Bunte Lichter, Kneipen, Theater, Sex-Shops, Dönerbuden, Stripclubs und Bordelle zeichnen die Reeperbahn, die Vergnügungsmeile im Hamburger Stadtviertel St. Pauli, aus. Die Straße ist weit über ihre Stadtgrenzen hinaus bekannt und steht für Spaß und sündige Erlebnisse bis in die frühen Morgenstunden. Den Kiez-Kult verdankt sie sicherlich auch den zahlreichen Filmen und Dokumentationen, die oftmals vom Aufstieg der dort operierenden Zuhälter, den Luden, erzählt. Nun reiht sich auch die sechsteilige Serie „Luden – Könige der Reeperbahn“ darin ein. Amazon Prime Video kündigte diese Woche mit der Veröffentlichung eines ersten Teasers den Start der Serie im März an. Angesiedelt in den 1980ern porträtiert sie die Geschichte des aufstrebenden Zuhälters Klaus Barkowsky (gespielt von Aaron Hilmer).
Der Teaser versprüht einen angenehmen Retro-Charme und weckt die Sehnsucht nach Freiheit, verharmlost aber meiner Meinung nach die wahren Gräueltaten, mit denen insbesondere Frauen auf der Reeperbahn zu kämpfen haben. Vor einiger Zeit hörte ich ein Interview mit der Journalistin und Buchautorin Barbara Schmid („Schneewittchen und der böse König“), die darin Einblicke in das Geschäft mit dem Körper gewährte. Eigentlich sollte mit der Legalisierung der sexuellen Dienstleistungen eine Anmeldepflicht und gesundheitliche Beratung für die zahlreichen Frauen einhergehen, doch von den etwa 400.000 Prostituierten in Deutschland sind gerade einmal 23.000 behördlich gemeldet. Schätzungsweise 90 % der Prostituierten üben ihren Beruf nicht freiwillig aus. Durch die Legalisierung des Berufs in der Bundesrepublik können Freier und Zuhälter nicht belangt werden und Menschenhändler werden gerade dazu animiert Frauen nach Deutschland zu schleusen, da hier ohne Konsequenzen Umsätze erzielt werden. Während sich Drogen nur einmal verkaufen lassen, kann ein und dieselbe Frau mehrmals verhökert werden. Schwangere sind wohl besonders beliebt, weshalb einigen besonders fürchterliche Dinge gegen ihren Willen angetan werden. Unter dem Deckmantel der Selbstbestimmung und Freiheit findet hier kaum Ermittlungsarbeit statt. Die Öffentlichkeit sieht weg und dazu tragen ebendiese verklärten Bilder über den coolen und abgerockten Luden dazu bei. Als im vergangenen Herbst die Dokumentation „Reeperbahn Spezialeinheit FD65“ auf dem Kiez Premiere feierte, waren echte Luden anwesend, die wie Rockstars gefeiert wurden, obwohl es sich um Verbrecher handelt. Die Doku-Reihe ist übrigens komplett in der ARD-Mediathek abrufbar.
Ich habe „Luden – Könige der Reeperbahn“ noch nicht gesehen, aber ich bezweifle stark, dass hier an dem bestehenden Bild gerüttelt wird und stattdessen die Erfolgsgeschichte eines Gangsters und die vermeintliche sexuelle Revolution verkauft wird. Schade, denn etwas Aufklärung wäre der Sache deutlich dienlicher. Am 3. März schaue ich aber trotzdem mal in die Miniserie rein. Wer weiß, vielleicht werde ich ja doch überrascht.
Bilder: Amazon Prime Video | ARD
Ich hatte mal einen Religionslehrer. Ein sehr netter und vor allem sehr engagierter Mensch, der ein sehr interessantes Leben hatte und dementsprechend eine Million interessanter Geschichten zu erzählen hatte.
Eine seiner Geschichten war, wie er mal mehrere Jahre als Pfarrer in St Pauli tätig war. Und sagen wir es mal so: Die ständige Romantisierung und Verharmlosung dieser Ecke Deutschlands, gefiel ihm dank seiner Erfahrungen dort auch nicht wirklich. Wie er sagte, war nicht alles schlecht und auf beiden Seiten des Gesetzes lernte er Menschen kennen, mit denen er gerne Zeit verbrachte, aber gerade im Rotlichtbereich waren seine Erzählungen…nennen wir es mal „sehr düster“, obwohl er immer wieder betonte, dass das noch die leichter verdaulichen Momente seiner Zeit dort waren.
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