Casanoa Untold – Handlung
Giacomo Casanova, Schriftsteller und Abenteurer und vor allem Freund aller Frauen, steckt im Gefängnis und das schon eine ganze Weile. Seine letzte Romanze mit einer jungen Nonne war wohl zu viel des Guten für die Obrigkeit Venedigs, so dass er gefangen gesetzt wurde und nun im Kerker nur noch die Flöhe erfreut. Ein alter Fahrensgefährte kann Casanova allerdings aus dem Gefängnis befreien. Scheinbar in der Einsamkeit des Kerkers zur Besinnung gekommen, möchte Casanova von seinem alten Leben Abschied nehmen und in Paris neu anfangen. Er möchte seinen Lebensfokus mehr in die Schriftstellerei verlagern und nicht mehr seine sagenumwobene Zunge in den Schoß williger Frauen.
In Paris selbst hat er noch ein paar Freunde aus seiner Vergangenheit, bei denen er Unterschlupf und Unterstützung finden kann. Die wichtigste Person ist hier klar Francois-Joachim de Bernis, ein Minister und Berater des Königs Ludwig XV. In die Gunst des Königs kam Bernis durch die Unterstützung von Jeanne-Antoinette Poisson oder besser bekannt als Madame de Pompadour, der Mätresse des Königs. Ob Bernis hier Fähigkeiten angewandt hat, die er bei Casanova in Vendig gelernt hat, wird nicht erwähnt oder gar angedeutet, aber zumindest wird in einigen Szenen klar, dass Bernis mehr als nur ein Freund Casanovas ist, mehr ein Seelenverwandter. Und Bernis ist es auch, den Casanova bittet, ihm eine seriöse Anstellung zu besorgen. Die amüsierten Hinweise Bernis, er könne doch wie immer seinen Charme ausspielen und sich von gelangweilten aber wohlhabenden Frauen aushalten lassen, schlägt Casanova aus. Er möchte wirklich einen Wandel in seinem Leben.
Und in der Tat hat Bernis auch schon Pläne mit seinem alten Freund. Allerdings hofft Bernis eher auf die bekannten Fähigkeiten Casanovas. Seine einstige Unterstützerin wird aus der Sicht Bernis zur Belastung, da Madame de Pompadour einen zu großen Einfluss auf den König hat, er deutet sogar an, dass der gegenwärtige Krieg mit England, der die Kassen des Landes geplündert hat, allein auf den Vorstellungen der Mätresse basieren soll. Sie muss weg vom französischen Hof, die Frage ist nur: Wie?
Und hier soll Casanova seinen Charme spielen lassen. Allerdings bemerkt er recht schnell, dass die Dame ein anderes Kaliber ist. Sie ist ihm ebenbürtig, wenn man so will, sind beide ja vom selben Schlag. Geboren als einfacher und mittelloser Bürger und durch Schönheit und Einfühlungsvermögen nach oben gekommen um sich in der höchsten Gesellschaft einzunisten. Wobei de Pompadour mit dem König natürlich den Jackpot gezogen hat, was sie nun schützt, da sie es versteht, die eigentliche Königin nicht allzu sehr zu kränken und ihre Gefolgsleute intelligent im Verwaltungsapparat des Landes zu verteilen und mit gut dotierten Posten zu versorgen. Dies sichert Loyalität. Und ein Stück Unangreifbarkeit.
Aber sie hat eine Schwäche, wie sie alle Mätressen vor ihr hatten und auch nach ihr haben werden. Ihr Alter. Und an dieser Stelle will Casanova ansetzen um die Tochter einer Freundin als „vermeintliche“ Konkurrenz in Stellung zu bringen. Eine junge Dame, die Casanova selbst sehr gut gefallen würde.
Bewertung
Das große Problem von Diego Luna und den Produzenten von „Casanova Untold“ aber auch gleich ihr größter Faustpfand dürfte in der Figur des Giacomo Casanova zu finden sein. Aufgrund von unzähligen Filmen aber auch Büchern dürfte ein gewisses Bild dieses Mannes aus dem 18.Jahrhundert in jedem von uns vorherrschen. Diese interessante reale Persönlichkeit hat bereits zu seinen Lebzeiten die Fantasie seiner Mitmenschen beflügelt und für eine, seine eigene Legendenbildung gesorgt. Diesem inneren Erwartungshorizont in jedem Zuschauer muss der neue Casanova, also Luna, erst einmal standhalten, um es dann zu „zerstören“, um es wieder im seinem Sinne neu aufbauen zu können. Denn jeder Schauspieler dürfte diese Figur anders auslegen. Je nach Stimmung des Filmes oder der Serie. Dafür schweben aber bereits nur bei der Erwähnung seines Namens hunderte Geschichten durch den Raum, die die Autoren gar nicht erst erwähnen müssen, da sie es beim Großteil des Publikums voraussetzen können. Der Hintergrund der Figur ist also an sich schon gesetzt, ohne, dass auch nur eine Minute der Folge verstrichen ist.
Der reale Giacomo Casanova ist für die Serie so etwas wie Bryan Cranston für „Sneaky Pete“. Er soll als Apetizer dienen und mit seinen Geschichten und Affären die Massen interessieren, unterhalten und in seinen Bann ziehen. Bei Cranston ist es die Erwartung beim Zuschauer hinsichtlich einer Performance ähnlich wie als Walter White, bei „Casanova Untold“ die Lust des Zuschauers am Voyeurismus.
