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Rosarote Brille vs. realistische Spiegelung

Wie realistisch dürfen Serien eigentlich sein?

5. Dezember 2018, 21:18 Uhr
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Mangelnde Diversität in Serien ist ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt und mich schon seit langer Zeit stark beschäftigt. Ich bin der Überzeugung, dass Filme und Serien die Vielfältigkeit unserer Welt, der Gesellschaft und der Menschen, die sich in ihr befinden, noch nicht ausreichend abbilden. Natürlich gilt das nicht für alle Filme und Serien und einige schaffen es schon ziemlich gut, auch mal von gängigen Darstellungsmustern abzuweichen. Alles in allem ist aber das Bild, das durch Serien und Filme geschaffen wird, einfach zu einseitig – und das in vielerlei Hinsicht.

Daher frage ich mich: Wie realistisch dürfen oder müssen oder sollten Serien denn eigentlich sein? Wie viel Wahrheit und Realität fördern unser Verständnis von der Welt und öffnen unsere Sicht, ohne unser Seherlebnis negativ zu beeinflussen? Gibt es Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen? Auf all diese Fragen habe ich keine Antworten. Ich versuche mich ihnen aber ein Stück weit zu nähern.

Der Ansatz

Es geht mir nicht darum zu hinterfragen, wie realistisch es ist, dass Menschen durch einen Virus mutieren und zu Zombies werden, wie wahrscheinlich es ist, dass man übernatürliche Kräfte besitzen kann oder ob es tatsächlich mal Drachen gegeben hat. Es geht mir vielmehr um die Abbildung des Alltäglichen im Nicht-Alltäglichen, dessen, was uns als Menschen beschäftigt. Unabhängig von den großen Story-Aufhängern in Serien. Lass sie sein, was sie wollen. In welchem Genre auch immer. Es sind die kleinen beiläufigen Dinge, die unseren Blick auf die Welt viel stärker beeinflussen, als wir es vielleicht manchmal glauben.

Unrealistische Bilder

Immer wieder gibt es Videos, in denen echte Ärzte „Grey’s Anatomy“ oder „Dr. House“ und echte Anwälte „Suits“ auseinander nehmen und beurteilen, wie nah die Darstellungen der Serien dem tatsächlichen Alltag als Arzt oder Anwalt kommen. Denn viel zu oft hört man doch den Satz: „Ich könnte aus dem Stand weg operieren, ich hab alle Folgen ‚Grey’s‘ geschaut!“ Ob ernst gemeint oder nicht – ist es nicht das, was uns diese Krankenhausserie vermittelt? Genau zu wissen, was im OP so vor sich geht?

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Und mal ehrlich: Welche Berufsbilder aus Serien entsprechen schon der Realität? Carrie aus „Sex and the City“ ist Kolumnistin und führt ein Leben, als hätte sie gestern im Lotto gewonnen: Tolle Wohnung mitten in New York, immer die teuersten Schuhe und Kleider, jede Mahlzeit wird außerhalb der eigenen vier Wände eingenommen. Das kann sich kein Mensch leisten. Ich mag „Sex and the City“ und man könnte jetzt auch argumentieren, dass es in der Serie aber ja genau darum geht: den Kleiderschrank – und eine andere Darstellung an dem Thema vorbeiführen würde. Fair enough. Aber ist das nicht bei einem Haufen anderer Serien auch irgendwie so?

Dann erstmal zum nächsten Punkt: Wo sind die Frauen über 40? Ach Moment, die gibt’s ja gar nicht! Nein, jetzt mal im Ernst: Wo sind die Frauen, die nicht mehr in der ersten, sondern vielleicht in der zweiten oder dritten Blüte ihres Lebens stehen? Geht man nach dem Großteil der Serien und Filme, die uns auf den bekannten Plattformen so zur Auswahl stehen, ist diese Spezies die Seltenheit überhaupt. Womit wir dann auch gleich wieder beim Thema Diversität wären. Ist für mich aber auch schwer von realistischer Darstellung in Serien zu trennen.

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Gut, dann eben weiter: Wie sieht es denn so mit dem Körper der Frau aus? Nicht nur, dass dieser bei der weiblichen Figurenbesetzung in den meisten Fällen den Durchschnitt der Frauen in Maßen und Gewicht bei Weitem unterschreitet, Themen wie Menstruation, die Veränderung des Körpers während der Schwangerschaft oder nach einer Geburt oder auch die weibliche Sexualität werden beinahe noch wie Tabus behandelt. Oder aber in wieder einmal übertriebener und unrealistischer Weise thematisiert. Liegt das an dem unausgewogenen Verhältnis von weiblichen und männlichen Drehbuchautoren, daran, dass viele Dinge überhaupt nicht aufgegriffen werden können, da sie nicht auf dem Radar der in der Überzahl vertretenen männlichen Drehbuchautoren auftauchen? Ich denke, das ist sicherlich einer der ausschlaggebenden Gründe. Womit wir wieder bei Diversität wären. Huch.

