Ein bisschen ärgere ich mich schon, dass ich meinem ganz kleinen inneren Drängen nicht nachgegeben habe, mal einen Blick in die Bücher der „Saxon Stories“ geworfen zu haben. Die erste Folge hat mir nämlich in den Tagen danach immer noch im Kopf herumgespukt und ich hätte gerne gewusst, wie es weitergeht, bevor es weitergeht. Aber man kann nicht alles haben. Oder?
Northumbria
Die zweite Folge beginnt direkt im Anschluss an das Ende der Pilotfolge, wir erinnern uns an Uhtred und seinen familiären Besuch bei seinem Onkel, dem er ein kleines Mitbringsel zurückgebracht hat. Nun möchte sich sein Onkel natürlich bei Uhtred bedanken, er kann ihn aber zum einen nicht einholen und dann etwas später im dichten Wald nicht finden. Aber Uhtred und Brida stehen wohl nicht so auf den Austausch von Dankbarkeit, so dass sich aus dem Staub machen. Sehr zum Ärger des Onkels.
Nach einer Weile des durch die Wälder Northumbrians reitens rückt Uhtred mit seinem genialen Plan heraus, den er sich in der kurzen Zeit überlegt hat. Er will zu Ubba reiten, ihn davon überzeugen, dass es dänische Brüder waren, die Ragnars Familie umgebracht haben, da diese aber Hilfe von seinem Onkel bekamen, möchte er dann mit der Armee Ubbas nach Bebbanburg reiten, diese einnehmen und sich selber auf den Thron setzen bzw. sein Erbe antreten. Das Brida, die in der weiteren Folge mehr als deutlich macht, dass sie deutlich smarter ist als ihr Lover, der dafür sehr heißspornig und draufgängerisch ist, ihn dafür nicht gleich auslacht, hat wohl damit zu tun, dass ein sehr starkes Band zwischen beiden Figuren herrscht. Die Chemie zwischen Alexander Dreymon (Uhtred) und Emily Cox (Brida) ist greifbar und machen aus dieser Folge ein wahres Dialoghighlight. Und Brida weiß auszuteilen und trägt ihre Worte durchaus auf der Zunge. Es hat großen Spaß gemacht, beiden bei ihren zahlreichen Dialogen zuzuhören.
Beide haben in dieser Folge auch die meiste Screentime und haben diese hauptsächlich unterhaltend miteinander verbracht. Andererseits war es auch toll anzusehen, als sie ohne viel Geräuschkulisse durch die Wälder ritten.
Also Brida lacht ihren Uhtred für seine Idee (noch) nicht aus, sondern denkt recht praktisch. Da sie auf dem Weg nach East Anglia, wo sich Ubba aufhält, mitbekommen, dass sich eine zweite Version des Attentates auf Ragnars Familie im Land herum spricht und Uhtred in dieser Version die tragende Hauptrolle spielt, kommt Brida auf die nachträglich geniale Idee, sich den Magier Ubbas zu holen und ihn als Schutzgeisel zu haben, falls Ubba Uhtred nicht glauben schenken sollte.
“How about we see if Odin protects you from the arrows? I like this game“ (Ubba)
East Anglia
Uhtred findet Ubba dann auch im Königspalast von East Anglia, als dieser den Marionettenkönig malträtiert. Es geht um die Weigerung des Königs seine Männer für Ubbas weitere Expansionspläne einspannen zu lassen. Allerdings erkennt dieser recht schnell, dass eine reine Verweigerung nicht zum Ziel führen wird, so dass er Ubba anbietet, seine Männer Ubba zu überlassen, wenn sich im Gegenzug Ubbas Männer taufen lassen.
Ubba ist mehr als köstlich amüsiert über den Vorschlag, lässt sich dann aber vom König und hauptsächlich von Uhtred erklären, was denn eigentlich eine Taufe ist.
Für die Dänen bleibt hängen: der König will, dass sie sich alle waschen. Eine wirklich amüsant anzuschauende Szene und gut geschriebene Dialoge, welche in einem Gottesbeweis endet, der für den König fehlschlägt. Die Pfeile in der Brust führen zum Tode. Böser Gott!
