Fast zwei Jahre ist es nun her, dass wir die letzte Episode der dritten und bisher letzten Staffel von „Sherlock“ genießen konnten. Wobei ich gestehen muss, dass ich die dritte Staffel erst deutlich später in der deutschen Synchronisation gesehen habe und nicht mehr dieses gehypte Gefühl am Ende der Staffel hatte, wie in den zwei Staffeln zuvor. „The Abominable Bride“ kann ein stückweit das alte Gefühl wiederbeleben, bei mir reiht sich dieses Special auf einer ähnlichen Wertung ein wie Staffel Zwei. Also knapp hinter der Premierenstaffel und deutlich vor Staffel Drei.
1895, London
Die Folge bringt uns erst einmal weit weg von den Geschehnissen am Ende der dritten Staffel, wie man überall vorher schon hören konnte, spielt die Folge dieses Mal im viktorianischen Zeitalter also zu den Zeiten des originalen Sherlock Holmes. Es dauert aber nicht allzu lang, bis man über Andeutungen erfährt, dass auch die Ereignisse aus 2014 hier eine Rolle spielen. Eine deutlich direktere Verbindung als man zunächst vermuten würde. Die Episode ist nämlich nicht nur eine alle Hüte ziehende Referenz an und vor dem originalen Stoff – sogar die Reichenbachfälle kommen am Ende vor – nein, wir haben hier eine die Handlung weiterentwickelnde Brücke zwischen Staffel drei und vier, welche 2017 über die Bildschirme flimmern soll.
Wir erinnern uns kurz: Sherlock sitzt im Flugzeug und soll außer Landes geschafft werden, Moriarty scheint von den Toten auferstanden und daraufhin wird das Flugzeug zurückbeordert.
Denn Sherlock hat noch einen „letzten Job“ zu erledigen. Wie kann es sein, dass Moriarty noch lebt, obwohl dieser sich in den Kopf geschossen hatte. Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen, denkt sich Sherlock und verschwindet, drogenunterstützt, in seinem mind palace. Er spielt in Gedanken einen unaufgeklärten Mordfall im viktorianischen London 1895 durch. Ladies and Gentleman: „The Abominable Bride“.
Worum gehts?
Im Jahre 1895 erschießt sich die unglücklich verheiratete Emilia Ricoletti noch an ihrem Hochzeitstag. Und zwar in den Kopf. Die Parallele zu Moriarty ist gegeben. Einen Tag später wird ihr Ehemann erschossen – von Emilia Ricoletti. So scheint es. Konnte Ricoletti den Tod überlisten und von den Toten auferstehen. Wie Moriarty? Sherlock glaubt nicht an eine übernatürliche Lösung sondern an gerissene Vertuschungsaktionen. Er möchte durch das Lösen dieses Falles in 1895 hinter das Geheimnis von Moriarty in 2014 kommen. So die Prämisse der Folge.
Der eigentliche Hergang der Täuschung ist jetzt nicht sonderlich kreativ, sie stirbt beim „ersten Mal gar nicht“, ist am Ende aber wirklich tot, um so die Legende der Ehemänner mordenden Geisterbraut eine faktensichere Grundlage zu geben. Ehemänner, die sich nicht gerade ruhmreich gegenüber ihren Ehefrauen verhalten haben. Eingebettet ist diese Geschichte nämlich in den Anfängen der Frauenbewegung, die hier allerdings eher sektenähnliche Ausmaße annimmt und sehr aggressiv auftritt. Wenn man so will. Sofern sie nicht als Geisterbraut Ehemänner ermorden, treffen sie sich nachts in einer Kirche, halten Messen ab und tragen dabei KKK ähnliche Zipfelmützenumhänge.
2016, Fazit
Soviel zum Inhalt der Folge. Die sehr großen Spaß macht und das zu einem Großteil der 90 Minuten. Es ist schön anzusehen, uns bekannte Personen eingebettet in das viktorianische Zeitalter zu beobachten und der Handlung zu folgen. Die Episode spart nicht mit Humor und spaßigen Dialogen, ist dabei aber über weite Strecken dramatisch, unterhaltsam und in ein paar Szenen auch recht spooky. Von Horror möchte ich natürlich nicht sprechen, aber die Szenen nachts mit der Geisterbraut im Anwesen eines bedrohten Ehemannes waren schon recht überzeugend.
