Wahnsinn. Die ersten Reviews, die ich für diesen Blog geschrieben habe, waren die zu „True Detective“, Staffel 2. Und das ist nun mittlerweile dreieinhalb Jahre her. Wow! Die zweite Staffel war – anders als die erste – eher mäßig. Gut gemacht, das schon, aber leider reichte sie an das geniale Schauspiel von Matthew McConaughey und Woody Harrelson sowie die mysteriöse, düstere Geschichte der ersten Staffel bei Weitem nicht heran. Große Hoffnungen lagen somit auf der Fortsetzung, die doch bitte unbedingt kommen sollte. Hat ein bisschen gedauert, aber nun ist die dritte Staffel „True Detective“ wirklich da!
Die neuen Folgen wurden wieder von Nic Pizzolatto geschrieben und man merkt sehr schnell, dass er an die erste Staffel der Serie anknüpfen möchte. Gemeinsam mit Harrelson und McConaughey als ausführende Produzenten könnte das doch klappen, oder? Was auf jeden Fall vor der ersten Szene schon klar ist: Super besetzt ist auch diese Season: In der Hauptrolle tritt Mahershala Ali als Wayne Hays auf – und das in gleich drei verschiedenen Zeitebenen.
Intro
Schon das Intro ist wieder toll. Cooler Song („Death Letter“ von Cassandra Wilson), starke Bilder, die sich überlagern. Einen leichten Eindruck, von dem, was kommen wird, vermittelt es uns schon mal. Klar, wir sehen auch einige der Charaktere. Aber es ist eher so ein Gefühl, das da wieder aufkommt. Das man von der ersten Staffel schon kennt.
Ten years is nothing
Und dann geht es los. Mit Wald. Viel Grün, aber auch viele vertrocknete Bäume, ein Kind, das Fahrrad fährt… und ein alter, grauer Hays. Zeitsprung. Ein jüngerer Hays, der in einem Büro befragt wird. Die Situation kennen wir bereits aus der ersten Staffel. Damals war es allerdings ein ziemlich mitgenommener Rust Cohle. Wird das so weitergehen, ein Zitat nach dem nächsten auf die erste Staffel? Wie viel (Gutes) bekommen wir in den nächsten Minuten zu sehen? Langsam beschleicht einen das Gefühl, dass man der ersten Staffel durchaus auch zu nah kommen könnte.
„You have memory problems, right?“
5:30
Wir wissen nach den ersten wenigen Szenen schon mal, dass wir es mit lückenhaften Erinnerungen zu tun bekommen werden. Dass wir der folgenden Erzählung immer nur teilweise trauen können. Dass wir das ganze Bild erst am Ende dieser Staffel zeichnen können.
Wir befinden uns in den 80ern, in den Ozark Mountains, in Arkansas, und folgen den beiden Purcell-Geschwistern, wie sie nur eben den neuen Welpen ihres Freundes begutachten fahren wollen. Wir kommen nicht drum herum, dass sich die Uhrzeit, zu der sie zurück sein sollen, nämlich spätestens um halb sechs, penetrant in unser Gedächtnis brennt. Denn wir wissen auch sofort, dass eine Rückkehr – zumindest zu dieser Uhrzeit – nicht passieren wird.
Als die beiden sich mit ihren Fahrrädern auf den Weg machen, verstärkt sich dieses ungute Gefühl nur noch mehr. Die Kamera zeigt uns sehr ausgewählte Bilder und versucht unsere Skepsis gegenüber dem Gezeigten durch Slow Motions und bedrängende Geräusche wie Böller, Rattern und unnatürliches Lachen zu steigern. Der Ton allein verspricht schon Unheil. Und dann sind da noch ein paar Teenager in einem violetten Beetle, die die Kinder beim Vorbeifahren beobachten und mit seltsamen Blicken mustern. Abgesehen davon, dass mich irritiert hat, dass ich einen der Darsteller als Justin aus „13 Reasons Why“ kenne, scheint es fast zu offensichtlich, dass diese drei Jungs etwas mit dem Verschwinden der Kinder zu tun haben werden. Denn später kommt es, wie es kommen muss: Die Kinder sind am Abend nicht zurück. Beim Freund mit dem (süßen!) Welpen sind sie nie angekommen. Die Telefonkette startet, der Vater fährt die Gegend ab, keine Spur der beiden.