Dieses sichere Gefühl eine interessante Story zu haben und darüber hinaus auch noch die Fantasie der Zuschauer anzuregen, führte scheinbar die Autoren dazu, bei ihrem Protagonisten lediglich an der Oberfläche zu kratzen. Man erfährt zwar in einem sehr schnell geschnittenen Überblick ganz zu Beginn der Folge ein wenig über seine letzten Affären, was Casanova ins Gefängnis gebracht hat, seinen Sinneswandel im Gefängnis selbst erklärt man nicht. Luna erzählt zwar seinen Freunden immer wieder, dass er sich ändern will und es Leid ist, nur auf das Talent seiner Zunge reduziert zu werden, aber wirklich überzeugen kann er damit auch seine Serienfreunde nicht. Auch Luna bleibt nur oberflächlich.
Für den Zuschauer wird so nicht ganz klar, was denn nun sein eigener, inneren Antrieb ist. Und somit erschweren sich Luna und die Produzenten das Leben selbst, denn ein persönlicher Zugang zur Figur ist somit nur schwerlich möglich. Klar, Luna spielt seinen Casanova recht modern, listig und intelligent. Auch ein humorvolles Augenzwinken hier und da darf nicht fehlen. Aber leider deutet Luna das Potenzial dieser Figur im Piloten nur an.
Zudem wird nicht klar was nun sein eigentlicher Plan mit der Pompadour ist, man kann es nur erahnen. Hat er es wirklich auf die Tochter seiner Freundin abgesehen als potenzielles Ziel der neuerlichen Begierde des Königs? Das ist für einen Piloten recht logisch, will man die Handlung der folgenden Staffel nur anteasern, in diesem speziellen Falle der erfolgskritischen Wertung aber eher ungünstig. Allerdings trägt dieses erotisch angehauchte Intrigenspiel auch ein großes und unterhaltsames Potenzial mit sich, was der ein oder andere Zuschauer bereits jetzt schon unter all der Schminke erkennen kann und in einer kompletten Staffel verfolgen will. Die Kommentare bei Amazon sind nämlich überraschend positiv.
Schauspielerisch kann Luna absolut überzeugen und sein Casanova wirkt dennoch sehr sympathisch. Aber man leidet noch nicht mit ihm, auch wenn man ihn als gebrochenen Lebemann inszenieren mag. So versteh ich zumindest den Grundansatz der Geschichte. Die Beziehungsbanden zwischen uns müssen aber erst noch geknüpft werden. Einige Szenen haben zudem wie erwähnt einen gewissen Spritzer Humor, den Luna gut rüberbringen kann. Star der Pilotfolge ist aber die pompöse Ausstattung des Sets und die Kostüme der Schauspieler, das prächtige Paris, wenn auch nur angedeutet, und natürlich die immer im Hintergrund mit wabernde Geschichte des realen Casanova. Ein großer Schwerpunkt der Pilotfolge ist ansonsten dem Voyeurismus des Zuschauers und der Zurschaustellung nackter weiblicher Haut gewidmet. Und allerlei anderer sexueller Spielarten jener Zeit. Ich vermute, dass dies in einer potenziellen Staffel weniger Gewicht bekommen könnte, denn die eigentliche Geschichte, dieses angedeutete politische Ränkespiel, in das Casanova da geraten ist und in das er seine Fähigkeiten einbringen kann, verspricht eine unterhaltsame Story.
Ein Spiel voller Intrigen am Hofe Ludwig XV – im Mittelpunkt Bernis, de Pompadour und Casanova. Ach das wäre doch mal herrlich.
Die restlichen Schauspieler erledigen ihre Aufgabe recht ordentlich, Ben Daniels als Francois-Joachim de Bernis empfand ich noch als etwas zu blass – nicht nur wegen seine Schminke. Bojana Novaković dagegen spielt ihre Madame de Pompadour vorzüglich und es wird klar, dass diese Madame nicht zu unrecht auf jenem Stuhl sitzt, den der König höchstpersönlich für sie ausgesucht hat. Sie tritt aus meiner Sicht mit ihrer Mischung aus Arroganz, Machtbewusstsein und der Kenntnis der Intrige wirklich als angemessenen Konterpart zu Luna und seinem Casanova auf und beherrscht die Szenerie, wenn sie den Raum oder eher die Säale betritt.
Die grds. Story behagt mir deutlich mehr und ich sehe da ein großes Potenzial einer spannenden und unterhaltsamen Serie, etwas abseits vom Mainstream. Auch wenn es unzählige Casanovas vor und bestimmt auch nach Luna geben wird, dieser Casanova fehlt vielleicht noch in der medialen Sammlung. Für ein Hypekonzert war die Pilotfolge aber noch viel zu oberflächlich, erst recht im Bezug zur Hauptfigur. Dazu hätte man bereits in der Pilotfolge aus meiner Sicht mehr mit der potenziellen Aussicht auf Intrige andeuten sollen und müssen. Nackte Haut und spritzendes Blut – eine wirklich unappetitliche Szene mit vier Pferden und einem Delinquenten – reichen da nicht aus. Was schade ist.
Aufgrund des Potenzials der Serie einen wirklich interessanten Coup zu setzen habe ich die Pilotfolge etwas besser bewertet als „Sneaky Pete“, auch im Bewusstsein, dass die Wahrscheinlichkeit höher sein wird, dass „Casanova Untold“ nicht in Serie gehen wird.
Fotos: Amazon
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