Die vierte Staffel kommt heute raus und das ist mehr als ein Grund, Euch von meiner heimlichen Liebe zu dieser Serie zu berichten. Denn diese Serie ist irgendwie anders als all die anderen. Sie ist leichter und auch nicht gerade das, was ich realistisch nenne. Sie hat eine gewisse Oberflächlichkeit und spielt mit den unterschiedlichen Charakteren. Aber sie hat es geschafft, dass ich mich in sie verliebe. Vielleicht weil in vielen, kleinen Details, Wesenzügen und Verhaltensweisen ein Stückchen Jessie steckt.
Seriensteckbrief
Genre: Comedy
Staffeln: 4
Folgen pro Staffel: 13
Ausstrahlung: Mai 2015 – Januar 2018
Verfügbar auf: Netflix, Amazon, Google Play
Am Anfang kommt die Scheidung
Es beginnt alles damit, dass Grace Hanson (gespielt von der nicht-alternden Jane Fonda) und Frankie Bergstein (die wunderbare Lily Tomlin) von ihren Ehemännern in ein Restaurant zu einem gemeinsamen Essen eingeladen werden. Dabei eröffnen ihnen die beiden Männer, dass sie sich scheiden lassen wollen. Und dass sie schwul sind. Und dass sie die beiden Frauen schon seit 20 Jahren mit dem jeweils anderen Mann betrügen. Und dass sie nun endlich – jetzt ist es eben möglich – heiraten wollen.
Völlig geschockt von dieser Aussage nach 40 Jahren Ehe in einem Alter von knapp 70 Jahren einfach so fallengelassen zu werden, schnappen sich die beiden Frauen ihre Sachen und verkriechen sich im gemeinsamen Strandhaus. Ganz zum Leid der jeweils anderen Dame – denn wie erwartet, könnten sie nicht unterschiedlicher sein. Grace ist eine kühle, manipulative Geschäftsfrau mit Hang zum Alkohol und Frankie eine vegetarisch lebende Alt-Hippie-Dame mit viel zu vielen Emotionen.
Herz versus Verstand
Und da beginnt der Spass. Denn im Gegensatz zu anderen Serien, wird diese gegenteilige Beziehung nicht der Reibungspunkt Nummer eins. Sondern die beiden nähern sich immer mehr an, nehmen die Verhaltensweisen der jeweils anderen wahr und verstehen, dass sie manchmal auch ganz nützlich sind. Herz vs. Verstand. Rational vs. Emotional. Verarbeitung statt Verdrängung. Liebe statt Wut. Darüber reden und zuhören, statt es im Alkohl zu ertrinken. Es wird eine wunderbare, liebevolle Freundschaft draus mit ihren Höhen und Tiefen. Aber nicht nur das zeichnet diese Serie aus.
In diesem seltenen Fall empfehle ich auch sehr die deutsche Synchronisation. Sie lässt bei den Nebencharakteren in der dritten Staffel etwas nach, aber sie ist deutlich wärmer und freundlicher als das englische Original. Ich habe es erst auf deutsch und dann auf englisch weiter geschaut. Und es hat dadurch viel Charme eingebüßt. Deswegen schaut es Euch auf deutsch an – hier haben die Synchronstimmen ganze Arbeit geleistet und der Serie noch ein Stück mehr Seele und Liebe gegeben.
Es ist die gesamte Familienkonstellation. Denn der wunderbare Martin Sheen in der Rolle des Robert Hanson spielt wunderbar mit Sol Bergstein (Sam Waterston) das ältere Liebespaar. Das nach all diesen Jahren der Lügen und des Versteckspiels endlich frei lieben kann. Und dabei lieben sich die beiden wirklich süß. Nicht schmalzig. Nicht zuviel. Sondern gerade richtig. Ich nehme es ihnen komplett ab. (Und da kann sich der Sohn Charlie wirklich noch jede Menge Scheiben abschneiden).
Und auch die Beziehung der Ehemänner zu Ihren Ex-Frauen ist toll gezeichnet. Die tiefe Freundschaft zwischen Frankie und Sol, die sich wirklich jeder in seiner Ehe wünscht. Und die kühle, aber doch irgendwie mit Liebe garnierte Beziehung zwischen Robert und Grace. Und wie schwierig es ist, nach so vielen Jahren der gemeinsamen Zeit auf einmal ohne den anderen zu sein. Und dem anderen seine Grenzen und seinen Freiraum wiederzugeben und zu lassen. Sich mit ihm zu freuen. Aber auch die Wut über die Situation zu verspüren.
Endlich mal kein Rosenkrieg
Diese Serie nimmt alle Gefühle und sammelt sie ein. Gibt ihnen Raum und lässt sie sein. Und zeigt eben auch das unperfekte Menschendasein. Die Charaktere sind traurig, verliebt, glücklich, wütend, verwirrt und ganz sicher. Es ist von allem was dabei und jedes Gefühl darf gezeigt werden und wird verarbeitet. Dafür sorgt alleine schon Frankie.
