Netflix steckt in einer ersten Krise – das ist nicht neu, sondern spätestens seit den letzten Quartal, als Netflix erstmals seit einem Jahrzehnt mehr Kunden verloren als gewonnen hat, offensichtlich. Und neue Kennzahlen deuten darauf hin, dass dieser Rückwärtsgang bei dem Streamingdienst erstmal eingelegt bleibt. Zu teuer, zu wenig Neues, immer stärker werdende Konkurrenz – Netflix hat Probleme, zumindest wenn man der Logik folgt, dass man immer weiter wachsen muss.
Denn auf der anderen Seite könnte man auch sagen, dass Netflix mangels Konkurrenz und diverser Glücksgriffe bei den Eigenproduktionen über dem Niveau agiert hat, das eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Heißt also: Im normalen Marktgeschehen mit einer gewissen Kundensättigung bei Serienangeboten und wachsender Zahl an Marktbegleitern nähert sich Netflix jetzt einem Niveau an Nutzerzahlen an, das realistischerweise zu erwarten gewesen wäre. Trotzdem muss Netflix die Probleme in den Griff bekommen, um nicht gänzlich abzustürzen. Werfen wir einen Blick auf die Herausforderungen.
Netflix stürzt ab – das sind die Gründe
Negative Zahlen verschlechtern das Image von Netflix
200.000 Nutzer hat Netflix im 1. Quartal 2022 verloren, 2 Millionen sollen es Schätzungen zufolge im gerade abgelaufenen 2. Quartal sein. Solche Zahlen sind natürlich schlecht fürs Image: Sie suggerieren, dass sich das Netflix-Abo nicht mehr lohnt – so viele Nutzer können doch nicht irren. Das senkt die Hürde für jeden einzelnen Nutzer, selbst verstärkt über eine Kündigung nachzudenken. Und das lässt sich auch mit Zahlen belegen: Waren im Vorjahr noch 90 Prozent der Netflix-Nutzer zufrieden, sind’s aktuell laut Whip nur noch 80 Prozent. Klingt immer noch nach einem guten Wert, aber auf der anderen Seite heißt das natürlich auch, dass 20 Prozent unzufrieden sind – und diese Zahl hat sich binnen Jahresfrist (in der auch nicht wirklich viel spannendendes Neues veröffentlicht wurde) verdoppelt. Fast noch schlimmer für Netflix: Bei der Konkurrenz ist die Kundschaft zufriedener: Disney+ erreicht 88 Prozent, Amazon Prime Video 86 Prozent, HBO Max 94 Prozent. Und die weitere Konkurrenz holt auf: Paramount+ liegt kurz nach dem Start auch schon bei 75 Prozent, Apple TV+ (wo binnen Jahresfrist vergleichsweise viel wertiger Content hinzugefügt worden ist) springt von 54 auf 73 Prozent.
Netflix-Neukunden sind ganz schnell wieder weg
Selbst Erfolgsserien wie „Stranger Things“ reichen offensichtlich nicht mehr aus, um Neukunden anzulocken und dauerhaft zu halten. Antenna Research hat ermittelt, dass 23 Prozent der Kunden in den USA, die bis April 2022 ein Netflix-Abo abgeschlossen hatten, das Abo direkt im ersten Monat wieder gekündigt haben. Kein anderer Streamingdienst weist aktuell derartige Zahlen aus.
Netflix wird immer teurer – und ist seinen Preis nicht wert
Netflix wird immer teurer: Ja, alles wird teurer, und die Summe dessen, was man für seinen monatlichen Serien- und ggf. Sport-Konsum ausgibt, kann schon stattlich ausfallen. Wir haben das in unserer Übersicht zur Streaming-Landschaft in Deutschland in diesem Beitrag einmal aufgeschlüsselt. Aber das Angebot muss natürlich auch immer den Preis wert sein, und da ist Netflix – auch bedingt durch Corona und die damit verbundenen Produktionspausen – doch ins Hintertreffen geraten. Bei einer Untersuchung von Whip Media hat sich gezeigt, dass mehr als zwei Drittel der Kündigungen damit begründet werden, dass kürzlich der Preis für Netflix erhöht wurde (immerhin kann man sich das Geld wiederholen). Und knapp mehr als die Hälfte der Bestandskunden sagt außerdem, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht mehr stimmt – weitere Kündigungen nicht ausgeschlossen.