“Heaven is Valhalla to the Christians, but without all the fighting, feasting, and humping.” (Uhtred)
Nun kann sich Ubba mit Uhtred auseinander setzen. Und natürlich glaubt er Uhtred kein Wort, warum sollte ein Däne Ragnar und seine Familie umbringen. Uhtred kann sich dann aber mit dem Hinweis auf den Magier/Seher von Ubba gerade noch so aus dieser Gefahrenlage befreien. Rune Temte als Ubba ist hier die Gefahr selbst. Die Warnung von Ravn in der ersten Folge, sich nicht mit Ubba anzulegen, war berechtigt. Während man auch bei Ragnar in den nur wenigen Szenen verstanden hat, dass ihn eine große militärische Macht umweht, ist es Ubba selbst, den man fürchten muss. Dazu kommt, dass er auch noch über eine Armee verfügt. An Ubba werden wir bestimmt noch unsere Freude haben.
Zurück bei Brida muss sich Uhtred eingestehen, dass Ubba sie nie als echte Dänen anerkennt hat, für ihn sind Uhtred und Brida Sachsen, also Engländer. Dazu kommt, dass nun zwei Männer seinen Tod wollen, sein Onkel und Ubba. Keine allzu guten Aussichten für unser sympathisches Paar.
Schwertschmiede
So beschließen beide nach Wessex zu reiten, denn wenn sie schon fast überall im Norden für Sachsen gehalten werden und von den Dänen keine Hilfe erwarten können, dann wäre es wohl am cleversten, wenn man sich in das letzte Königreich begibt, das noch nicht von den Dänen überlaufen wurde, um dort Zuflucht zu suchen und Hilfe einzufordern bzw. anzubieten. Unterwegs will sich Uhtred noch ein Schwert schmieden lassen inklusive dem Bernstein, den er von seinem Vater bekommen hat.
Brida: “You’re talking through your ass.” Uhtred: “I’m sitting on my ass.” Brida: “So you’re ass is cleverer than you, it can do two things at once.”
Neben ein paar vertrauten Szenen zwischen Uhtred und Brida erhalten wir hier zudem den Beweis, dass Uhtred ein recht tauglicher Kämpfer ist und Brida wahrlich gut mit der Wurfaxt umgehen kann. Spätestens nach diesen Szenen muss man anerkennen, dass Brida eher Partner als Anhängsel von Uhtred ist. Cox spielt Brida auch fantastisch wie ich finde.
Die kurzen Jagdszenen in dem kleinen Dorf, von Innenhof zu Innenhof, die mit einem sehr ungewöhnlichen Tod für den letzten Attentäter enden, die wohl allesamt auf der Gehaltsliste von Onkelchen Aelfrick standen, war schön anzuschauen und hatten eine tolle Kameraarbeit.
Wessex
König von Wessex ist König Aethelred, Bruder von Alfred, den wir schon aus den Trailern kennen. Bevor Uhtred und Brida in der Hauptstadt von Wessex ankommen, sehen wir, wie Aethelred einem seiner engsten Berater mitteilt, sollte er bei einer der anstehenden Schlachten gegen die vorrückenden Dänen getötet werden, soll sein Bruder Alfred sein Erbe antreten, sein Sohn sei für dieses Amt nicht im geringsten geeignet. Der Trunkenbold versprach zwar Besserung, Aethelred scheint da aber eher seinen Bruder für geeigneter zu halten. Das er demnächst bei einer der Schlachten tatsächlich umkommen wird, dürfte klar sein, steht zumindest in jedem Geschichtsbuch.
Beocca, der ehemalige Geistliche auf der Bebbanburg, hält sich ebenfalls in Wessex auf und er ist es auch, der Uhtred in Empfang nimmt und ihn zu Alfred bringt. Einem Mann, dem er noch viel zutraut, wie er Uhtred berichtet.
Die Begegnung zwischen den beiden großen Protagonisten auf englischer Seite ist eines der Highlights der zweiten Folge, auch wenn man die Schlüsselszene bereits in den Trailern gesehen hat. Alfred erzählt von seinem Traum, dass sich alle englischen Königreiche vereinen um gemeinsam gegen die Dänen zu kämpfen. Entweder, man endet als Nation auf dem Schlachtfeld oder wird als eine solche geboren. Uhtred merkt richtigerweise an „unter einem König“. Alfred stimmt dem zu, man erkennt aber auch dass sein Ziel höher ist als der eigene Wunsch einmal König aller Engländer zu sein. Zudem muss er ja auch noch davon ausgehen, dass diese Ehre seinem Bruder gehört. Er scheint damit aber umgehen zu können, die Sache an sich ist viel wichtiger.