Schauspielerisch hält der Cast natürlich sein hohes Niveau wobei es schon einen Unterschied macht, ob wir hier eine Szene mit Cumberbatch und Freeman sehen (als Beispiel) oder eine Szene mit Cumberbatch und Andrew Scott alias Jim Moriarty. Moriarty kommt in dieser Folge nämlich auch vor und es ist wunderbar anzusehen, Szenen mit diesen beiden Schauspielern zu verfolgen. Cumberbatch und Freeman ist Champions League, Cumberbatch und Scott ist aber das vorweggenommene Finale.
Zum Ende der Folge überlagern sich allerdings die beiden Zeitebenen und die Handlung springt vom 2014 nach 1895 und wieder zurück. Das gefiel mir dann irgendwann nicht mehr so gut, weil dadurch ein wenig der Fluss der Folge durchbrochen wurde. Da hat wohl der Zeitreisende in Moffat und Gatiss ein wenig die Führung im Drehbuch übernommen. Zudem wird am Ende angedeutet, dass wir uns ganz grds. in der falschen Zeit befinden. Sherlock könnte also durchaus in 1895 sitzen und sich durch seine Gedankenspielereien ins Jahr 2014 teleportieren. Eine schöne Idee und auch wenn mir die viktorianische Folge wirklich gut gefallen hat, denke ich nicht, dass irgendwann mal der Schleier gelüftet wird und wir genau das erkennen, dass wir in 2016 eigentlich das Hirngespinst eines drogenversumpften Mannes sind.
Gut gefallen haben mir die Referenzen an die Originalvorlage. So wie in den Büchern so führt uns zumindest am Anfang Watson aus dem off durch die Handlung. Auch die erste Begegnung zwischen Watson und Sherlock kam mir sehr bekannt vor, ziemlich ähnlich wenn nicht sogar genauso steht es in den Büchern. Die finale Szene am Reichenbachfall – beide stürzen aber natürlich anders als in den Büchern – fand ich dagegen irgendwie unpassend. Der Ort passte überhaupt nicht ins Setting und war reiner Fanservice ohne Sinnhaftigkeit für den Fall oder die Folge an sich. Allerdings, da man davon ausgehen kann, dass auch Moriarty wirklich tot ist – so wie die Braut letztendlich ja auch – war das wohl die letzte Möglichkeit, diese bedeutungsvolle Szene zwischen Moriarty und Sherlock noch mal zu verwenden. Ob man diese einmalige Chance nutzen musste, sei mal dahingestellt, ich empfand es als unpassend und unnötig reißerisch.
Auch der Hintergrund der Suffragetten wird hier aus meiner Sicht ein wenig zu reißerisch als historische Grundlage für den Fall in 1895 herangezogen und als Motiv verwandt. Zeitlich passt diese Untergrundgruppe mordender Frauen nämlich nicht ganz in die Historie der Frauenrechtbewegung. Auch die Methoden der Damen sind erst recht in jener Zeit absolut unpassend und historisch nicht belegt. In dieser Zeit bestand der Werkzeugkoffer jener Damen hauptsächlich aus öffentlichen Protestveranstaltungen, Hungerstreiks und Demonstrationen, was man in der zweiten Staffel von „Ripper Street“ andeutungsweise miterleben kann. Erst später kamen auch Gewaltanwendungen wie das Einwerfen von Schaufensterscheiben (Anspielungen gibt’s in einer Folge bei Mr Selfridge), Brandstiftung und am Ende sogar Bombenanschläge auf öffentliche Gebäude hinzu.
Also erst viel später als an der Schwelle zum 20.Jahrhundert. Das kann man natürlich übersehen, aber wenn man das Motiv der Morde so eng mit dieser historischen Gegebenheit verbandelt, dann hätte man dies aus meiner Sicht „passender“ und historisch „korrekter“ einbauen können, einbauen müssen.
