Am Dienstag ist in den USA die neue Serie von Sons of Anarchy-Schöpfer Kurt Sutter gestartet: The Bastard Executioner. Die Dramaserie, die im 14. Jahrhundert spielt, schlug direkt mit einer Doppelfolge in Spielfilmlänge auf. Große Erwartungen habe ich an die Serie. Nicht alle wurden in der ersten Episode erfüllt, aber einige.
Die Serie startet mit einem Traum des Protagonisten Wilkin Brattle, der ihn in eine Zeit zurückbringt, als er noch als Ritter für König Edward gekämpft hat. In einer brutalen Schlacht, die schonungslos die Gewalt der damaligen Zeit zeigt, überlebt er als einer der letzten Kämpfer bis auch er das Schwert des Feindes in seinem Körper spürt. Doch plötzlich holt ihn etwas zurück. Ein weiß-blondes Mädchen reicht ihm die Hand und versichert ihm:
„You have a destiny to claim. It is time to lay down the sword of battle.“
Als er ihre Hand ergreift, wird das vorher überwiegend in Grautönen gehaltene Bild plötzlich extrem gesättigt, als würde er die Essenz seines Lebens zurückerlangen und neue Kraft schöpfen.
Wenige Szenen später endet der Traum Wilkins. Zwischen seinem Ritter-Dasein und diesem Zeitpunkt liegen einige Jahre. Wir werden in sein bäuerliches Leben mit seiner hochschwangeren Frau Petra eingeführt. Es findet die übliche Exposition statt: Es wird gezeigt, wie glücklich die beiden zusammen sind, dass sie sich begehren und dass sie voller Freude ihr gemeinsames Kind erwarten. Natürlich muss dieses idyllische Bild früher oder später gestört werden, das ist klar. Doch bis dahin ist es noch einen Moment hin.
Als Gegenstück zur jungen und glücklichen Liebe, die ihre Vollendung im Nachwuchs findet, wird das Leben der Baroness Lowry Love gezeigt, die die Wut ihres Mannes, des Baron Ventris, über sich ergehen lassen muss, da sie ihm bis jetzt noch keinen Sohn, geschweige denn überhaupt ein Kind geschenkt hat. Sie scheint ein unerfülltes Leben zu führen – und so weicht die Farbe an dieser Stelle aus dem Bild, um in Schwarz-Weiß zum Vorspann überzuleiten.
Der Vorspann ist extrem ruhig gehalten: Mit dem Titelsong von Ed Sheeran unterlegt streift die Kamera langsam durch verschiedene Räume mit Folterinstrumenten, denen stets das Blut ihrer letzten Opfer anhaftet. Dieses macht den einzigen Farbtupfer in den sonst grau, fast schwarz gehaltenen Bildern aus, die so drastisch und detailliert daherkommen. Der Kontrast von Bild und Ton zu ihrem Inhalt wirkt erdrückend.
Der Umschwung der heilen Welt um Wilkin lässt nicht lange auf sich warten. Die Männer des Dorfes kommen auf ihn zu, um ihn dazu zu bewegen, mit ihnen loszureiten, um den in der Gegend gesehenen und für den Baron arbeitenden Steuereintreiber und seine Männer aufzusuchen und ihnen Angst einzujagen, da ihr Dorf durch sie in ständige Mittellosigkeit getrieben wird. Trotz der strafenden Blicke Petras und seines eigenen Zweifels gibt Wilkin nach und reitet mit ihnen los. Es kommt zu einem Kampf, aus dem nur ein Überlebender der Männer des Barons hervorgeht: der Steuereintreiber. Als der Baron von dem Vorfall erfährt und er und sein Gehilfe Milus anhand der Erzählungen des Steuereintreibers darauf schließen können, welchem Dorf die Männer entstammen, ist Ventris außer sich und schwört Rache.
Was er seiner Frau, der Baroness, als „fair process for every man“ verspricht, endet in einem Massaker. Wilkin und die anderen Männer verteilen die Beute ihres Kampfes an Bedürftige und sind dementsprechend noch nicht wieder zurück in ihrem Dorf, in dem der Baron mit seinen Männern in der Nacht eintrifft. Er stellt die Frauen, Kinder und Alten zur Rede, wo die Männer sind. Es ist Petra, die versucht ein Alibi für sie aufzubauen, doch der Baron durchschaut das Spiel. Und hier beginnt sich die Brutalität in vollstem Umfang zu entfalten. Der Ausdruck „Frauen und Kinder zuerst“ bekommt plötzlich einen ganz unangenehmen Beigeschmack. Und wo andere Serien und Filme Halt machen und gewisse Grenzen nicht überschreiten, beginnt die Rache des Barons beim Mord an den Unschuldigsten.
„Kill them all!“ (Baron Ventris)
Petra kann zunächst fliehen, muss aber schließlich doch um Gnade für ihr ungeborenes Kind betteln. Dass sie laufen gelassen wird, lässt nur ein kurzes Aufatmen zu. Schreie legen sich über das niederbrennende Dorf und so wie sich das Feuer ausbreitet, wird sich auch der Schmerz der Hinterbliebenen entfalten. Die Schlacht wird mit einem der moralisch brutalsten Morde beendet, der den Mörder im Unbekannten lässt, die Opfer jedoch in aller Deutlichkeit zeigt.
