Neulich wollten das Lieblingsmädchen und ich abends vor dem Zubettgehen noch fix etwas Auflockerndes schauen. Nach dem Ernst des Alltages und den hohen Dramen der Serienwelt sollte lustige Zerstreuung her, die genauso wenig anstrengend wie lang sein sollte. Tja, stellt sich heraus, dass das gar nicht so einfach zu finden ist heutzutage. Einige denkbare Neuerscheinungen (wie z.B. „The Decameron“ auf Netflix) passen vielleicht ansatzweise in Sachen Komik, kommen aber auch mit beinahe einstündigen Folgen daher. Und wenn wir mal ehrlich sind, gibt es die reine Comedy auch kaum noch.
Stupider Slapstick oder zu ernste Dramedy
Zum Abschied von „Brooklyn Nine-Nine“ hatte ich nebenbei erwähnt, dass die Serie eine der letzten ihrer Art war. Man hat sich zum absoluten Großteil auf den Comedy-Kern beschränkt und dennoch geschafft, hochwertige Unterhaltung auf lange Strecke zu bieten, die den heutigen Standards standhalten kann. Denn nein, auch wenn man das über die reale Welt zu denken vermag, die TV-Welt war früher nicht lustiger, wir hatten einfach andere Benchmarks. Damals waren Sitcoms der absolute Brüller, aber mit der Zeit sind die Erwartungen an TV-Unterhaltung gestiegen, so dass die günstig produzierte Massenware kaum noch für echte Lacher abseits der vom Aussterben bedrohten Konversenlacher vom Band sorgen kann. Wir sind anspruchsvoller geworden.
Genau dieser erhöhte Anspruch führt aber nicht etwa dazu, dass Comedyserien smarter wurden. Das ist nämlich gar nicht so leicht, anspruchsvolle Comedy zu schreiben. Ein paar plumpe Gags aneinander zu reihen, kriegt jeder mittelprächtige Writers‘ Room hin. Richtig gute Comedy zu schreiben, ist schwerer als richtig gutes Drama zu schreiben. Also hat sich der Comedybereich anderen Elementen gewidmet, um gehaltvoller zu wirken. Die übergeordnete Handlung wurde länger und vor allem ernster.
Bereits 2016 hat Michael hier bei uns im Blog darüber geschrieben, dass die Kategorien von TV-Awards wie den Emmys überarbeitet gehören. Auch wenn es damals vor allem um die Berücksichtigung von SciFantasy-Formaten ging, hat sich seitdem auch regelmäßig Verwunderung breitgemacht, wenn eine Dramedy-Serie mal wieder in eine unpassende Kategorie gepackt worden ist. So ist die dritte Staffel von „The Bear“ dieses Jahr doch tatsächlich als beste Comedy-Serie nominiert. In der gesamten Staffel gab es weniger Gags als in den ersten fünf Minuten einer Episode „Brooklyn Nine-Nine“. Über die Lustigkeit des ebenso in der Kategorie vertretenen Serie „Only Murders in the Building“ lässt sich mittlerweile auch trefflich streiten.
Gibt es noch reine Comedy-Serien?
Neben der gesellschaftlichen und Markt-seitigen Entwicklung dürfte sich im Laufe des Lebens auch mein eigener Geschmack verändert haben, klaro. Um die Jahrtausendwende waren Sitcoms auch super, weil ich jung war. Jetzt, mit Anfang-Mitte-Ende-Dreißig, ist mir stumpfer Slapstik-Humor, den es in den vermeintlichen Comedy-Serien zu sehen gibt, zu billig. Zu vorhersehbar. Zu… langweilig. Vermutlich fallen deshalb auch viel zu viele Serien bei mir durch das Raster, weil der Trailer mich abschreckt („The Decameron“ habe ich dann doch eine Chance gegeben und zumindest die erste Folge war dann doch nicht so schlecht wie befürchtet…).
