Der Tag der Tage steht an. Für Serienfans sind Staffel-Finale das Highlight einer jeden Season, für unsere Kettenraucher der Guilty Remnant-Bewegung ist es der dritte Jahrestag „des 14.“, an dem rund zwei Prozent der Weltbevölkerung von jetzt auf gleich nicht mehr zu selbiger gehörten. Gibt es am Ende eine Erklärung? Für das Geschehnis an sich? Für die Handlungen des Kultes? Für die Vorhersagungen von Wayne? Alles bejahen können wir leider nicht, aber es kommt zumindest endlich alles zusammen. Wirklicher Final-Charakter will jedoch nicht ganz aufkommen.
Nach dem Rückblick in die Zeit vor dem Ereignis vergangene Woche befinden wir uns wieder im Hier und Jetzt. Alle außer Patti. In seiner Panik nimmt sich Kevin Reverant Matt an, der ihm mit Rat und Tat zur Seite steht.
„I have shovels in my trunk.“ (Reverant Matt)
Der überemotionale Psalm-Vortrag von Kevin demonstriert gut, wie stark The Leftovers versucht, pathetisch und intensiv zu sein – es aber immer wieder eine oder zwei Schüppen zuviel sind. Das wirkte einfach unrealistisch, für die eigentlich sehr abgeklärte und unreligiöse Figur. Ja, das gab es auch bereits in einer vergangenen Folge, aber doppeltes Überzeichnen ist keine Konstanz. Dazu wirkt bspw. die Rückblende von Kevin in seiner Erzählung im Café deutlich aufrichtiger und überzeugender und zeigt, dass es auch (vereinzelt) geht.
In dem Zuge versucht Kevin eine Erklärung für das Ganze zu geben. Alles ist im Sinne der Zurückgebliebenen geschehen, die so enger mit ihrer Familie verbunden sein sollen? Hat ja gut geklappt… So unvollständig und unbefriedigend die Erklärung auch ist, muss man eines der Serie zum Guten halten: jeder Charakter versucht glaubhaft für sich eine subjektive Erklärung zu finden. Es gibt nicht die eine große Antwort auf das Ereignis, und die werden wir Zuschauer wohl auch nie erfahren, aber jeder Einzelne versucht für sich das Thema einzuordnen. Ein schmaler Grad zwischen reizvoller Darstellung sowie Vergraulung derer, die Antworten suchen.
Ich würde mich übrigens gerne als Wayne-Nachfolge nominieren, habe ich doch vorletzte Folge noch Folgendes prophezeit:
„Scheinbar planen sie etwas Großes für den Memorial Day, vielleicht die Nachbildung der Verschwundenen in Puppenform?“
Okay, zugegeben: wirklich schwer war das nicht. Das zeigt auch, wie wenig überraschend dann die Umsetzung war. Genau so wenig überraschend, wie eine selbst stumm noch immer sehr nervige Liv Tyler. Gut, dass eine sehr angenehme Streicher-Version von „Nothing Else Matters“ meine Wut im Zaum gehalten hat.
„Just calm down, stay calm, you’re okay. Just calm down, stay calm, you’re okay. Just calm down, stay calm, you’re okay…“ (Kevin)
Jedenfalls hätten wir da diese ungemein überraschende und saufiese Aktion der Kettenraucher-Bande, die den Zurückgebliebenen Nachmachungen ihrer Departends schenken. Wir wissen ja, wie teuer die sein können und nun auch, wieso sie die Bilder geklaut haben. Wirklich überraschend wird dann eigentlich nur, wie stark diese Aktion das Fass zum Überlaufen bringt. Für mich arg überzeichnet, erst recht, wie eine Irre mit einem Revolver in postapokalyptischer Art und Weise über die Straße rennt. Offizielle Ansammlungen und Puppen-Verbrennungen gehen ja noch klar, aber insgesamt arg inszeniert und überdramatisiert.
Und dann wäre da ja noch die Sache, dass man irgendwie alle Handlungsstränge zusammenführen möchte. Christine flieht, lässt das Baby zurück und Tom somit nur noch den Weg gen Heimat. Das Kind als Puzzlestück um Nora zum Bleiben zu bringen? Wayne wird natürlich von Kevin kurz vor dem Ableben gefunden – ein Handlungsstrang, der vielversprechend gestartet ist um dann komplett zu enttäuschen. Vielleicht erhalten wir die Auflösung ja noch in einer Folgestaffel – vielleicht soll es aber auch einfach nur die Blender-Position eines Eingebildeten demonstrieren, den diese „abandoned ruin of a dead civilization“, wie Nora es treffend genannt hat, hervorbringt.
Tja, das war es dann. Ein Finalgefühl wollte sich bei mir leider nicht einstellen, es war vielmehr eine normale Folge, die sich von Mami hat ein Finalkostüm basteln lassen. Klar, einige Momente gegen Ende der Folge waren emotional, aber gerade zu Beginn wurde mal wieder viel zu viel Zeit genommen und letztlich hat sich leider kaum eine Konkretisierung im Staffelverlauf eingestellt. Vielleicht habe ich auch einfach keine direkte Bindung zu den Charakteren finden können, die allesamt irgendwo zwischen Sympathie und Antipathie kleben – erneut ein Zeichen der Gesellschaftsverbröckelung. Aber ein Haufen solcher Indizien für den Untergang einer Gesellschaft ist eine gute Zutat für eine Serie, kann für mich aber nicht die einzige bleiben. So hat die Serie leider von Beginn an (größtenteils) ein bedrückendes Gefühl generiert und den Zuschauer mit Symboliken, Referenzen und Versatzstücken zugeworfen, damit dieser dann vor dem Fernsehe „Ach, schau an, der Hund ist zahm und zu ihm gekommen!!“ schreien soll? Nein, danke.
Ich hatte mir bei den Beteiligten Personen und der Basis-Story tatsächlich deutlich mehr erhofft. Vielleicht liegt meine pessimistische Einstellung auch an den zu hohen Erwartungen und auch dem für mich zu plastischen Geflecht an Beziehungen und Mystik-Ebenen. Vor allem das Erzähltempo sowie die Dramaturgie-Ausschläge haben mir häufig missfallen. The Leftovers möchte eine (von dem Ereignis selbst abgesehen) möglichst lebensnahe und realistisch inszenierte und emotionale Serie sein, schafft es aber nicht, mit der Schwärze und Dringlichkeit dort zu enden, wo der Zuschauer noch mitgerissen ist und die Dinge aus realitätsnaher Perspektive nachvollziehen kann. Es driftet ins Unrealistische und Überzogene ab, ohne dabei unterhaltsam, schockierend oder überraschend zu sein.
Schade, Leftovers, aber so werde ich wohl ein Zurückgebliebener von dir werden, denn eine zweite Staffel werde ich mir nicht anschauen.
Die Serie kriegt ne glatte 10/10 von mir :) Selten so emotionale Unterhaltung bekommen. Düster, melancholisch, unbequem und mitreißend.
Ich finde es gut, wenn Leute sich dafür begeistern können, dann ist das ganze Budget nicht zum Fenster rausgeworfen worden. ;) Und so gibt es eben für jeden was im großen Serienuniversum.
Aber ein 10/10-Mensch bin ich eh nicht, Superlative vergebe ich sehr selten, gerade für ganze Serien. Das wäre nichtmal bei LOST oder Fargo der Fall, mir fällt da eigentlich nur Breaking Bad ein.
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