Lange war es angekündigt, jetzt wurde es vollzogen – seit dieser Woche hat die digitale Welt des ZDF eine neue Optik. Die ZDFmediathek hat einen Relaunch erfahren, ist moderner geworden. Bei der Gelegenheit hat das ZDF aber auch gleich das Wörtchen „Mediathek“ entsorgt – für mich keine schlaue Idee.
Warum hat das ZDF das gemacht? Zunächst einmal muss man festhalten, dass das ZDF Streaming-Portal für Intendant Norbert Himmler „der entscheidende Ausspielweg der Zukunft für das ZDF“ ist, wie er es bei DWDL formuliert hat. Bei den Mainzern heißt es, die altbekannte ZDFmediathek sei in ein modernes Streaming-Portal transformiert worden – der „zweite große Schritt seit 2016“, als seinerzeit die klassische ZDF.de-Website mit der Mediathek verschmolzen wurde. Als langjähriger Nutzer begrüße ich natürlich die technischen Neuerungen, die das ZDF mit diesem Relaunch eingeführt hat – wobei ich die nur auf dem Smartphone und im Netz sehe, denn auf meinem schon etwas älteren Samsung-TV läuft weiter tapfer die alte Mediathek-App.
Das ZDF verspricht eine verbesserte Navigationsstruktur, personalisierte Inhalte und ein zeitgemäßes Design „für ein intuitives und inklusives Nutzungserlebnis“, wie es dann im Marketing-Sprech heißt. Klar, diese Schritte sind zweifellos notwendig, um mit den Anforderungen der heutigen Streaming-Welt Schritt zu halten. Aber musste man sich gleich von dem Begriff „ZDFmediathek“ verabschieden?
Vorteile des Relaunchs der ZDFmediathek
Schauen wir erst einmal, was das ZDF überhaupt gemacht hat: Die Umgestaltung der ehemaligen ZDFmediathek hin zu einem Streaming-Portal soll eine personalisierte und zielgerichtete Inhaltsauswahl ermöglichen – das war in der Tat bisher verbesserungswürdig. Die neue Navigationsstruktur soll das Auffinden von Inhalten erleichtern – war für mich bisher ok. Klarer Vorteil: Die enge Zusammenarbeit mit der ARD wird jetzt noch besser ausgespielt: Im Rahmen des ARD/ZDF-Streaming-Netzwerks hat man jetzt easy Zugriff auf ein noch breiteres Spektrum an Inhalten – was man bei Joyn auch gerne gehabt hätte, siehe mein Aufreger von vor 14 Tagen.
Wie funktionieren die Algorithmen im ZDF? Ein Blick unter die Haube des neuen Streaming-Portals
Um ein personalisiertes Nutzerlebnis zu erreichen, braucht man vor allem eines – Daten. Und um mit diesen Daten arbeiten zu können, braucht es Algorithmen. Das ZDF geht bei diesen Algorithmen ganz offen in die Kommunikation – sogar eine eigene Landingpage zu diesem komplexen Datenthema wurde parallel zum Start des neuen Streaming-Portals etabliert – hier zu finden. „Metriken und Kennzahlen brauchen wir, um von den eher abstrakten Regelungen des öffentlich-rechtlichen Auftrags die Brücke zu den konkreten verwendeten Daten und Algorithmen schlagen zu können“, heißt es dort beispielsweise, und – auch spannend: „Anders als für viele Streaming-Plattformen ist uns zum Beispiel die Vielfalt/Diversität der empfohlenen Inhalte sehr wichtig.“
Konkret sieht das „auf ZDF“ so aus: Die Seite zeigt verschiedene Bänder mit Empfehlungen – kennen wir auch schon von anderen Streamingdiensten. Die Empfehlungsbänder funktionieren beim ZDF nach festgelegten Regeln, die von den Mainzern Anwendungsfälle genannt werden. Konkret beschreibt das ZDF dabei verschiedene Anwendungsfälle, welches publizistische Ziel verfolgt wird, welche Daten und Algorithmen verwendet werden und welche Metriken dabei zu beobachten sind. Anwendungsfälle können sein: „Das Könnte Dich Interessieren (DKDI)“, oder „Weil Du ‚…‘ Geschaut Hast (Weil Du)“, aber auch „Empfehlungen zu Filmen, Serien und Magazin-Sendungen“.
Spannend finde ich auch die „Meta Collections“ – eine automatische Sammlung von Inhalten zu einem Thema, zum Beispiel „Krimis“. In der Collection kann man dann zum Beispiel zwischen Filmen und Serien unterscheiden. Die Sortierung innerhalb der Meta Collection wird automatisch berechnet. Dafür wird ein Algorithmus verwendet, der misst, wie häufig die einzelnen Empfehlungen angeklickt und die Videos gesehen werden. Daraus wird gelernt, in welcher Reihenfolge die Inhalte sortiert werden. Die Inhalte der Partner 3sat, ARD, Arte, funk, Kika und phoenix werden übrigens erst weiter unten angezeigt. Die Gesamtleistung der ausgespielten Empfehlungen werden überwacht – dafür werden sogenannte Metriken erstellt. Ich könnte jetzt noch weiter in die Tiefe der Daten einsteigen, empfehle dafür aber die Algorithmus-Seite des ZDF – die geht sehr in die Tiefe und bleibt dabei sehr anschaulich.