Aber wo sind die wirklich lustigen Comedy-Serien? Wo sind die modernen „Brooklyn Nine-Nine“, „Community“, „Silicon Valley“, „Scrubs“ oder „New Girl“? „It’s Always Sunny in Philadelphia“ gibt es immerhin noch. Aber das ist es eben – das gibt es „noch“. Weil es schlichtweg als einer der letzten Dinosaurier seines Genres überlebt hat. Neuaufsetzungen alter Klassiker wie „How I Met Your Father“ scheitern krachend, weil sie nicht mehr das sind, was sie mal waren. Irgendwie traurig.
Habt ihr eine empfehlenswerte moderne Comedy-Serie parat, die ich noch nicht kenne aber unbedingt schauen sollte? Einen letzten Vertreter der aussterben Gattung? Lasst es mich und alle anderen in den Kommentaren wissen!
Foto für Artikelbild-Collage: Siviwe Kapteyn (Unsplash), Gif: The WB
REICH oder ACAPULCO oder TED LASSO bei Apple TV sind vielleicht was für Dich.
Danke für die Tipps! Bei „Reich“ habe ich es leider nicht über die Pilotfolge hinaus geschafft, „Ted Lasso“ war aber natürlich super (wenn auch eine besondere Form der Comedy). „Acapulco“ kenne ich noch nicht, schaue ich mir mal genauer an. :)
Same here, einmal im Jahr wühle ich mich durch Foren und Beiträge
in der Hoffnung doch noch eine Sitcom zu finden, die mich mal wieder abholt.
Es sind idR die ersten Staffeln die mich begeistern, gerade die späteren Folgen von HIMYM und v.a. TBBT sind vorhersehbar. Generell erwarte ich z.B. nicht, dass ich mich „bepisse vor lachen“, sondern schmunzel/lächle – so wie du „was Auflockerndes“ geschrieben hast, will ich was Unbeschwertes. Und, wie du schriebst, insofern Originalität, als dass der Plot und die Gags nicht erwartbar sind.
Meist mache ich dann Comfort-Binging: Community, Better Off Ted, Coupling. Da ich auch noch analog fernsehe, komme ich dank Pro7 immer wieder in den Genuss von Scrubs & Co :-) Vielleicht gebe ich The Middle oder Seinfeld eine Chance…
Tatsächlich bin ich mit einer neueren Serie recht zufrieden: Abbott Elementary find ich niedlich und unbeschwert.
Und The Boys finde ich derart überdreht, dass ich aufgrund der derben Überzeichnung von Figuren, Plots und Brutalität tatsächlich unbeschwert lachen kann…
Oh ja, „Better Off Ted“ habe ich sehr gemocht! Zu schade, dass die Serie so früh abgesetzt wurde und es nie richtig nach Deutschland geschafft hat. Und „Coupling“ könnte ich auch mal wieder anschauen, aber fürchte, das ist nicht so gut gealtert?
Aber denke für den „Abbott Elementary“-Tipp. Hatte das gar nicht so als reine Comedy auf dem Schirm und vom Thema her wirkt es jetzt nicht direkt reizvoll. Aber sollte ich mal eine Chance geben (hat ja glaube ich auch etliche Preise abgeräumt). Und ja, „The Boys“ ist weitaus lustiger als viele angebliche „Comedy“-Serien. ;)
Letterkenny
Lustig, erst letzte Woche hatte ich da in einen Trailer und eine Vorschauszene geschaut, weil ein Freund auf die Serie hingewiesen hatte. Das hat mich allerdings nicht wirklich abholen können, wirkte wenig lustig und eher anstrengend. :/ Stimmt der Eindruck nicht?
Ich habe bei Netflix „Brew Brothers“ geguckt, weil ich auch was kurzes, unterhaltsames gesucht hatte.
Hatte zuletzt aber auch tatsächlich „Coupling“ in meiner Sammlung gefunden und neu angefangen.
Das kenne ich noch gar nicht, danke für den Tipp. Schaue ich mal rein (auch wenn ich Angst habe bei der IMDb-Bewertung von 5,1(!)…??)
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