Landschaftliche Weiten und unberührte Natur in satten Farben – das zeichnet den fiktiven Ort Marnow aus, der zwischen Schwerin und der Mecklenburgischen Seenplatte liegt. Der pittoreske Badeort ist nicht nur ein beliebtes Reiseziel für Camper*innen, sondern auch Schauplatz grausiger Verbrechen, die weit zurück in die deutsche Vergangenheit reichen. Die achtteilige Romanadaption des Krimis „Die Toten von Marnow: Ein Fall für Lona Mendt und Frank Elling“ von Holger Karsten Schmidt folgt zwei Kommissaren bei ihren spannungsreichen Ermittlungen.
Darum geht’s
Der Familienvater Frank Elling und die unnahbare Lona Mendt werden an einen Tatort gerufen, bei dem der Mörder das Opfer kopfüber im Bad seiner eigenen Wohnung erhängt hat. Die Kehle aufgeschlitzt und die Worte „Kinderficker“ auf die Stirn geritzt deuten auf einen Racheakt hin. Als sich kurz darauf ein weiterer Mord in einer noblen Senioren-Residenz ereignet, scheint sich eine Mordserie abzuzeichnen. Lona und Elling tauchen immer tiefer in die Ermittlungen ein, die sie zu einer groß angelegten Verschwörung der Pharmaindustrie führt. Dabei lassen sich beide zu moralisch zweifelhaften Handlungen hinreißen, die nicht nur die Kriminalpolizisten selbst unter Druck setzen, sondern auch ihre Familie und Freunde bedrohen.
Das ist so toll daran
Was zunächst nach einem herkömmlichen Krimi anmutet, hebt sich angenehm vom gewohnten Einheitsbrei ab. Dazu trägt zunächst die Kameraarbeit von Philipp Sichler bei. Die in Cinemascope gedrehten Aufnahmen vermitteln von Anfang an einen gelungenen Kinolook, der die Gegensätze zwischen landschaftlichem Sommeridyll, brutalen Morden und die extreme Beklemmung der Figuren perfekt einfängt. Die Morde ereignen sich hier am helllichten Tag, während im Hintergrund Kinder spielen und andere Schlauchboot fahren. Das macht sie oft umso unvorhersehbarer.
Als Zuschauer*in findet man nur Zugang zu den Charakteren, wenn diese auch glaubhaft ausgearbeitet sind und authentisch gespielt werden. Hier entpuppen sich Sascha Geršak und Petra Schmidt-Schaller als die perfekte Wahl für die Rollen von Elling und Lona. Während man leider zu oft in deutschsprachigen Serien, den Darsteller*innen ein hölzernes Spiel attestieren muss, überzeugen die beiden hier auf ganzer Linie. Frank, der selbst von seiner eigenen Frau beim Nachnamen genannten wird, lebt vordergründig ein harmonisches Leben mit seiner liebevollen Tochter und seiner Frau. Unter der Oberfläche brodelt es allerdings. Er kümmert sich täglich um seine an Demenz leidende Mutter im Pflegeheim, hat Schulden und seine Frau scheint sich eher für den neuen Oberbürgermeisterkandidaten von Schwerin zu interessieren als für ihn. All das spiegelt sich auch in seinem Aussehen wider. Ein müder Blick, unfrisiertes Haar und Hemden, die am Bauch spannen zeichnen ihn aus. Und obwohl er fragwürdige Handlungen an den Tag legt, wie die Annahme von Schmiergeld oder das Abhören seiner eigenen Frau, hat man dennoch Verständnis für seine Lebenskrise.
Auch seine Partnerin Lona Mendt bewegt sich in moralischen und rechtlichen Grauzonen. Die taffe Kommissarin tritt selbstbewusst auf und nimmt sich was sie will. So verführt sie ihren jüngeren Kollegen Jasper und verbringt intime Stunden in ihrem Wohnwagen mit ihm. Wie sich erst zum Schluss hin herausstellt, hat sie eine tragische Vergangenheit, die bis heute noch Narben in ihr hinterlassen haben. Dieses Geheimnis, das nur gelegentlich angedeutet wird, macht die Figur so interessant. Es sind diese toll ausgearbeiteten Charaktere, mit denen man mitfiebert und weniger der eigentliche Kriminalfall und die skrupellosen Akteure darin. Die Mordserie basiert zwar auf Rache, aber nicht wie man ursprünglich annehmen mag an einem Kinderschänder, vielmehr handelt es sich um einen großen Skandal, der in der Vergangenheit in der DDR seinen Anfang fand und bis in die Gegenwart reicht. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten, außer dass es ein unglaublich aktuelles Thema ist, in das sogar Mitglieder des LKAs involviert sind. Und so nimmt einen die Miniserie mit auf einem Ritt, bei dem auch der eigene moralische Kompass neu ausgerichtet wird.
Das Drehbuch zur komplexen Geschichte stammt von Buchautor Holger Karsten Schmidt selbst und Regisseur Andreas Herzog hat die packenden Thriller-Elemente mit den dramatischen Figuren zu einem gelungenen Gesamtwerk zusammengeschnürt. Der mit dem Grammy ausgezeichnete Komponist Martin Tingvall verleiht den Bildern und der Geschichte mit seiner, an moderne Western erinnernden, Score eine zusätzliche Ebene. Mit wenigen Ausnahmen, wie etwa einem etwas kitschigen Popsong in der Schlusssequenz, wird hier eine Rund um stimmige Serie präsentiert.
„Die Toten von Marnow“ ist als Miniserie mit acht Folgen in der ARD-Mediathek abrufbar und in Spielfilmlänge am 13./17./18. März um 20:15 Uhr im Ersten zu sehen.
Bilder: ARD
Im Prinzip bräuchte wirklich jeder Charakter in dieser Serie ein Psychotherapie. So viele Menschen auf einem Haufen, die alle irgend wie „meschugge“ sind, ist anstrengend anzuschauen, und unglaubwürdig, weil zu konstruiert. Dein Lob teile ich wirklich nicht.
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