Meine Kritik am Verzicht auf die Marke „ZDFmediathek“
Zurück zum Mediathek-Begriff: Trotz der zahlreichen Verbesserungen wirft der Verzicht auf die etablierte Marke „ZDFmediathek“ für mich Fragen auf. Der Begriff „Mediathek“ ist seit 2001 fest im Sprachgebrauch der Zuschauer:innen verankert und steht synonym für das digitale Angebot des ZDF. Die Entscheidung, diesen Begriff aufzugeben, könnte bei einigen Nutzer:innen zu Verwirrung führen und den Wiedererkennungswert mindern. Zudem stellt sich die Frage, ob die Umbenennung notwendig war, um die gewünschten Modernisierungsziele zu erreichen, oder ob eine behutsamere Anpassung des bestehenden Namens ausreichend gewesen wäre.
Wenn ich so in die Beiträge der Kolleg:innen schaue, dann erkenne ich ein ähnliches Bild: „Digital Fernsehen“ betont die Ambition des ZDF, mit dem neuen Streaming-Portal „neue Maßstäbe für ein modernes, intuitives und inklusives Streaming-Portal“ zu setzen. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass die bisherige ZDFmediathek nun einfach ZDF heißt und im Wording von „Jetzt streamen im ZDF“ die Rede ist. Oder, wie es Jan Böhmermann im Podcast „Fest & Flauschig“ erklärt hat – man müsse jetzt „auf ZDF“ sagen, zumindest hausintern.
Was mit diesem Relaunch einherging, ist – zum Missfallen einiger Nutzer, wie fernsehserien.de es schreibt – der Wegfall von weitergehenden Informationen und ergänzenden Inhalten zu den einzelnen Sendungen: „So gibt es kaum noch ausführliche Texte zu Schauspielern, Produzenten oder Autoren eines Formats mehr. Ebenso ist nicht mehr zu finden, welche Gäste etwa in der kommenden Ausgabe von „Markus Lanz“ begrüßt werden. Auch Bildergalerien und Faktenboxen gehören der Vergangenheit an“, heißt es dort. „Das Video steht absolut im Vordergrund“, sagt das ZDF dazu, und es sei die „Abkehr von der so genannten bisherigen Sendebegleitung“.
DWDL hebt hervor, dass das ZDF mit dem Relaunch in der App- und Web-Welt zur Streaming-Plattform wird und sich von der klassischen TV-Mediathek verabschiedet: Video steht nun absolut im Vordergrund – für DWDL orientiert sich die Plattform jetzt stärker an den Bedürfnissen der 25- bis 49-Jährigen – da kann ich seit ein paar Wochen nicht mehr mitreden. Das ZDF unterstreicht das: „Aus allen Studien der Medienforschung wissen wir, dass junge Nutzende über Hinweise wie ‚Sendung verpasst‘ oder ‚Heute Abend 20:15 Uhr‘ reichlich irritiert waren. Weil sie schlicht nicht wussten, was das bedeuten soll“, heißt es bei den Mainzern.
Auch in der von uns moderierten Facebook-Gruppe zu den ARD & ZDF Mediatheken – hier zu finden – regt sich Kritik. „Die Mediathek ist m.E. nicht User-Freundlich“, heißt es da, und in der App funktioniert die Merkliste nicht. Auf TV ist die Merkliste nur in der alten Fassung vorhanden und es lässt sich nichts merken. Neu in der Mediathek gibt es wohl nicht mehr.“ Oder: „Es ist echt furchtbar geworden.. So hatte man immer einen guten Überblick was neu ist und musste sich nicht dumm und dämlich suchen.“ Sowie: „… ist auch insgesamt eher unübersichtlicher geworden…“
Keine Frage: Der Relaunch der ZDFmediathek zum ZDF Streaming-Portal stellt einen bedeutenden Schritt in Richtung Modernisierung und Nutzerorientierung dar. Die zahlreichen Verbesserungen in Bezug auf Personalisierung, Bedienbarkeit und Design finde ich total wichtig und dürften das Nutzungserlebnis deutlich steigern – und möglicherweise sogar neue Zielgruppen erschließen. Dennoch finde ich, dass das ZDF sensibel mit der etablierten Marke „ZDFmediathek“ hätte umgehen sollen. Wer meine Aufreger hier im Blog kennt, der weiß, dass ich schon die Sky-Eskapaden in Sachen Marken und Wording schlimm finde. Hier reiht sich das ZDF jetzt für meinen Geschmack leider ein.
Bilder: ZDF
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