Uhtred bietet Alfred daraufhin sein Wissen und sein Schwert an, welches Alfred aber noch ablehnt, er ist nicht gänzlich von der Aufrichtigkeit Uhtreds überzeugt. Auch gutes Zureden von Beocca hilft da wenig. So versucht Uhtred seine Loyalität dadurch zu beweisen, dass er die Bewegungen der Dänen beobachten und an Alfred melden will. Als Kenner der dänischen Gebräuche erkennt Uhtred auch, dass die Kriegsvorbereitungen bereits abgeschlossen sind und nicht wie man glaubt, noch am Anfang stehen.
So begibt er sich zurück nach Wessex um von seinen Beobachtungen zu berichten. Alfred glaubt ihm zwar und die Wessex Armee wird taktisch auch so aufgestellt, wie es Uhtred vorschlägt, dennoch traut Alfred Uhtred und Brida weiterhin nicht, so dass sie die sich am Horizont abzeichnende Schlacht aus ihren Käfigen beobachten müssen.
Meinung
Das große Problem, mit dem sich Uhtred wohl über die gesamte Serie über herumschlagen muss – die Dänen halten ihn für einen Engländer, die Engländer halten ihn für einen Dänen – ist nach nur zwei Folgen mehr als klar platziert. Er hängt zwischen den Stühlen aber sein Ziel ist klar, er will sein Erbe antreten, er will zurück auf die Bebbanburg. Auch die Motivation der restlichen Figuren ist zum größten Teil bereits klar kommuniziert. Wie gesagt, wir haben gerade einmal die zweite Folge gesehen, alles geschieht wahnsinnig schnell.
So hält sich die Serie auch eher weniger lange an ein und demselben Ort für länger auf. Auch die Entfernungen scheinen für Uhtred und Brida kaum der Rede wert, eben hört man sie noch sagen, dass sie nach Wessex reiten wollen und schwupps reiten sie schon durch das Eingangstor der Hauptstadt. Es wird keine Zeit verplempert. Mir gefällt das irgendwie, man hat das Gefühl, dass man nicht unnötigerweise mit Füllszenen hingehalten wird, um auf irgendeinen Höhepunkt zuzusteuern.
Auch die Schauspieler sind geradezu verschmolzen mit ihren Figuren. David Dawson als Alfred ist mein persönlicher Lichtkegel in dieser Folge, seine recht zurückhaltende und schmale Performance machen aus Alfred dennoch einen großen Charakter. Einen erhabenen Charakter, der zwar auch seine Schwächen hat – er scheint gesundheitlich nicht auf der Höhe zu sein – aber man merkt unmissverständlich, dieser Mann ist für Großes bestimmt. Und Dawson spielt diese historische Figur mehr als akzeptabel. Grandios.
Ein wenig könnte man an der Figur Uhtred herum mäkeln, dass diese recht schnell die Seiten wechselt, ohne inneren Kampf, aber ich würde ihm zugestehen, dass er aktuell gar keine andere Wahl hat, um sein Ziel zu erreichen als auch einfach nur zu überleben.
Die zweite Folge ist eine mehr als passende Fortsetzung dessen, was sie in der Pilotfolge angepriesen haben. Wir erleben eine fiktive Geschichte auf realen Boden. Alles fühlt sich daher so echt an und man meint, genauso hätte es damals passieren können.
Zudem hat es die Serie in nur zwei Folgen klar geschafft, uns die große Frage der Serie vor Augen zu führen, die sie zu beantworten beabsichtigt: „Was ist deine Identität, was macht dich aus? Wer sind wir und warum?“
Was sich nach einem neuen Bestseller von Richard David Precht anhört ist in Wahrheit die Frage, die sich jede Nation stellen sollte und jeder, der sich in einer Gesellschaft befindet. Diese Frage ist keine Fiktion.
Diese Frage ist elementar.
Fotos: BBC two
Dem Drängen, die Bücher zu lesen, sollte man wenn möglich erst hinterher nachgeben. Für Freunde der Bücher ist die Serie eher enttäuschend, so zumindest mein Eindruck im Freundeskreis. Das beginnt schon mit dem Casting, geht weiter mit der Ausstattung (vonwegen „es müsste dreckiger sein“ – das 9. Jahrhundert war doch nicht die Steinzeit) und endet damit, das einige Charaktere fehlen, von denen ich mir nicht vorstellen kann, wie sie nachträglich eingeführt oder weg gelassen werden sollen, ohne die komplette Handlung zu verfremden.
Cool mal eine Stimme einer Buchleserin zu hören. Bist du mit der ersten Staffel schon durch?
Meinst du den Cast an sich oder im Bezug zu den Figuren in den Büchern und könntest du wenn ja mal ein Beispiel nennen, bei welcher Figur du den krassesten Unterschied siehst?
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