Zurück im Dorf stoßen Wilkin und seine Männer auf einen grausamen Anblick: Alles, was sie zurückgelassen haben, ist fort. Und damit auch die Liebe aus Wilkins Leben. Jegliches Schicksalversprechen wird ihm entrissen, das Gute in ihm, die Gerechtigkeit. Und mehr als je zuvor entfacht sein Verlangen nach Rache. Das Schwert, einst abgelegt, um es nie wieder zu nutzen und nie wieder die Gewalt über ihn herrschen zu lassen, wird ausgebuddelt. Und damit beginnt die Geschichte des Henkers, der den Farmer in sich zurücklässt.
Ohne Plan schwingt Wilkin sich aufs Pferd und reitet los. Die anderen folgen ihm.
„Where does he ride?“
„To meet the devil.“
Am Hof hört man, dass sich sieben Männer den Mauern nähern. Der Baron reitet mit seinen Kämpfern los und nimmt auf dem Weg den am Schloss Pryce entlassenen Henker mit, damit er sie beim bevorstehenden Kampf unterstützt. Wilkin und seine Männer erwarten den Baron bereits. Wilkin stellt sich ihm als Ritter König Edwards vor, doch der Baron glaubt ihm nicht. Er war der festen Überzeugung, einst alle Ritter König Edwards in einer Schlacht ermordet zu haben.
„If you are indeed that knight, you’re either a deserter or a ghost. If not dead then, then dead now.“ (Baron Ventris)
Im anschließenden Kampf können Wilkin und seine Männer sowie die von ihm um Hilfe gebetenen Rebellen der Umgebung die Truppe des Hofs überwältigen. Sie ermorden den Baron. Um für tot gehalten zu werden, schneidet die „Heilerin“ (Wer hätte sie erkannt? Katey Sagal alias Peggy Bundy in Grau und mit seltsamem Akzent) Wilkin das Haar und brennt ihm ein Kreuz in die Wange. Mit der vorgetäuschten Identität und Kleidung des in Wahrheit toten Henkers reitet Wilkin mit seinem Freund, der als Marshall durchgehen soll, an den Hof, um den toten Baron zurückzubringen und sich damit Zugang zu den feindlichen Mauern zu verschaffen. Seine Identität soll die schon vorher an der Burg angekommene Frau des Henkers bezeugen. Scheinbar zufrieden, dass der sie und ihren Sohn misshandelnde Ehemann durch einen neuen Mann ausgetauscht wurde, spielt sie mit und bezeugt die falsche Identität Wilkins – zu seiner eigenen Überraschung. Doch um die Identität des Henkers zu untermauern, muss er noch den letzten Schritt gehen, der ihm alles abverlangt.
Was wirklich positiv auffällt, ist die realistische Darstellung der Zähne der Figuren. Ja, richtig. Der schmutzigen, ungeputzten, leicht faulig wirkenden Zähne. Nicht, dass ich grundsätzlich schlechte Zähne mögen würde. Ganz im Gegenteil. Aber wie viele historische Filme und Serien gibt es, in denen unheimlich viel Aufwand in Kostüme und Requisite gesteckt wird, um historische Erzählungen glaubwürdig erscheinen zu lassen? Und dann lächeln die Darsteller plötzlich in strahlendstem Weiß und man fragt sich, wie die das früher wohl hinbekommen haben sollen, so ohne Zahnbürste, Zahnseide, Mundwasser und Bleachen. Doch bei The Bastard Executioner hat die Maske sich auch um „das Innere“ gekümmert und die Zähne als aussagekräftiges Indiz für das Mittelalter nicht vernachlässigt. Schön anzusehen ist das jetzt nicht, aber es wirkt realistisch. Danke dafür!
Ganz und gar nicht gefallen haben mir dagegen die meisten computergenerierten Bilder. Was da als erstes ins Auge fällt, ist die Burg des Barons, deren Künstlichkeit so deutlich hervortritt, dass man zeitweise auf nichts anderes mehr achten kann. Gerade im Vergleich zu Game of Thrones, wo ganze Städte dem Computer entstammen, lässt das CGI hier wirklich zu wünschen übrig.
Die Brutalität der Serie sowie die Schonungslosigkeit, mit der diese dargestellt wird, überzeugt jedoch. Nicht selten fällt da zwischendurch mal die Kinnlade runter, weil man mit der Durchführung bestimmter Taten nicht gerechnet hätte. So werden Tabus gebrochen, die in zahlreichen Formaten streng eingehalten werden.
Ebenso interessant ist das Spiel mit Licht und Farbe, was jedoch grenzwertig ausgereizt wird. Am Ende jeder längeren Szene entweicht dem jeweiligen Bild die Farbe, um so die Tristheit oder Ausweglosigkeit der Geschichte und des Einzelschicksals zu untermauern. Am Anfang noch ganz nett, ist es irgendwann einfach zu viel des Guten. Vermutlich wird dieses Stilmittel die gesamte Serie über eingesetzt. Muss nicht unbedingt sein.
Alles in allem hat The Bastard Executioner einen ganz guten Start hingelegt. Der Einstieg ist jedoch nicht besonders originell und damit sind die ersten Ereignisse schnell vorhersehbar gewesen. Wünschenswert für die kommenden Episoden sind daher mehr Überraschungen, die sich nicht nur auf die Deutlichkeit der Darstellung beschränken.
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