„Supposed to be home at 5:30, never arrived.“
Es folgen weitere Zeitsprünge und bald wissen wir recht genau, dass wir immer wieder zwischen genau drei Ebenen hin und her wechseln werden: Das Verschwinden der Kinder ereignet sich in etwa 1980. Die erneute Verhörung von Hays zu den damaligen Ereignissen findet zehn Jahre später statt, 1990. Die dritte Zeitebene, in der Hays, immer noch stark berührt, vor einem Kamerateam über die Geschehnisse spricht, eröffnet sich 35 Jahre später, 2015.
Durch Rückblicke und Voice-Over nähern wir uns im Verlauf der Episode ganz langsam der Aufklärung der damaligen Ereignisse. Wir lernen den jungen Hays kennen, der als Range Tracker im Vietnamkrieg gedient hat und dessen Kollege Roland West von den beiden eher der harschere ist. Es wird schnell verdeutlicht, dass das Elternhaus der beiden verschwundenen Kinder eher ein zerrüttetes ist. Und dann ist da auch noch dieser ominöse Dan, der Cousin der Mutter, der ab und zu mal im Haus der Familie unterkommt. Und ein Loch in der Wand eines Schranks, das den Blick auf das Kinderzimmer ermöglicht.
Tell me a Story
Hays und West führen die Ermittlungen weiter und diese bringen sie unter anderem in die Schule der Jungs, die die Kinder am Tag ihres Verschwindens aus dem Beetle beobachtet haben. Sind diese Anhänger des Satanismus? Ihre charismatische Lehrerin Amelia Reardon scheint Hays auf jeden Fall etwas aus dem Konzept zu bringen und diese wird erstaunlich oft befragt. Es ist offensichtlich, wo das hinführen wird. Auch wenn die Sprünge in die späteren Zeitebenen die Beziehungskonstellation der beiden noch verdeckt halten.
In einem großen Suchtrupp folgt Hays seiner Tracker-Intuition und wir erleben einen erneuten „erste-Staffel-Moment“, als dieser im Alleingang in der graubraunen, vertrockneten Landschaft plötzlich diese gruseligen Figuren, die man als Devil’s Trap bezeichnet, findet, die direkt an die dunklen Bräuche und den Kult des „Yellow King“ erinnern. Und natürlich führen ihn eben diese mysteriösen Spuren zu dem verschwundenen Jungen.
Mir hat die erste Episode „True Detectice“ ziemlich gut gefallen. Es ist erstaunlich, wie enorm schnell sich diese unbehagliche und dennoch irgendwie bekannte Atmosphäre aufgebaut hat. Die Geschichte ist so inszeniert, dass man als Zuschauer eigentlich dauerhaft etwas Schlimmes erwartet. Und das wird neben dem üblichen Einsatz spannungsgeladener Musik vor allem über den Ton erreicht. Und das Tränken der Bilder in kalte und trockene Farben leistet ebenfalls einen ordentlichen Beitrag dazu.
Auch die Übergänge zwischen den Zeitebenen mochte ich. Noch besser gefallen hat mir jedoch die Maske, mit der der alternde Hays so realistisch dargestellt wurde, dass man fast einen anderen Schauspieler als Ali dahinter vermutet. Die verschiedenen Zeitebenen zeigen ganz unterschiedliche Männer und das steigert natürlich die Neugier und das Bedürfnis, die fehlenden Puzzleteile der Geschichte und Charaktere so schnell wie möglich in das zerstückelte Bild setzen zu können, das sich uns hier eröffnet.
Für den Einstieg der neuen Staffel finde ich die Nähe zu Season eins passend. Sie lässt uns Verbindungen ziehen und hoffen, dass sie ja ein Indikator hoher Qualität sein muss. Die Staffel sollte jedoch spätestens ab der nächsten Folge stärker ihren eigenen Charakter finden. Sonst besteht die Gefahr, dass sie zur bloßen Kopie etwas schon Dagewesenen werden wird. Und ich befürchte, dass uns das dann nicht so positiv in Erinnerung bleibt wie Rust und Martin. Also, lasst uns abwarten!
Bilder: HBO
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