Zwischen den Jahren bin ich auf eine Neflix Serie gestoßen, die seit einigen Tagen die deutsche Presselandschaft beherrscht. Ok, Teile davon. Aber man kommt derzeit wohl kaum ohne den Hinweis auf diese Netflix Dokumentation durchs virtuelle Leben, an allen Ecken hört man die gleiche Geschichte – jeder Onlineableger der großen Medienhäuser hat mindestens einen Artikel zu der Serie, die einfach nur wütend macht: „Making A Murderer“. Netflix hat sich nicht etwa eine fiktionale Geschichte ausgedacht, die in Form einer Dokumentation mit Interviewschnipseln, Zeitungsausschnitten und Bildern vom Tatort etc. aufwartet, nein, Netflix schildert ähnlich realistisch wie der Serial Podcast eine wahre Geschichte.
Es ist die Geschichte von Steven Avery, der 18 Jahre unschuldig im Gefängnis saß und erst durch die nun zur Verfügung stehende DNA Technologie seine Unschuld, die er immer beteuert hat, beweisen konnte. Avery soll eine Frau vergewaltig haben, die Gemeinde, die Polizei, die Justiz war von seiner Schuld von Anfang an überzeugt. Fakten, die nicht ins Bild passten, wurden nicht angehört, man nahm nur Indizien wahr, die ins vorbereitete Bild passen und so scheinbar „wie von Geisterhand“ ein Puzzle vervollständigen, welches am Ende die Schuld Averys beweisen sollte.
Nur das dieses Puzzle eben nicht der Wahrheit entsprach. Avery kommt aufgrund neuer, DNA gestützter Beweise nach 18 Jahren auf freien Fuß. Und verklagt die Polizei aufgrund ihrer eklatanten Fehler in der Ermittlung und Beweisführung. Was dann passiert, ist eigentlich unglaublich. Wäre es eine fiktionale Serie, man würde nicht zu Unrecht andeuten, dass hier die Autoren etwas übers Ziel hinaus gestürmt sind mit ihrem pseudorealistischen Ansatz. Nur wir dürfen nicht vergessen, dass wir hier eine komplett realistische Geschichte nacherzählt bekommen, eine Geschichte, die immer noch nicht abgeschlossen ist.
Das was dann passiert, will ich hier gar nicht beschreiben. Ich wusste es beim Schauen nämlich auch nicht und war geschockt. Sprachlos. Und dieses beengende Gefühl, diese Wut, dieser Unglaube, ja, diese Hilflosigkeit, die man stellvertretend für die Familie Avery fühlt, sollte jeder selber am Körper spüren und erleben. Daher würde ich allen Interessierten vorschlagen, lest vor dem Genuss der zehn Folgen keine Reviews (sowieso nicht), keine Zeitungsartikel und schaut euch am besten, wenn überhaupt, den Trailer nur bis Minute 1:35 an. Ich weiß das ist hart, aber macht das einfach mal. Denn die Geschichte die da erzählt wird, hat derartige Twists und Aufreger, die hätte eine Anthologieserie wie „True Detective“ (Staffel 1) nicht besser umsetzen können.
Und man darf dabei nicht vergessen, das ist alles echt was man da sieht. Irgendwann wird dann auch bei Euch die Frage, ganz tief im Hinterkopf, immer mehr Gestalt annehmen: „Kann mir das hier in Deutschland auch passieren?“. Natürlich würde man instinktiv und aus Eigenschutz antworten, natürlich nicht. Aber im Unterbewusstsein regt sich ein kleiner Zweifel. Auch in Deutschland saßen schon Unschuldige im Gefängnis. Warum sollte es gerade dich nicht treffen?
Das Format der Serie ist nicht auf Hochglanz poliert, wie gesagt, wir haben hier eine Dokumentation, wie man sie schon unzählige Male bei N24, Phoenix und Co gesehen hat. Es gibt eine Kommentarstimme, wir sehen Interviewschnipsel, Bilder, Zeitungsausschnitte, Telefongespräche und Videoaufzeichnungen der Polizeiverhöre. Alles absolut authentisch weil real. Grundlage für die Dokumentation sind fast 700 Stunden Filmmaterial, zwei Filmstudentinnen haben Avery, seine Familie und den Prozess begleitet. Man sieht Szenen aus dem Gerichtssaal, Stellungnahmen der beteiligten Anwälte, Anwohnerstimmen. Und ja, zwischendurch ist es manchmal sehr mühsam und vielleicht einschläfernd. Aber das ganz ist wahr.
Und das was man da nach und nach über die Polizei, die Justiz und die Anwälte erfährt, ist haarsträubend. Je weiter die Story voranschreitet, umso unglaubwürdiger wird sie.
Nach dem Erfolg des Serial Podcast über den Mord an einer Jugendlichen (erste Staffel) und der HBO Dokumentation „The Jinx“ über den Geschäftsmann Robert Durst kommt nun Netflix mit „Making A Murderer“ – und steht dem im Nichts nach. Ich würde sogar sagen, lässt diese im Schatten zurück.
Nach dem Genuss der Serie kann man sich dann in unzähligen Foren, über Zeitungsartikel, bei Reddit und so weiter und so fort über diesen Fall weiter informieren. Denn, wie gesagt, die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Als Außenstehender kann man sich so sehr nah und direkt mit dem Prozess beschäftigen, eintauchen in das Gewirr von Justiz, Polizei, Täuschung und der eigenen Sprachlosigkeit.
Aber man darf dabei nicht vergessen, wie würde man sich fühlen, wenn man selber für etwas angeklagt wird, was man definitiv nicht begangen hat. Das muss sehr schrecklich sein.
Leider auch schrecklich interessant. Eine große Anschauempfehlung meinerseits, am besten wie oben kurz beschrieben ohne Vorkenntnisse. Aber auch wer schon ungefähr weiß, wie sich die Story seit 2005 weiterentwickelt hat, wird seine Freude an dieser Dokumentation haben.
Fotos: Netflix
Klingt interessant… muss ich mir definitiv mal anschauen. Danke für den Tipp!
Gerne – schaust du es dann „analog“ zu meiner Gebrauchsanweisung (lässt dich also überraschen oder besser gesagt verwirren und verstören) oder weißt du schon, was seit 2005 passiert ist?
Nein weiß ich noch nicht. Ich lass mich überraschen. :)
Sehr schön (für mich) und hoffentlich sehr „anstrengend“ und verstörend für dich. Also im positivem Sinne eines TV Erlebnisses.
Mich würde mal interessieren, wie du es erlebt hast, von daher würde es mich freuen, wenn du nach dem Genuss der zehn Folgen hier noch mal kurz etwas schreibst.
Also wie du die Phase nach 2005 empfunden hast, nach dem du nach und nach gemerkt hast, was passiert und was sich anbahnt.
Werd ich machen… und evtl. dann auch drüber bloggen. ;)
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