In den letzten Jahren haben wir ja einen regelrechten Boom erlebt, was Serien angeht, die mit Berlin zu tun haben. Man denke nur an die Berlin-Staffel von „Homeland“, oder „Babylon Berlin“, oder „4 Blocks“. Eher unentdeckt von dieser Berlin-Orientierung ist eine Crime-Serie des US-Senders Epix geblieben, die Ende 2016 ausgestrahlt wurde. Vor etwa einem halben Jahr nahm Netflix die Serie ins deutsche Programm, und wer auf clever angelegte Crime-Stories und/oder auf Berlin steht, sollte sich die zehnteilige Serie möglichst schnell vornehmen.
„Berlin Station“ beschäftigt sich mit der Berliner Station der CIA. Im Mittelpunkt steht Station-Leiter Steven Frost, der mit Unterstützung seines Agenten-Teams versucht, dem Whistleblower Thomas Shaw auf die Spur zu kommen, der mit immer neuen Enthüllungen die CIA in die Schusslinie bringt, worunter vor allem die Berliner Station leidet. Steven Frost entschließt sich deswegen, eine Art Sonderermittler einzuschalten: den Analysten Daniel Miller. Er verstärkt das Berliner Team und trifft dabei auf Hector DeJean, einen alten Partner, den er aus einem früheren Einsatz kennt. Im Laufe der Staffel entfaltet sich das spezielle Verhältnis der beiden immer mehr…
Überhaupt nimmt die Serie schnell Fahrt auf. Rund um den besonderen Fall, in den auch der deutsche Geheimdienst verwickelt ist, entsteht ein wirres Geflecht aus Beziehungen und Verbindungen innerhalb der Station, aber auch zum deutschen Geheimdienst und zu mutmaßlich außenstehenden Figuren, denen im Verlauf der Staffel noch eine wichtige Bedeutung zukommt. Folge für Folge tauchen immer wieder neue Überraschungen auf: Die Figuren verhalte sich mitunter unberechenbar, man ist immer wieder erstaunt, wen die Handlung einen neuen Richtungswechsel vornimmt und sich neue Geheimnisse entfalten.
Dabei profitiert die Serie nicht nur von der tollen Geschichte, sondern auch von der starken Inszenierung. Die Serie wirkt absolut frisch und überrascht mit vielen ungewöhnlichen Bildern und Perspektiven. Dabei hat Showrunner Olen Steinhauer auf ebenso unverbrauchte wie talentierte Regisseure gesetzt. Michael Roskam zum Beispiel, der aus dem Kurzfilm kommt und die ersten beiden Folgen inszeniert hat. Oder Giuseppe Capotondi, der bisher vor allem für Musikvideos und Commercials bekannt war. Oder Joshua Marston, der bisher vor allem als Screenwriter aufgefallen war. Dazu kommen aber auch John David Coles, der schon einige Folgen „House of Cards“ gedreht hat, oder Christoph Schrewe, den Hollywood gerade neu entdeckt (zuletzt unter anderem bei „Mr. Robot“).
Auch der Cast ist durchgehend überzeugend. Die Figuren sind durchgehend stark besetzt, angefangen von Richard Jenkins als der in Bedrängnis geratene Station Chief, über Leland Orser als Deputy Chief Robert Kirsch bis hin zur deutschen Schauspielerin Mina Tander als deutsche Agentin Esther Krug oder Bernhard Schütz als leitender Angestellter des deutschen Nachrichtendienstes Hans Richter. Ein absolutes Highlights des Casts ist aus meiner Sicht Rhys Ifans als Hector DeJean. Es gelingt ihm einfach großartig, diesen offensichtlich gebrochenen, aber immer noch nicht hoffnungslosen Agenten zu spielen. Er ist einfach undurchschaubar: Selbst bei offensichtlichen Hinweisen zögert man, weil man ihm immer noch eine gewisse Unstetigkeit zutraut.
Neben Rhys Ifans ist Berlin selbst der eigentliche Star der Serie. Dabei ist es jetzt nicht so, wie in weiten Teilen bei der Berlin-Staffel von „Homeland“, dass man Berlin-Bilder zeigt, um sie eben zu zeigen. Typische Berlin-Bilder findet man hier eher selten, die Stadt mit ihren vielen Facetten ist vielmehr die perfekte Kulisse für die mindestens ebenso facettenreiche Story. Und, worauf die Macher der Serie auch geachtet haben: Die Dimensionen stimmen einfach. Wegstrecken von einem Punkt zum anderen sind realistisch abgebildet, anders als bei „Homeland“, wo der Plot von einer Sehenswürdigkeit zur anderen hüpfte, ohne groß auf die zeitliche und räumliche Dimension zu achten. Hier geht’s nicht um das Erzählen einer bestimmten Story, die mit Berlin-Bildern garniert ist, sondern hier erzählt man eine Geschichte, die eng mit Berlin verbunden ist. Einzelne Motive aus der Stadt scheinen die Handlung zu beeinflussen, sind Widerpart der Aktionen der Figuren.
So macht eine Crime-Serie absolut Spaß. Und so macht auch eine deutsche Serie Spaß. Deutsche Serie? Ja, neben einigen Darstellern war auch das Studio Babelsberg an der Produktion beteiligt. Und bei der Musik hat man auf Reinhold Heil gesetzt. Er ist ein Kenner der Berliner Szene, hat in den 70er und 80er Jahren die deutsche Musikszene als Produzent und Musiker mit Acts wie Nena und Nina Hagen aufgemischt. Wir haben ihn bereits als Score-Komponist zum Beispiel von „Helix“ oder „Deutschland ’83“ kennengelernt, jetzt hat er „Berlin Station“ seine ganz individuelle Note verliehen. Sein Score fügt sich, wie sollte es anders sein, perfekt in das gelungene Gesamtgebilde der Epix-Serie ein. Wie gesagt, ein Muss für Fans schlau gemachter Crime-Stories – und für alle Berlin-Fans.
Billig gemachter Klischee-Schrott, habe die zweite Folge schon nicht mehr gesehen.
Verdammt, direkt ab der zweiten Folge ist’s richtig gut! ;-)
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