Ich muss euch etwas peinliches beichten. Ich habe eine für mich neue Serie über das lineare deutsche Fernsehen entdeckt. Jaha, shame on me. „ProSieben“ war es dazu auch noch, immerhin eine Free-TV-Premiere. Aber etwa zu Folge 6 der ersten Staffel habe ich erst über einen Programmhinweis in einer Werbepause davon Wind bekommen. Wir fanden es interessant, wenige Wochen später stecken das Lieblingsmädchen und ich irgendwo in Staffel 4 und inmitten eines Netzes aus Lügen und Generationskonflikten. Den Serientipp möchte ich aber gerne bereits jetzt abgeben, solange man die Folgen der ersten Staffel „Younger“ noch in Gänze auf ProSieben.de streamen kann. Ansonsten ist die erste Staffel auch über maxdome zu beziehen.
Was ist „Younger“?
2005 hat Pamela Redmond Satran einen Roman namens „Younger“ (Partnerlink) veröffentlicht. Zehn Jahre später startet die Serie beim amerikanischen Bezahlfernsehsender TV Land. Aktuell läuft dort die fünfte Staffel, eine sechste ist bereits bestellt.
Star der Serie ist Liza Miller, eine 40-jährige Mutter inmitten einer Scheidungsphase. Ihr Ziel, wieder in ihren alten Job als Herausgeberin einzusteigen, scheint illusorisch, weil die fast zwei Jahrzehnte „Hausfrau und Mutter“ im Lebenslauf machen sich nicht gut. Also ändert sie kurzerhand ihren Lebenslauf und bewirbt sich als 26-jährige in einem Verlagshaus. Diese kleine formale Schummlerei wird natürlich mehr aufgebauscht als Wimpern von Mitzwanziger-Partygirls am Samstagabend, so dass sich das Lügennetz mehr und mehr verdichtet und Liza in Probleme gerät. Denn irgendwie mag sie ihre zweite Jugend verdammt gerne. Sie lernt, was Hashtags sind, hat einen heißen neuen Liebhaber und darf scheinbar jeden Rotz an „Fashion“ tragen.
Wieso sollte man „Younger“ sehen?
Natürlich ist die Ausgangsstory ein bisschen an den frisch gehighlighteten Haaren herbei gezogen. Dass sie so gar keinen Job bekommt und dann als Assistentin erneut ganz unten beginnt, ist genauso konstruiert, wie so einige Entwicklungen in der Serie. Aber geschenkt – hier geht es um Unterhaltung. Und die ist gegeben und vor allem „Paar-passend“. Man kann die Serie wunderbar mit der liebsten Person an seiner Seite schauen. Sie überzeugt man damit, dass es viel Girly-Zeug in der von den „Sexy And The City“-Machern umgesetzten Serie gibt, ihn mit der Lüge, den kulturellen Anspielungen und Parties, Sex und Lesben. Oder so.
Mir gefällt vor allem ab Staffel 2, wie gut die Dialoge geschrieben sind und wie viel Generations-Diplomatie betrieben wird. Bei „alt“ wie „jung“ (letztlich trennen die Welten in der Lüge ja lediglich 14 Jahre) wird sich über Klischees lustig gemacht, aber auch Werte-Pflege betrieben. Nicht alles ist schlecht, was „die Jugend von Heute“ verzapft und so ein paar klassische Werte haben doch auch ihre Daseinsberechtigung. Dazu bekommen bekannte Literaturpersönlichkeiten wie George R.R. Martin (der aber sowas von!) ihr Fett weg und es wird auf den modernen Medienwandel bzw. das Wegsterben gedruckter Inhalte eingegangen. Dazu gefällt mir die authentische Art, in der sich die Charaktere geben. Die Gespräche wirken nicht über-vorgeschrieben, die Verhaltensweisen zwar amerikanisch, aber ständig so totaaaal drüber, das man abschalten möchte.
Hauptdarstellerin Sutton Foster war übrigens zu Beginn der Serienausstrahlung analog zu ihrer Figur 40 Jahre alt geworden. Auch wenn man als Zuschauer hier und da meint, das müsste man doch erkennen können, dass die Hals- und Augenpartien keine Mitte Zwanzig mehr sind, geht Foster auf jeden Fall als deutlich jünger durch. Passt. Am bekanntesten im Cast dürfte ansonsten Hillary Duff als Artbeitskollegin und beste Freundin Kelsey Peters sein. Aber auch abseits dessen weiß der Main Cast sehr zu überzeugen. Miriam Shor spielt eine wunderbar unnahbare Hochnäsin von Chef-Dinosaurier, Peter Hermann als charismatischer Traummann, der alles erreicht zu haben scheint, Debi Mazar die homosexuelle und alternative Künstlerin und Nico Tortorella scheint seinem Moviebase-Profilbild nach zu urteilen auch in Wirklichkeit ein verdammt cooler Typ zu sein, der Mancrushes weltweit auslösen dürfte (und mich stimmlich immer wieder an Aaron Paul bzw. Jesse Pinkman erinnert hat).
Fazit
Ich kann wie gesagt noch nichts über die neueren Episoden sagen, aber bis zur Mitte der vierten Staffel macht „Younger“ verdammt viel Spaß. Die Folgen sind mit rund 20 Minuten und die Staffeln mit jeweils lediglich 12 Episoden überschaubar und schnell „weggeschaut“. Dennoch war für uns beim Schauen bereits zum Ende von Staffel Eins fraglich, wie lange man die Grundstory ausdehnen kann. Sechs Staffeln wirkt für mich noch unnormal lang, bereits jetzt drehen sich so einige Entwicklungen im Kreis, Liebesdreiecke hier, überzogene Trennungs-Geschichten dort und die Anzahl an Situationen, wo Liza im Fernsehen „DAS wäre doch jetzt wieder ein Moment gewesen, die Lüge offenzulegen!“ von mir gesagt bekommt, ist bereits jetzt zahlreich. Aber würde sie sofort beichten, wäre die Serie ja auch bereits nach vier Folgen vorbei gewesen.
Und so werde ich weiterschauen, wie Liza sich in absurde Situationen bringt, weil sich die Welt seit ihren Mitzwanzigern scheinbar komplett verändert hat, sie Lügen-Gebilde zum Einsturz bringt oder einfach nur auf ihre charmante Art irgendwas anstellt. Mit meinen 32 Jahren liege ich ja mitten zwischen diesen „Generationen“ und kann mir so einiges abgucken. Oder bin ich gar das Beste aus beiden Welten? Bestimmt. Letztlich zeigt die Serie auch, dass beide Welten zusammenkommen sowie sich lieben und schätzen lernen können. Das wird genauso hochgehalten, wie die Tatsache, dass man sein Leben formen und die Richtung ändern kann, die einem gefällt. Man ist letztlich nur so alt, wie man sich fühlt.
Younger Staffel 1 Trailer
Weil Bewegtbild ja dann doch immer noch einen besseren Ersteindruck verschafft, hier noch der Trailer zur Debütstaffel von „Younger“ – inklusive clickbaity Vorschaubild, das die alten Werte mit jungen Füßen tritt, wie sich das heutzutage im hippen Netz gehört:
Dieser Serientipp macht lust. Vielleicht schaue ich auch mal rein, da ich sie wegen der vielen Werbung auf P7 ohnehin schon in Erwäging gezogen hatte.
Sag gerne mal Bescheid, wie du es fandest. Und so bin ich wenigstens nicht der Einzige, der noch Neues für sich im alten Fernsehen entdeckt… ;)
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