Irgendwie hatte der Mann immer etwas Mysteriöses an sich. Dieser strenge Blick, diese zwei unterschiedlich farbig funkelnden Augen, diese markante, oft rufende Stimme, diese verstörenden Auftritte, Filme und Videos – lange Zeit konnte ich mich mit David Bowies Werk nicht so recht anfreunden. Im Gegenteil: Ich fürchtete es sogar, wollte damit nichts zu tun haben.
Mein erster Kontakt zu Bowie, an den ich mich erinnern kann, war irgendwann in den frühen 80er Jahren. Ich war gerade Queen-Fan geworden, hatte ständig die Vinyls ‚A Night at the Opera‘ und ‚A Day at the Races laufen‘, dann kam die Greatest Hits raus. Eine Sammlung von klasse Songs, nur ganz am Ende von Seite 1 störte mich etwas – ein Track namens ‚Under Pressure‘, auf dem noch jemand anderes zu hören war – David Bowie. Ich mochte den Song nicht – was vor allem an David Bowie lag. Ich wollte meine Band hören, was wollte also dieser ‚Sänger‘ da auf dem Album, der Freddie kostbare Gesangszeit wegnahm? Für mich war klar: Nach ‚Save me‘ nahm ich die Platte vom Teller und drehte sie um.
1983 tauchte dieser Sänger wieder auf – mit ‚Let’s dance‘. ‚Verdammt, irgendwie ganz gut, dieser Song‘ – sowas in der Art dachte ich damals wohl, und merkte, dass ich den Song immer mehr mochte, je häufiger ich ihn hörte. Dann und wann ließ ich in der Folge auch mal die A-Seite der Greatest Hits von Queen durchlaufen – ganz so schlimm war es dann doch nicht mit diesem ‚Under Pressure‘. Dann ging’s bei Bowie weiter mit ‚China Girl‘, ‚This is not America‘ und ‚Dancing in the street‘. Spätestens mit ‚When the wind blows‘ 1986 hatte er mich dann. Dieser großartige Song, mit diesem ungewöhnlichen düster-melodiösen, der Gesang mit all seinen Höhen und Tiefen, dazu der gut gemachte Film – einfach klasse.
Dann kam ‚Labyrinth‘ – ein Fantasy-Streifen, in dem David Bowie auf einmal als Hauptdarsteller auftauchte. Wieder so ein schwieriger Moment: Ich fand den Film furchtbar bedrückend, weil es für die Protagonisten einfach keinen Ausweg aus diesem Labyrinth gab. Und tat sich doch eine Lücke auf, war Jareth alias Bowie zur Stelle und stoppte alles, auch mit unfairen Mitteln. Für mich war Bowie erstmal wieder erledigt. Bis 1992. Dann kam seine tolle Performance des Songs beim ‚Freddie Mercury Tribute Concert‘:
Ich sah Szenen von den Proben, von einem sympathischen David Bowie, der als Zuschauer bei George Michaels Performance mitging, die Musik mitfühlte. Vollkommen sympathisch. Brian May erzählt auf seiner Website auch eine tolle Geschichte dazu – sowohl zum Konzert als auch zur Entstehungsgeschichte von ‚Under Pressure‘.
Jetzt nahm ich mir ‚Under Pressure‘ nochmal genauer vor. Ich erfuhr, dass Bowie damals eigentlich nur zu Queen nach Montreux gekommen war, um die Backings zu ‚Cool cat‘ einzusingen. Das Warten soll aber so langweilig gewesen sein, dass er mit Freddie und Roger über Nacht ‚Under Pressure‘ konstruierte.
