Vielleicht liegt es an meinem Dasein als Serienkritiker, oder schlicht an meiner mittlerweile ein paar Jährchen andauernden Vorliebe für Serien, aber in letzter Zeit fällt mir immer häufiger auf, dass es immer weniger Überraschungen in Serien zu sehen gibt. Das wiederum dürfte an der schieren Masse an Produktionen liegen, die den Qualitätsschnitt nach unten ziehen und vor allem noch mehr um die Gunst der Massen kämpfen muss. Entsprechend muss man schnell und leicht zugänglich sein. Dabei fällt mir immer wieder schmerzlich auf, wie sehr man den Zuschauer*innen Informationen an die Hand gibt, damit diese auch ja alle mitkommen können…
Subtiles Foreshadowing statt grobe Andeutungs-Keule!
Das erste Mal mit dem Begriff „Foreshadowing“ bin ich im Zuge von Easter Eggs in Berührung gekommen. Wörtlich übersetzt bedeutet „Foreshadowing“ so etwas wie Vorahnung. Im filmischen Bereich sind damit kleine Andeutungen gemeint, die auf im späteren Verlauf der Handlung passierenden Ereignisse hinweisen. Zum Beispiel ein grünfarbiges Requisit im Hintergrund von Folge 2, das indirekt auf einen Ausflug ins Grüne in Folge 4 hinweiset. Doofes Beispiel, aber ihr versteht hoffentlich die Systematik. In der Regel nimmt man diese jedoch nur als solche wahr, wenn man weiß, was passiert. Entsprechend galten derartige Elemente lange Zeit als kleine versteckte Gimmicks, die Fans mit Freude entdeckt haben. Mit der Zeit und dem intensiven Austausch über das Internet folgten auch die wilden Theorien. Etliche Details werden vor allem bei großen Serien als mögliche Anhaltspunkte für zukünftige Entwicklungen herangezogen. Auch das finde ich super, lasst die Theorien sprießen und die Köpfe der Zuschauenden brodeln, das macht gute Serien aus! Aber mittlerweile haben die Serienschaffenden sich dieses Vehikel irgendwie zu eigen und damit echte Überraschungsmomente kaputt gemacht.
Vermutlich muss man unterscheiden, was noch ein subtiles Foreshadowing ist und was bereits eine handfeste Andeutung. Tut mir leid, dass ich da keine klare Grenze für euch ziehen kann und die Begrifflichkeiten mehr oder minder synonym verwende. Ich meine damit jedenfalls Momente, die die Aufmerksamkeit der Zuschauenden meiner Meinung nach zu deutlich auf Gegenstände, Figuren oder Orte lenken, so dass eine gewisse Erwartungshaltung aufgebaut wird, die es sonst nicht gegeben hätte.
Das fängt mit kleinen Dingen an, wie einem zu weit gezogenen Kameraschwenk, einer zu lange auf einer Sache stehen bleibenden Einstellung oder zu sehr in den Vordergrund gestellten Gegenständen. Wenn Figuren sich fleißig an einer Kiste bedienen und der abschließende Schwenk sekundenlang über dem „ACHTUNG: LEICHT ENTZÜNDBAR!“-Schild hängen bleibt, das unsere Truppe übersehen zu haben scheint, weiß man bereits, dass da was passieren könnte. Das finde ich auch noch in Ordnung, schürt es doch eine gewisse Spannungs-Situation. Schlimmer wird es aber, wenn offensichtlich Dinge eingeführt oder Entwicklungen angestoßen sind, die mit großer Sicherheit später noch eine Rolle spielen dürften. Wenn plötzlich eine der Statisten-Figuren einen größeren Auftritt hat, weiß man in der Regel, dass (mit) ihr noch etwas passieren wird. Zieht die Figur verwundert ein Taschenmesser aus der Jackentasche, fragt man sich nicht mal mehr, was das nun mit der Handlung zu tun haben wird – da wird mit Sicherheit noch was kommen! Spricht eine Figur eine nicht mal wirklich doppeldeutige Aussage aus, sondern eine, die ziemlich direkt auf bestimmte Entwicklungen anspielt, finde ich das nicht mehr charmant oder smart, sondern einfach nur noch unnötig.
Entweder dumm oder für dumm verkauft…
Weshalb da bestimmte Inszenierungen etwas offenkundiger gestaltet werden, ist natürlich klar. Allem voran, damit auch wirklich jede/r mit den Handlungen mitkommt. Wenn die Figur plötzlich mit einem Taschenmesser jemanden attackiert, mag man sich fragen, wo sie dieses her hat. Stirbt eine vermeintlich unwichtige Statistin, macht man keinen wirklichen Hehl daraus. Natürlich müssen Gegenstände, Handlungen und Figuren aufgeladen werden, um eine gewisse Wirkung beim Publikum hinterlassen zu können. Aber manchmal habe ich das Gefühl, man will nicht einfach nur auch jede „dumme“ Person da draußen abholen, sondern, dass wir Zuschauer als dumm verkauft werden.