Weekly statt Bingewatching: Das Nutzerverhalten verändert sich
So langsam scheint sich der Trend des Sehverhaltens wieder umzudrehen, weg vom Bingewatching, hin zum Weekly. Lange Zeit war es wichtiges Merkmal der Netflix-Serien, dass sie auf einen Schlag veröffentlicht wurden. Netflix gilt ja sozusagen als Erfinder des Bingewatchings. Inzwischen verändert sich das Bild: Disney+ und Apple TV+ strahlen nur noch wöchentlich aus, auch bei Netflix verändert sich das Konzept: „Ozark“ und „Stranger Things“ wurden zuletzt immerhin in zwei Teilen veröffentlicht. Dass die Teile damit knapp in drei verschiedenen Monaten lagen und man deswegen mindestens zwei Monate Netflix nutzen musste, um die Folgen zeitnah sehen zu können, war sicher nur Zufall.
Netflix verliert immer mehr Content
Marvel-Serien, „American Horror Story“, „Friends“ – es gibt diverse Beispiele an lizensiertem Content, den Netflix in den letzten Monaten verloren hat. Und verloren heißt dabei nicht nur, dass er nicht mehr bei Netflix zu finden ist, sondern dass er gleichzeitig die immer stärker werdende Konkurrenz bereichert. Denn die Marvel-Serien oder auch „American Horror Story“ sind zwischenzeitlich bei Disney+ zu finden – und werden wohl dort auch bleiben. Zudem wird der Markt immer enger: Es wird in Zukunft immer schwieriger, hochwertigen Content zu lizensieren, weil dieser einfach bei den vielen neuen Streamingdiensten landet, für den er produziert wird.
Die Qualität des Netflix-Angebotes hat nachgelassen
Echte Highlights wie „Stranger Things“ sucht man oft vergeblich, der letzte Serien-Hype wurde durch „Squid Game“ ausgelöst. Sonst läuft auch viel Mittelmaß bei Netflix – was erstmal nicht schlimm ist, weil das auch bei Amazon Prime Video oder Disney+ vorkommt, nur steckt Netflix nicht selten in dem Dilemma, selbst Mittelmaß-Serien als Highlight anpreisen zu müssen. Immerhin geben 29 Prozent in der schon erwähnten Whip-Analyse an, dass sie gekündigt haben, weil sie sich nicht für die Inhalte der Programm-Bibliothek interessieren (ganz gleich, ob Serie oder Film) – es ist also ein Qualitätsproblem. Apple TV+ macht es da anders: Dort weiß man, dass man nicht viel zu bieten hat, aber die drei bis vier neuen Veröffentlichungen reichen aus, die Kunden bei der Stange zu halten, weil die Qualität einfach so hoch ist. Vielleicht auch ein Weg für das Netflix der Zukunft.
Netflix verliert immer mehr, was kann der Streamingdienst tun?
Der gerade beschriebene Weg, mehr auf Qualität zu setzen, ist der eine. Ansonsten fällt Netflix aktuell wenig ein: Getestet wird aktuell, eindeutige Nutzer zu identifizieren und das Account-Sharing einzudämmen. Ob man dadurch mehr Nutzer bekommt – fraglich. Dann ist Netflix in die Überlegungen eingestiegen, eine werbefinanzierte, billige Version des Streamingdienstes anzubieten. Doch das ist nur mit neuen Hürden verbunden – wie dem Aufbau einer Infrastruktur für Akquise und Booking und geringere Marge bei den Account-Gebühren. Außerdem sucht man neue Geschäftsfelder – Gaming soll es richten. Ob man damit das Spiel der Streaminganbieter um neue Kunden gewinnen kann, wird man sehen.