Wenig später erschien ‚Twin Peaks – Fire walk with me‘ – ein typischer, mysteriöser Lynch-Film, den viele nicht mochten, der mir aber sehr gefiel. Und er enthielt eine Szene, die unheimlich verstörend für mich war, mit David Bowie im Mittelpunkt. In der Szene befindet sich Agent Cooper, der wir aus der Serie Twin Peaks ja noch kannten, im FBI-Büro bei Gordon Cole – gespielt von David Lynch. Er sagt, er hätte diesen merkwürdigen Traum gehabt, und tritt dabei immer wieder vom Flur in den Raum mit den Überwachungsbildschirmen. Er sieht natürlich nichts, aber beim vierten oder fünften Mal tritt auf einmal Phillip Jeffries, gespielt von David Bowie, auf. Er schreitet an Cooper vorbei, der sich gleichzeitig auf dem Überwachungsschirm sieht. Jeffries galt lange verschollen und war jetzt auf eine merkwürdige Art und Weise wieder da – und gleich wieder weg. Diese Szene war so nachdrücklich bewegend, für mich eine der besten Szenen des gesamten Twin Peaks-Universums.
Lynchs und Bowies Wege kreuzten sich immer wieder – in ‚Lost Highway‘ zum Beispiel steuerte Bowie den treibenden Song ‚I’m deranged‘ bei – passte klasse. Danach hat mich immer wieder sein musikalischer Wechsel fasziniert: 1995 ‚The Heart’s Filthy Lesson‘ aus dem visuell wie musikalische faszinierenden Konzeptalbum ‚1. Outside‘, die schnelle Nummer ‚Little Wonder‘ aus dem 1997er ‚Earthling‘, oder das balladeske ‚Thursday’s Child‘ von ‚Heathen‘. Was immer zu seiner Musik gehörte, war auch ein starkes visuelles Erlebnis. ‚The Heart’s Filthy Lesson‘ zum Beispiel:
Dann gab sich Bowie auch immer wieder charmant und witzig. In der BBC-Serie ‚Extras‘ zum Beispiel, in der in jeder Folge ein prominenter Gast am Set von Comedian Ricky Gervais besucht wird. In der zweiten Staffel st David Bowie mit von der Partie. Gervais klagt ihm sein Leid, dass es mit seiner Comedy-Serie ‚When the Whistle Blows‘ nicht so läuft. Bowie soll ihm helfen, doch das geht nach hinten los. Der Musiker komponiert einen Song für Gervais, doch es ist nicht ganz das, was er sich erhofft hatte:
“Little fat man who sold his soul
Little fat man who sold his dream
Pathetic little fat man,
No one’s bloody laughing,
The clown that no one laughs at,
They all just wish he’d die”
Hier kann man diese witzige Szene sehen.
Danach war es ruhig geworden um David Bowie. Kaum noch öffentliche Auftritte, schon gar keine Konzerte mehr. Mit ‚The Next Day‘ gab es dann 2013 noch einmal ein Lebenszeichen. Und dann ‚Blackstar‘. Schon musikalisch großartig angelegt, gepaart mit dem beeindruckenden 10-Minuten-Kurzfilm ein tolles Gesamtkunstwerk:
Nur wenige Tage nach Veröffentlichung von ‚Blackstar‘ ist David Bowie jetzt gestorben. Er hat uns tolle Songs hinterlassen, bemerkenswerte Filme und Videos. ‚Blackstar‘ hatte er sich zum Geburtstag geschenkt, und er hat das Album der Welt geschenkt. Nochmal ein großes, wichtiges Album, von diesem mysteriösen Mann, mit diesem strengen Blick, dieser rufenden Stimme und diesem unglaublichen musikalischen und visuellen Schaffen.
Die Illustrationen auf dieser Seite stammen von Helen Green.
Under Pressure fand ich übrigens immer schon gut, aber ich kann Dein anfängliches „Problem“ mit Bowie nachvollziehen, fand ich ihn bei Songs wie „China Girl“ damals auch irgendwie gleichermaßen creepy wie faszinierend und irgendwie blieb das Lied trotzdem im Kopf. Andere Songs fand ich toll, aber so richtig hab ich mich mit ihm erst ab 2008 befasst und dann immer mehr. Lohnt sich. Er war schon ein genialer Künstler.
Trackbacks