Es gibt keinen Rosenkrieg. Es gibt keinen Hass. Es gibt Wut. Und es gibt unschöne Momente. Aber es gibt auch wieder das Glück. Und vor allem gibt es das Verständnis, dass allein sein zu zweit meist schöner ist. Denn endlich haben beide Frauen gefunden, was sie vorher anscheinend nie so richtig hatten – eine Freundin fürs Leben.
Und gerade die kleinen Rituale von Frankie, die Zusammenkünfte der gesamten Familie Bernstein und auch das Miteinander der beiden Familien sind so schön zu betrachten. Denn es ist diese liebevolle, verständnisvolle Art von Frankie und ihrer Familie, der Wunsch über alles zu reden, die gerade heute – in unserer Gesellschaft – so wichtig sind. Denn viel zu oft werden Gefühle und Gedanken weggeschoben, weil sie stören. Aber Frankie lässt das nicht zu.
Frankie ist Graces Gewissen und passt auf sie auf. So wie Grace immer wieder für Frankie sorgt, wenn es um Pläne und Strukturen geht. Denn keiner kann so gut organisieren wie Grace. Und so ergänzen sich Herz und Gewissen immer ein bisschen mehr. Und zeigen uns – auf ein Neues – dass nicht eins von beiden alleine existieren kann. Es ist das gesunde Miteinander, was uns glücklich macht und was wir brauchen. Nicht nur Herz oder Kopf. Beides im Einklang…
Ist nicht für jeden etwas – gut so!
Ich weiß, dass diese Serie sicher nichts für jeden ist. Denn man sieht älteren Frauen in verrückten Situationen zu. Aber bei mir geht es nicht ums Alter. Es geht um die Charaktere. Um die Emotionen. Um den Umgang mit Schwulen. Denn sie werden liebevoll dargestellt, aber es gibt eben in allen Momenten auch Gewissenskonflikte.
Wer bis hier gelesen hat und denkt, dass klingt doch alles ganz spannend, sollte reinschauen. Für alle anderen sage ich lieber – lasst es. Es ist eben nicht für jeden etwas und für manche wird es nicht mehr sein als ‚The Big Bang Theory‘. Und das ist gut so. Aber für mich ist es eine kleine Liebesgeschichte. Weil ich mich in so vielen Momenten und Kleinigkeiten wiederfinde. Sei es von Grace, aber vor allem von Frankie. Und weil ich einfach wirklich oft laut gelacht habe… Und weil diese Serie mich mit einem glücklichen Herzen zurücklässt.
Sie nimmt mein kleines Herz, packt es in eine kuschelige Decke, reicht ihm einen Kakao und umarmt es. Und lässt es erstmal nicht mehr los…
Ich kann nur zustimmen.. Ich finde die Serie toll, obwohl es eigentlich garnicht mein Genre ist. Aus den bereits genannten Gründen, aber auch aus einem anderen, wie ich finde, wichtigen Grund. Denn es zeigt, dass die Menschen in jedem Alter zu allen möglichen Gefühlen fähig sind. Warum soll ein Mensch mit 70 oder 80 keine Schmetterlinge mehr im Bauch haben? Gibt es dafür eine Altersgrenze? Warum soll ein Mensch in dem Alter nicht unsicher sein, weil man dem gegenüber nicht in Kopf sehen kann? Warum soll ein Mensch in dem Alter nicht begeisterungsfähig sein und neugierig? Das könnte man nun endlos weiter führen. Eins steht aber fest, die meisten von uns kommen in so ein Alter und ich wünsche mir, dass möglichst viele in der Lage sind, die volle Palette des Menschseins mit allen Gefühlen zu erleben und sich vor allem derer nicht schämen.
In diesem Sinne Liebe Grüße von einer fast 51 Jahre alten Deidree
Hallo Deidre,
es freut mich sehr, dass Dir die Serie genauso ans Herz geht wie mir. Und ja – was Du schreibst wird gerade in den letzten Staffeln immer deutlicher.
Ich wünsche mir, dass ich im Alter so witzig und mutig bin wie die beiden. Und nicht irgendwann aufhöre zu fühlen oder zu leben. Denn das macht die Serie aus – dass es einfach Spass macht, Ihnen dabei zu zu sehen. Und dass es eben nicht leichter wird, aber das Leben immer das ist, was man draus macht. (Leider ist an den Kalendersprüchen viel zu häufig was dran;) )
Danke für Deine Worte und dann freuen wir uns einfach gemeinsam auf die nächste Staffel, die im Januar 2020 kommt!! Juhu!
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