Bilder: Netflix / Marvel
Netflix war für mich mal die Nr.1 der Streamingdienste. Hier hat aktuell Disney+ die Nase klar vorn. Über Inhalte kann man immer streiten. Es gibt einige Eigenproduzierte Inhalte die mir bei Netflix sehr gefallen, wo andere eher abwinken. Aber das ist Normalzustand. Fakt ist: Netflix bietet aktuell wenig für viel Geld, und man muss lange warten bis Eigenproduziertes am Start ist. Aktuelle Kinofilme findet man nur noch bei der Konkurrenz. Größtes Übel aber für mich: Will man die beste Bildqualität haben zahlt man drauf. Die bekomme ich bei Disney+ und Prime im Normalen Abo.
Im Prinzip müsste Netflix das tun, was sie nie wollten: Serien wieder wochenweise veröffentlichen.
Das hätte zwei fundamentale Vorteile für den Streamer:
1) Die Kunden müssen für mindestens mal 3 Monate bezahlen, wenn sie 13 Folgen sehen wollen und nicht nur für 1 und den Krempel dann am WE durchbingen.
2) Serien könnten endlich mal wieder Buzz entwickeln. So sehr ich auch das Ende von LOST verachte und die Serie seitdem nie wieder angefasst habe, so waren es doch spaßige Jahre, im Internet und mit Kollegen von Woche zu Woche zu spekulieren, was es denn mit der Luke auf sich haben könnte und was die Nummern zu bedeuten haben, die man in diesen Uraltcomputer eingeben musste.
Stranger Things lutscht man einfach durch, ohne wirklich über das Wesen des Upsidedown zu spekulieren oder nur nachzudenken.
Ja, man geht irgendwie mit dem Druck an Serien ran, möglichst schnell durchzugucken, um nicht im Netz oder sonstwie gespoilert zu werden. Ist beim wöchentlichen Rhythmus sicher besser.
Mein Hauptproblem mit Netflix dieser Tage, ist das Fehlen von Katalogtiteln. Als es in Deutschland an den Start ging, war der Hauptgrund für mich einen Account anzulegen, all die alten Filme und Serien sehen zu können, die nur selten oder gar nicht mehr im Fernsehen laufen.
Gut, in Deutschland war die Ausbeute ziemlich ernüchternd und kein Vergleich zur US Seite, auf der man damals z.B. die klassische TWILIGHT ZONE oder ADDAMS FAMILY, sogar einen Haufen Stummfilmklassiker, dämliche 80er Jahre Teeniekomödien mit den Coreys oder auch 50er Jahre B-SciFi Filme wie THE ANGRY RED PLANET sehen konnte! Währenddessen schien das deutsche Netflix keinen Bock gehabt zu haben, Filme in ihr Programm aufzunehmen, die vor 1982 gedreht wurden und sowieso ständig auf Kabel 1 wiederholt werden. Und Serientechnisch waren zu Anfang zwar ein paar interessante Sachen dabei, etwa die Deutschlandpremiere des CLERKS Cartoons, aber sooooo viel gab es dann doch nicht.
Dummerweise wurde das in den weiteren Jahren nur noch schlimmer. Nicht nur, dass Netflix heute lieber ihr Archiv mit Filmen und Serien Marke eigenbau füllt, immer mehr andere Streamingdienste horten die Rechte an „ihren“ Produktionen. Das ist einer der Gründe, warum mein Favorit im Moment Disney+ ist. Die STAR Abteilung hat einen sehr schönen Mix aus abgenudelten Klassikern und weniger bekannten Filmen.
Leider sind die US-Streamingdienste immer noch ihren deutschen Versionen weit voraus. Ich schaue immer neidisch auf den Katalog von HBO Max oder Shudder und bin mir sicher, dass Paramount+ hier nur einen Bruchteil von dem anbieten wird, was sie in den USA zeigen. Ich meine, Peacock hat hier so wenig zu bieten, dass sie einfach zu einer Unterabteilung von Sky Go wurden!
Mein Punkt ist: Es ist völlig egal ob die Eigenproduktionen von Netflix gut oder schlecht sind. Aber die Alternativen fehlen!
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