Aber da wir hier keine Suffragettenserie vor uns haben, muss man das auch nicht allzu hoch bewerten. Die übertriebene Verschachtelung der Zeitebenen am Ende der Folge fällt da eher schon etwas negativer ins Gewicht. Auch die Lösung des Falles war jetzt nicht sonderlich herausragend. Zumindest wissen wir nun, dass Moriarty auch wirklich tot ist und Sherlock in den kommenden Staffeln wohl eher mit den von ihm lange im voraus geplanten Aktionen seiner Helfershelfer – hoffentlich nicht verkleidet in Zipfelmützenumhänge – zu kämpfen hat und nicht mehr mit dem Meister himself. Ein ganz schöner Aufwand für eine sehr einfache Erkenntnis.
Alles in Allem ist diese Folge „Sherlock“ natürlich weiterhin oberer Serienstandard und man darf gespannt sein, wie es in der vierten Staffel weitergeht.
Fotos: BBC
hab es danke eurem Spoilerschild nicht gelesen :) Ist schon ein Termin für die Ausstrahlung mit deutscher Synchro bekannt?
Nein, leider immer noch nicht. Ich tippe mal auf Ostern. :-)
Sitze immer noch an der zweiten Staffel, aber ich dachte, dass ich die Folge aufgrund der alternativen Epoche ohne Weiteres ansehen könnte. Darum wurde ich von den Ties zu Staffel 3 ziemlich überrascht – für mich hätte es auch eine Standalone-Story sein dürfen.
Den Gedanken hatte ich auch kurz im Review, dann wollte ich meinen mind palace aber etwas Einhalt gebieten, man hat ja so wenig Zeit heutzutage.
Mir hätte eine Standalone Folge völlig losgelöst von den drei Staffeln auch sehr gut gefallen. Natürlich ist der Zeitebenenkniff smart aber eine „rein“ viktorianische Folge ohne doppelten Boden hätte mir wahrscheinlich noch besser gefallen. Weil wenn man es ganz hart sieht, ist das u.U. keine Folge, mit der man neue Fans erobern wird, da zu viele Andeutungen und Referenzen auf die bisherige Handlung eingebaut wurden, klar, ist ja auch eigentlich die Fortsetzung, so dass Personen, die noch nicht so weit sind, die Folge nicht schauen werden oder gar nicht verstehen. Für den Fan, der up to date ist, ist die Folge Gold. Für alle anderen schwierig, da man eigentlich alle drei Staffeln kennen muss, um die Zusammenhänge zu verstehen. Allerdings muss man sich auch fragen, ob das überhaupt die Aufgabe von Gatiss und Moffat ist, darauf Rücksicht zu nehmen.
Aber eine losgelöste, echte Specialfolge,hätte wahrscheinlich beide Seiten abgeholt.
Ich dachte auch, es wäre komplett losgelöst und war dann (zunächst positiv, am Ende negativ) überrascht von den Verschachtelungen. An sich sehr schön, am Ende einfach zu viel des Guten. Aber insgesamt eine sehr gelungene Folge, was das Zusammenspiel der Figuren, die vielen netten Referenzen und den Unterhaltungsfaktor angeht. Komplexer und packender war es aber durchaus schon mehrfach, was Fall und Lösung angeht. Doof ist nur, dass wir nun wieder warten müssen… :/
Bin da bei euch, die Folge war gewohnt unterhaltsam und wieder mehr auf dem Niveau der zweiten Staffel. Die Aufklärung des viktorianischen Falls fand ich etwas ernüchternd, klar ohne DNS Tests und Co. kann man leicht tricksen. Der Erkenntnisgewinn für Moriarty tendierte dann auch gegen null, nun ja.
Ich bin allerdings froh, dass sie uns keine wilde Geschichte präsentieren wie Moriarty überleben konnte, das wäre etwas zu viel des guten gewesen.
Ich fand es mal wieder großartig! Dachte auch erst, dass es eine von allen anderen Staffeln losgelöste Folge wäre, fand es so aber um einiges besser. Allein dass es so viele Anspielungen auf vergangene Episoden gab, hat riesigen Spaß gemacht. Und dass es dann den tatsächlichen Zusammenhang gab, fand ich sinnvoll. Was mich als einziges gestört hat, waren einige Greenscreen-Aufnahmen, die mir in der Fülle dann ein bisschen zu künstlich wirkten. Aber alles in allem – ein Augen- und Ohrenschmaus :)
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