche ich, nichts von ihm zu verpassen – was schwierig genug ist, da er ein sehr kreativer und vielarbeitender Autor ist. Seit einigen Jahren haben auch Film- und Serienschöpfer die Geschichten des Autos entdeckt. „Coraline“ ist zum Beispiel als toller Fernsehfilm erschienen, und einige Jahre später als klasse Animationsabenteuer. Jetzt startet eine Serienverfilmung seines Stoffs „American Gods“. Zuerst habe ich gestaunt, dass sich tatsächlich jemand an dieses Material heranwagt, denn die Idee von Gaiman, alltägliche Dominanten von heute wie Geld oder Internet als Götter dazustellen, die den alten Göttern verschiedener Glaubensgemeinschaften den Rang ablaufen, konnte ich mir zwar sehr gut bildlich beim Lesen vorstellen. Aber an eine funktionierende Umsetzung im Serienformat konnte ich nicht so recht glauben. Dann war aber klar, dass Neil Gaiman selbst an der Umsetzung beteiligt sein würde, und dass sich Bryan Fuller (Pushing Daisies, Star Trek: Voyager) des Stoffes annehmen würde – das beruhigte. Jetzt steht also die Ausstrahlung der Serie an, bei uns zu sehen wöchentlich immer montags bei Amazon, ab 1.5. wahlweise in Deutsch oder Englisch, acht Folgen lang. Wir hatten die Gelegenheit, die ersten vier Folgen vorab zu sehen, um uns einen Eindruck zu verschaffen. Die Kurzform: Das Wagnis durfte man eingehen – Umsetzung gelungen.
Die Optik
Wir hatten ja schonmal den außergewöhnlichen Vorspann gezeigt, der düster daher kommt und viele Details zeigt. Diese Optik setzt sich in der Serie fort. Die Stimmung bleibt weitgehend düster. Ich bin eigentlich kein Freund der dunklen Optik, hier passt es aber sehr gut und erzeugt eine klasse Stimmung. Alles wirkt irgendwie verloren, bedrohlich, dreckig – man muss sich darauf einlassen, dann wird man aber seine Freude daran finden. Dazu kommt, dass auch die Hauptfiguren jetzt nicht strahlend oder heroisch dargestellt werden. Egal, ob alte oder neue Götter – alle sehen auch irgendwie kaputt oder überzogen aus.
Die Handlung (spoilerarm)
Zur Grundidee von „American Gods“ habe ich weiter oben ja schon etwas erwähnt. Im Vordergrund steht Shadow Moon, der nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis von dem mysteriösen Mr. Wednesday als Bodyguard eingestellt wird und sich schon bald in einer Welt wiederfindet, in der ein Kampf zwischen den alten und den neuen Göttern bevorsteht. Neben Ricky Whittle als Shadow Moon, Ian McShane als Mr. Wednesday und Emily Browning als Shadows Ehefrau Laura Moon gehören unter anderem Pablo Schreiber (Mad Sweeney), Peter Stormare (Czernobog), Kristin Chenoweth (Easter) und Gillian Anderson (Media) zum göttlichen Ensemble. Mir gefallen die Figuren in ihrer Umsetzung sehr gut. Vor allem Gillian Anderson (The X-Files) muss man da zunächst einmal herausheben. Sie hat mit Media eine besondere Figur erwischt, die sich sehr wandlungsfähig zeigt und in verschiedensten Figuren auftauchen kann. Diese Wandlungsfähigkeit bringt Gillian Anderson definitiv mit.
Mr. Wednesday wird als trickreicher, gewitzter Typ dargestellt, der den gesamten Überblick zu haben scheint. Man merkt Ian McShane die Freude an der Figur an. Mad Sweeney ist eine Art Kobold, der sich in der aktuellen Welt so gar nicht zurecht findet und immer auf Streit und Kampf aus ist. Ist mit Pablo Schreiber tatsächlich sehr gut besetzt, so hätte man ihn sich auch beim Lesen der Buchvorlage vorgestellt. Emily Browning steht in der Serie vor einer besonderen Herausforderung: Ihr Charakter ist schon nicht mehr am Leben, als die Serie beginnt. Sie wird aber trotzdem eine wichtige Rolle spielen, in der Serie und für Shadow selbst. Auch die weiteren Figuren sind klasse ausgestaltet und besetzt und passen einfach exakt so, wie man es sich vorstellt. Wir bekommen übrigens nicht alle Götter gleich zu Beginn zu sehen, sondern Fuller nimmt sich Zeit, die Figuren in Ruhe einzuführen. Überhaupt geht’s hier nicht überstürzt und hektisch zu, sondern eher ruhig und ausführlich. Allein die Anfangssequenz der ersten Folge nimmt schon gut ein Viertel der Folge ein, eine Art Prolog, der nicht in der heutigen Zeit spielt. Ich will nicht zu viel verraten, weil auch dieser Prolog absolut beeindruckend und durchaus überraschend daher kommt. Kleiner Tipp: Grundsätzlich ist die Serie nichts für Zartbesaitete: Es fließt jede Menge Blut, und gerade der Prolog hat es diesbezüglich in sich.
Empfehlung
Meine Empfehlung ist: Wer den Roman gelesen hat, wird sich freuen: Die Umsetzung – zumindest soweit man das bislang sehen kann – ist wirklich gelungen. Man merkt allen Beteiligten die Freude an der Umsetzung an. Man wird häufiger denken: „Genauso hatte ich mir das auch vorgestellt.“
Wer den Roman nicht kennt, wird ebenso seine Freude haben. Allein die ersten Folgen zeigen so viele Details und Wandlungen, dass es eine Freude ist, dabeizubleiben und mitzudenken. Ist also nichts für Nebenherschauen beim Mittagessen oder so, Frank. Man muss sich Zeit nehmen für die Geschichte sich auf die Mystik einlassen und gegebenenfalls auch mal zwischen den Folgen nachschlagen, wofür welche Gottheit eigentlich steht.
Hinweis: Die Bewertung bezieht sich auf die ersten vier Folgen, die uns Amazon vorab im Originalton zur Verfügung gestellt hat.
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