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Von Vielfalt in TV-Serien

Warum der Türke jetzt der Gute ist

19. Dezember 2018, 12:39 Uhr
Kommentar-KW51

Hinter dem Gebüsch eines Wohngebiets in Berlin-Marzahn wurde eine Leiche entdeckt. Bei dem Opfer handelt es sich um einen türkischstämmigen Fußballnationalspieler. Der Polizist Kurt und sein Partner Erol ermitteln in dem brisanten Mordfall. In der neuen deutschen Netflix-Serie „Dogs of Berlin“ werden die Polizisten bewusst entgegen gängiger Klischees porträtiert. Während der Deutsche eher zwielichtige Methoden an den Tag legt, erweist sich der homosexuelle Polizist mit Migrationshintergrund als vorbildhafter Beamter. Obwohl ich das Ende der Serie noch nicht kenne, atme ich auf. Ich atme auf, weil mir bewusst wird, dass der Türke nicht länger der Drogendealer, Shishabar-Besitzer oder Obstverkäufer ist, sondern der gute Cop.

Ein langer Weg

Als ich jung war, waren Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Fernsehen entweder nicht existent oder allenfalls Stereotype. Der Italiener ein Pizzabäcker, der Afrikaner ein Bediensteter und der Inder ein Exot mit buntem Turban. Nicht selten wurden sie auch parodiert und der „lustige“ Akzent zum Witz erklärt. Es gab keine deutsche TV-Serie, an die ich mich erinnere, die das anders gemacht hätte. Objektiv betrachtet kann ich nachvollziehen, dass Privatsender, die von Werbeeinnahmen leben, aus wirtschaftlichen Gründen, das Risiko so gering wie möglich halten wollen und mit ihrem Programm lieber auf Nummer sicher gehen, bevor sie ihre Kernzielgruppe möglicherweise vergraulen. Aber was ist mit dem öffentlich rechtlichen Rundfunk? Ich und zig Millionen andere mit ausländischen Wurzeln zahlen genauso unseren Beitrag, aber alles was ich in meiner Jugend zu sehen bekam war ein Kommissar mit polnischen Wurzeln.

Ich habe mich daher recht früh von den deutschen Fernsehproduktionen abgewandt und bevorzugt US-Serien geschaut. Die Amerikaner haben wenigstens das kommerzielle Potenzial erkannt und Formate geschaffen, die beispielsweise ein schwarzes Publikum ansprachen. Serien wie „Der Prinz von Bel-Air“ waren ein Riesenerfolg. Ich mochte die Sitcom sehr, denn hier war der afroamerikanische Protagonist der Coole und Witzige. Es folgten Ableger wie „Moesha“ mit der Musikerin Brandy oder „Hotelboy“ mit dem späteren Oscargewinner Jamie Foxx, die ich mir allesamt angesehen habe. Selbst die vermeintlich weiße Serie „Superman – Die Abenteuer von Lois & Clark“ erzählt im Kern die Geschichte eines im Exil lebenden Helden. Superman ist für mich der ultimative Ausländer. Er stammt aus einem fremden Planten und nimmt auf der Erde eine geheime Identität an, um seine Herkunft zu verbergen.

Erst 2006 versöhnte ich mich Dank „Türkisch für Anfänger“ wieder etwas mit dem deutschen TV. In der witzigen Serie über eine deutsch-türkische Patchwork-Familie wurden amüsant die kulturellen Unterschiede einem Publikum näher gebracht, das bis dato in einer „Traumschiff“-Welt lebte, in der scheinbar alle weiß sind. Weitere Schritte in eine realistische Abbildung unserer Gesellschaft wurde dann damit getan, dass Schauspieler wie Mehmet Kurtulus oder Aylin Tezel als Kommissare im „Tatort“ besetzt wurden.

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Hindernisse

Grund dafür, ist meines Erachtens ein festgefahrenes System, dass sich selbst nicht zutraut neue Wege zu gehen. Hinzu kommen unfähige Autoren. Ein guter Autor muss nicht selbst homosexuell sein, um eine reißende Geschichte über eine gleichgeschlechtliche Liebe zu erzählen. Im Kern steckt eine universelle Geschichte, die jeder nachvollziehen kann, nur dass den Protagonisten vielleicht andere oder zusätzliche Hindernisse begegnen, als bei einer heterosexuellen Lovestory. Der Erzählung wird also nichts weggenommen, sondern nur etwas hinzugefügt. Angenommen ein Autor soll eine Geschichte über einen Polizisten verfassen, der einen Einbrecher jagt. Wenn der Polizist, aber zum Beispiel gehandicapt ist, dann stellen sich ihm ganz andere Gefahren und Herausforderung bei der Jagd. Die Ausgangssituation bleibt aber die gleiche. Als Vorlage für eine gelungene Figurenzeichnung, sollte die Realität dienen und nicht die klischeebeladene Vorstellung.