Ich glaube, dass schon winzige Kleinigkeiten in der Darstellungsweise zu großen Veränderungen in der Wahrnehmung führen können – nicht nur in der Wahrnehmung der Zuschauer von anderen, sondern auch, und das sogar vor allem, von sich selbst. Wenn ich mal wieder Frauen auf High Heels über die Bildschirme laufen sehe, schmerzen mir die eigenen Füße und ich denke gleich: Kaum eine Frau trägt zum Wochenendeinkauf solche Schuhe. WER denkt sich sowas aus? Wenn sich Personen in Liebesszenen die Kleidung vom Leib reißen und keine Abdrücke von BH, Hose oder Socken auf dem Körper zu sehen sind, ist klar: Niemand auf der Welt hat so perfekt passende Kleidungsstücke, dass diese keine Spuren hinterlassen. Wenn gezeigt wird, wie man morgens aufwacht, auf einem perfekt aufgeschüttelten Kissen liegend, mit dem nackten Arm über der Decke und einem traumhaften Augenaufschlag, fasst man sich an den Kopf, weil man von sich selbst weiß, dass man mit Schlaf in den Augen und den Körperteilen unkoordiniert über das Bett verteilt in den ersten Minuten erstmal versucht überhaupt zurück ins Leben zu finden. Ein weiterer großer Mythos: Frauen tragen auch nicht immer sexy Lingerie, sondern Unterwäsche, die bequem ist. Und wenn man sich die Zähne putzt, dann muss das schäumen und am Ende muss man ordentlich gurgeln und spülen. Das, was man in Serien sieht, ist ja nicht mal eine Katzenwäsche. Und warum? Damit man weiterhin gut aussieht?

Je älter ich werde, desto mehr stören mich diese Darstellungen komischerweise. Und so stark manche Stories aus dem „echten Leben“ auch gegriffen zu sein scheinen, desto abwegiger ist ihre Darstellung und Übersetzung dieser Stories in Bilder manchmal.

New Normal

Ich habe das Gefühl, dass der Standard in Serien dieser ist: du bist jung, heterosexuell, siehst gut aus und hast genug Geld, ach ja und irgendwie intelligent bist du am besten auch noch. Sobald diese Kriterien nicht erfüllt sind, ist die Grundlage dafür gegeben, zu thematisieren, warum du genau eine dieser Kriterien nicht erfüllst. Ich frage mich: Geht das nicht auch anders? Kann nicht der Protagonist auch mal schwul sein, ohne dass sein Schwulsein die Story bestimmen muss (was immerhin auch schon mal ein guter Schritt wäre – womit wir wieder… ok, ich lass es jetzt)? Kann nicht auch mal eine Frau einen Jogger tragen, wenn sie auf dem Sofa liegend gezeigt wird, und nicht nur den seichten Bademantel, der in keinster Weise das Gefühl von Gemütlichkeit oder Wärme vermittelt? Denn wenn Dinge nicht mal gezeigt werden, wie sollen sie dann überhaupt als normal begriffen werden?

Meiner Meinung nach ist jedenfalls die fehlende realistische Darstellung mancher Dinge der Grund, warum sich unrealistische Körperbilder in unsere Köpfe fressen. Warum Männer oftmals keine Ahnung davon haben, wie es sich für Frauen anfühlt, wenn sie die monatliche Blutwelle überfällt. Warum Menschen Heterosexualität als die Norm ansehen und keinen Platz für andere als die ihren Ansichten haben.

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Die blaue oder die rote Pille?

Daher zurück zu den vielen Fragen, die mich beschäftigen: Würde es unser Seherlebnis denn negativ beeinflussen, wenn man mehr Realität in Serien einfließen ließe? Muss die Story über allem stehen und würde eine realistischere Darstellungsweise von Alltäglichkeiten zu sehr davon ablenken? Würde sich die Mehrheit dadurch womöglich sogar gestört fühlen?

Was ist eure Meinung dazu? Was stört euch an den gängigen Darstellungen in Serien? Worüber stolpert ihr, was beschäftigt euch, seht ihr das alles womöglich ganz anders?

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Wollen wir lieber die blaue Kapsel schlucken und weiterhin eine Scheinwelt betrachten, statt mit der roten Pille der Wirklichkeit in der Fiktion näher zu kommen? Ich würde sagen: Morpheus, führ uns in die tiefsten Tiefen der Realität. Wir brauchen das.

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Mittwoch, 5. Dezember 2018, 21:18 Uhr
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