Denn wenn der Grundsatz heißt, dass man es wirklich für jede/n verständlich machen muss, frage ich mich: wieso? Wieso kann man nicht ein bisschen Mysterium erhalten? Wieso darf man den Anspruch nicht mal etwas anheben? Klar, wenn ich eine Zeichentrickserie erstelle, die sich größtenteils an Kinder wendet, sollte das Thema nicht allzu hoch und die Handlung nachvollziehbar bleiben. Aber bei FSK16/18-Serien, die als fortlaufende Dramas zumindest versuchen, eine gewisse Komplexität zu erlangen? Da darf dann gerne auch mal etwas subtiler an die Sache herangegangen werden, finde ich.
Natürlich müssen tragende Informationen vermittelt werden, die das zukünftige Geschehen einordnen und eine gewisse Stringenz der Handlung etablieren. Aber manchmal ist es dann eben doch nur Foreshadowing. Also diese Vorahnung, die es inhaltlich eigentlich gar nicht benötigt, da das Zukünftige auch ohne funktioniert. Und dann wird aus dem netten Easter Egg halt nur noch ein plumper Spoiler. Als würden uns die „Previously on…“-Einspieler zu Beginn von Episoden nicht schon genug Gefahrenmaterial an die Hand geben… Daher macht es doch bitte mit Augenmaß und einer gesunden Dosierung. Damit der Großteil mitkommt, statt dass alle direkt wissen, worum es in der nächsten Folge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiter gehen wird.
Echte, gut geschriebene und entsprechend inszenierte Überraschungen gibt es nicht nur in Serien immer weniger, sondern meiner Ansicht nach auch im Kino.
Auf der einen Seite sicherlich eine Anbiederung an ein möglichst breitflächig anzusprechendes Publikum, aber andererseits sicherlich auch der fehlenden Kreativität der Drehbuchautoren zuzuschreiben.
Es gibt in dieser Hinsicht einfach zuviele Drehbuchstandards, die dann auch entsprechend häufig und routiniert eingesetzt werden.
„Wenn plötzlich eine der Statisten-Figuren einen größeren Auftritt hat, weiß man in der Regel, dass (mit) ihr noch etwas passieren wird.“
TWD ist echt der Meister darin :D
Ansonsten muss ich sagen, dass es einigen Serien auch gar nicht mehr so leicht gemacht wird. Die Kommunikation im Internet ist nur schwer zu schlagen. Bei GoT zum Beispiel gab ich gefühlt drölf Trillionen Theorien über alles und jeden, sodass eine Überraschung in dem Sinne immer schwerer wurde. (Auch wenn das Ende dann leider in anderem Sinne überrascht hat.)
Der Hang und Trend zur einfachen, nicht fordernden Kost nebenbei (Handy sei Dank) ist doch allgegenwärtig. Netflix ist der gefühlt der Meister.
Tiefgang für den Kopf ist doch gar nicht mehr gewünscht, vermute ich. Den Fehler sehe ich daher weniger bei den Produzenten als den Endnutzern.
„The Walking Dead“ war definitiv einer meiner Aufhänger für diesen Beitrag… ;)
Bin ich absolut bei dir. Bei mir kristallisiert sich inzwischen heraus, dass ich Serien eigentlich nur fortsetze, wenn sie mich überraschen oder wirklich unvorhersehbare Dinge passieren. Kann ich zwei oder drei Mal vorhersagen, dass dies und jenes passiert, schalte ich geistig schon ab. Ein weiteres Beispiel für schlechtes Foreshadowing (den Begriff kannte ich so noch nicht) ist die zu offensichtliche Besetzung von Rollen mit bekannten Gesichtern. Auch wenn der Auftritt zunächst nur beiläufig passiert, weiß man, die Figur muss aufgrund ihrer Gage noch eine Rolle spielen. Zum Abschluss aber noch zwei Serien, die es richtig gut gemacht haben (aufgrund ihrer schrägen Stories aber auch nicht unbedingt schwer): Watchmen und Lovecraft Country haben sich bis zur letzten Sekunde meine volle Aufmerksamkeit und Begeisterung verdient.
Danke für den Tipp mit „Lovecraft Country“! Hatte ich bereits auf der Liste, aber eher als „kann man ja mal schauen“, aber „Watchmen“ fand ich super, wenn das ähnlich gut sein soll, reizt mich das schon.
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