Ein neues Zeitalter

Die Streamingdienste verändern nicht nur die Art und Weise wie wir Serien konsumieren, sondern auch was wir sehen. Sie müssen nicht länger einen großen Serien-Hit generieren, den möglichst viele sehen wollen, sondern sie bieten verschiedenen Zielgruppen etwas Passendes an. Wichtig ist nur, dass der Kunde im Bezahl-Abo bleibt. Die großen Streaming-Anbieter bieten ihr Programm weltweit an, dadurch ist beispielsweise eine Serie wie „Jack Ryan“ keine patriotische Heldengeschichte, sondern ein universeller Thriller, der über die eigenen Ländergrenzen hinaus funktioniert.

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Das Ergebnis ist, dass wir ein vielseitiges Serienangebot haben und dieser Trend setzt sich fort. Wenn jetzt in jeder neuen Serie ein Migrant, ein Homosexueller usw. zu sehen ist, dann ist das nur eine konsequente Abbildung unsere Realität. Ich begrüße diese Wendung in der TV-Landschaft sehr, bietet sie uns doch endlich vielfältigen Content für jeden. Ich schau jetzt jedenfalls noch eine Folge „Dogs of Berlin“ und nasch dabei Baklava.

PS: Inspiriert zu diesem Beitrag wurde ich durch Kiras zum Nachdenken anregenden Kommentare zum Thema Realität und Diversität in TV-Serien.

Beitrag von:
Mittwoch, 19. Dezember 2018, 12:39 Uhr
Kommentar
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Ein Kommentar

  • Holden

    Naja, sooo fortschrittlich waren die Amis im TV auch nicht. Sicher, die hatten schon in den 70ern mehr Serien mit nicht-weißen Protagonisten, als wir in den 90ern, aber als schwarzer Schauspieler musste man trotzdem die meiste Zeit über die kriminellen Gangmitglieder oder die auf eindimensionale Catchphrases reduzierten Sidekicks spielen.

    Und wenn man heute als südländisch aussehender Schauspieler in Hollywood arbeiten will, bekommt man garantiert keine Sitcom aus der Sicht einer muslimischen Familie angeboten, sondern muss erstmal den finsteren Terroristen spielen. Wenn man Glück hat, auch „nur“ den Terrorverdächtigen, der zwar mit den anderen Terroristen in irgendeiner Verbindung steht, aber am Ende fälschlich verdächtigt wurde.

    Vor ein paar Jahren erzählte zum Beispiel mal Erick Avari auf einer Convention, wie er, obwohl er ja durchaus gutbeschäftigt war, seit 9/11 sehr viele potenzielle Gehaltschecks verlor, weil er sich einfach weigerte Terroristen zu spielen. Leider waren das fast alle Rollen, die man ihm seitdem anbot.

    Und selbst deutschlands aktuelle Topserie „4 Blocks“ handelt ja wieder vom „kriminellen Ausländer“. Sicher, als Anti-Helden und mit Graustufen, aber das Familienclans seit Beginn der Ausstrahlung plötzlich Terroristen als schlagzeilenträchtige muslimische Feindbilder in den deutschen Nachrichten abgelöst haben, scheint kein Zufall zu sein und wirft die Frage auf, wie zuträglich so eine Serie der Völkerverständigung ist.

    Mit der Vielfalt im Fernsehen ist das immer so eine Sache. Natürlich muss man jeden positiven Fortschritt feiern und den Verantwortlichen klarmachen, dass sie so weitermachen sollen, aber es wird wohl eine ganze Zeit dauern, bis gewisse negative Stereotypen nicht mehr die Norm sind. Selbst das als so fortschrittlich gefeierte „Modern Family“ nutzt überraschend viele „Ha Ha, der Schwule benimmt sich wieder übertrieben Feminin“ und „Ha ha, die Latina hat einen Akzent und kommt aus einem rückständigen Land“ Witze.

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